Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2022

Aus Räten und Verbänden

Herausforderung Einsamkeit

Wenn Wunsch und Wirklichkeit nicht zusammenpassen

Nach zwei Jahren Pandemie verbinden wir mit Einsamkeit eindeutig negative Gedanken und Gefühle. Aber bereits vor Corona ist Einsamkeit ein Querschnittsthema von hoher Brisanz gewesen. Etwa 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer befassten sich bei der digitalen Bayerischen Landestagung des SkF im Frühjahr 2021 damit. In der Rückschau ein hochaktuelles und wichtiges Thema. 

Die Psychologin und Einsamkeitsforscherin Susanne Bücker von der Ruhr-Universität Bochum (siehe Interview Seite 12/13) stellte fest, dass gerade junge Menschen unter 18 unter den Kontaktbeschränkungen leiden. Hätten sich vor der Pandemie etwa ein Drittel der Jugendlichen „manchmal“ oder „oft“ einsam gefühlt, so sei diese Zahl 2020 noch einmal angestiegen. Doch auch alle anderen Altersgruppen fühlten sich infolge der Pandemie deutlich einsamer als zuvor: Frauen häufiger als Männer und Menschen über 80 Jahren besonders stark. Insgesamt fühlt sich jeder sechste Mensch in der Pandemie einsam. Einsamkeit habe verschiedene Ursachen, etwa die zunehmende Zahl von Einpersonenhaushalten mit steigender Tendenz. Die zunehmende berufliche Mobilität mit häufigen Umzügen erschwere den Aufbau dauerhafter sozialer Kontakte. Auch die Digitalisierung könne zu Vereinsamung führen, denn sie ersetze keine persönlichen Kontakte.

Kürzere Lebenserwartung

 Einsamkeit habe nachweislich negative Auswirkungen auf die Gesundheit, betonte Susanne Bücker. Einsame Menschen hätten eine bis zu 20 Prozent kürzere Lebenserwartung. Bücker sprach sich dafür aus, das Thema „Einsamkeit“ in der gesellschaftlichen Diskussion von seinem Stigma zu befreien. „Wir sollten dabei nicht nur über die Menschen sprechen, die sich dauernd sehr einsam fühlen, sondern auch die in den Blick nehmen, die dieses Empfinden hin und wieder haben“, betonte die Psychologin.

Resilienz vs. Selbstoptimierung

 Am zweiten Tag der digitalen Landestagung befasste sich der Sozialethiker Martin Schneider von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt mit dem Thema „Resilienz“. Der Begriff stamme ursprünglich aus der Materialkunde und bezeichne die Fähigkeit eines Werkstoffs, nach Erschütterungen in seinen Ausgangszustand zurückzukehren. Bei Menschen beziehe er sich darauf, Krisen unter Rückgriff auf persönliche und soziale Ressourcen zu bewältigen. Schneider warnte, dass durch eine falsche Interpretation des Resilienzbegriffs selbstoptimierte „Supermänner und -frauen“ erwartet werden könnten. Strukturelle Ungleichheiten, die sozialpolitisch angegangen werden müssten, dürften nicht aus dem Blick geraten. Schneider plädierte dafür, wachsam für neue Realitäten zu sein sowie die Anpassung und Transformation der Gesellschaft zu fördern. Zugleich sollten bewährte Strukturen wie etwa Sportvereine nach dem Ende der Pandemie ihr Angebot reaktivieren. Sie pufferten viel an sozialer Ungleichheit ab.

Spaltung der Gesellschaft

 Spielt auch die Wahrnehmung von Zeit eine Rolle? „Die Zeit, die man nicht mit Personen in gewünschten Situationen verbringen konnte, ist unwiderruflich verloren“, erklärte Jürgen Rinderspacher, Lehrbeauftragter am Institut für Ethik, Zeitverwendung und Zeitökonomie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Auch wenn viele Menschen durch Homeoffice und Kontaktbeschränkungen Zeit gewonnen hätten, so empfänden sie diese Zeit nicht immer als persönlichen Gewinn.

Zwei Punkte nimmt Rinderspacher bei der Zeiterfahrung in der Pandemie als problematisch wahr: Zum einen die zunehmende Entkoppelung der individuellen von der kollektiven Zeitplanung. Es werde so immer schwieriger, sich auf gemeinsame Auszeiten zu einigen. Zum anderen, dass sich eine gesellschaftliche Spaltung bei der Muße zeige. Hier kämen vor allem besser Verdienende zum Zug, die im Homeoffice arbeiten könnten. Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen müssten während der Pandemie vielfach mehr arbeiten als vorher, ohne mehr Lohn zu erhalten.

Was ist zu tun?

Wenn wir sehen, dass Einsamkeit eine negative, schmerzhafte Erfahrung darstellt und kritische Lebensereignisse Einsamkeit auslösen oder verstärken können, dann muss unsere Aufmerksamkeit auf diese kritischen Lebensereignisse gerichtet sein. Besonders junge Erwachsene und hochaltrige Menschen sind von Einsamkeit betroffen – aber auch in diesen Altersgruppen ist die Mehrheit der Menschen nicht einsam.
Deshalb ist gerade in den gesellschaftlichen Gruppen, die stärker betroffen sind eine Anti- Stigmatisierung von Einsamkeit wichtig und eine Einsamkeitsprävention, die bislang zu wenig beachtet wird, muss aufgebaut werden.

Titelbild: fran_kie/Adobe Stock


Verfasst von:

Silvia Wallner-Moosreiner

Geschäftsführerin SkF Landesverband Bayern