Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Januar-Februar 2022

Aus Räten und Verbänden

Würdiges Jubiläum auf dem Prager Vysehra

Beitragsbild: Boote auf der Moldau vor der prächtigen Kulisse der Prager Burg mit Veitsdom zeigen Flagge für Europa. Foto: Thilo Wunschel

75 Jahre Ackermann-Gemeinde

Stolz und erhaben thront die Basilika Sankt Peter und Paul auf dem Prager Vysehrad-Hügel, steil über dem rechten Ufer der Moldau. Auf eben diesem Vysehrad feierte die katholische Ackermann-Gemeinde unter dem Motto „Dialog-Kultur-Begegnung“ Anfang August 2021 ihren 75. Geburtstag. Die Ackermann-Gemeinde widmet sich seit 1946 der Aussöhnung zwischen Deutschen, Tschechen und Slowaken.

Eingeleitet wird der festliche Tag durch einen deutsch-tschechischen Gottesdienst in der Basilika. Für den Hauptzelebranten Tomas Holub, Bischof von Pilsen/Plzen, bedeutet die morgendliche Messe ein Wiedersehen nach Monaten der coronabedingten Trennung. Nach dem Segen eilt der Bischof sogleich in die benachbarte Alte Burggrafschaft, um sich der Diskussion „Christen in Deutschland und Tschechien – Worte oder Taten?“ zu stellen. Mit auf dem Podium sitzt Stefan Vesper, ehemaliger Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

Aufgrund der Kirchensteuer hat man laut Vesper viele Möglichkeiten in Deutschland, will sich aber nicht arrogant über andere stellen. Eher mit Bescheidenheit an die Sache rangehen. Er spricht vom Synodalen Weg, den man aufgrund der vielen Missbrauchsfälle von Priestern und Laien hätte einschlagen müssen. Wie kann so etwas in Zukunft verhindert werden, dieser Punkt sei ihm ganz wichtig. Auch müsse die Sexualmoral weiter beraten und entwickelt werden. Vielen jungen Leuten sage dies heute nichts mehr. Auch das Thema „Frauen in der Kirche“ sei ihm sehr wichtig. Diese Themen sind nach den Worten von Bischof Holub in Tschechien ähnlich, aber noch nicht so dringlich.

Was den Synodalen Weg angeht, so sei das von Kontinent zu Kontinent unterschiedlich zu bewerten. Letztlich zählt in dieser Sache für Holub die Einschätzung von Papst Franziskus. Einzige Frau auf dem Podium ist die Äbtissin Francesca Simuniová OSB von der Abtei Venio München/Prag. Gefragt nach den Erfahrungen mit den Kirchen in Deutschland und Tschechien nehme sie Unterschiede wahr, mag aber keine Vergleiche in gut und schlecht. Deutschland sei aber schon viel weiter als Tschechien im Hinblick, Dinge zu hinterfragen. Eine offene Diskussionskultur müsse in Tschechien noch gelernt werden. Da sei noch viel Raum, so die Äbtissin.

Buntes Programm zum Jubiläum

Nach so viel geistiger Nahrung folgt mit dem Picknick eine kulinarische Abwechslung. Viele haben es sich mit einer Decke unter schattigen Bäumen bequem gemacht und genießen das schöne Wetter, aber auch die Möglichkeit, sich nach so langer Zeit endlich wieder austauschen zu können.

Freuten sich über den Zuspruch zum Jubiläum: Daniel Herman, Vorsitzender der Sdruzeni Ackermann -Gemeinde Prag, Jakub Kulhánek, tschechischer Außenminister, und Martin Kastler, Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde (von links). Foto: Thilo Wunschel

Auf einer Wiese mit dem angeblich besten Blick auf Prag und die Basilika sind anlässlich des Jubiläums der Ackermann-Gemeinde zahlreiche Zelte aufgebaut. Hier gibt es Mitmachaktionen,  Lesungen, ein Kinderzelt, eine lebendige Bibliothek mit spannenden Vorträgen. Da berichtet zum Beispiel der Pfarrer Michael Martinek im Gotteszelt über seinen Werdegang vom Salesianer zum Gefängnisseelsorger. Im Zeitzeugenzelt kommt mit Jiri Pitin ein Überlebender des Massakers von Lidice zu Wort. Tags zuvor gab es ein Happening auf der Moldau, bei dem es der Ackermann-Gemeinde gelingt, 27 Boote, versehen mit den Fahnen der 27 EU-Mitgliedsländer, auf die Moldau zu bringen. Der tschechische Außenminister Jakub Kulhánek hatte dagegen gewettet und verliert die Wette, bei der es um ein Fass Bier ging. Er sagt dazu: „Ich habe verloren, und ich habe gerne verloren“. Klarer Sieger ist am Ende Europa, und das vor der märchenhaften Kulisse der Prager Karlsbrücke. Einer historischen Brücke im Herzen Europas!


Verfasst von:

Thilo Wunschel

Freier Journalist