Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2022

Schwerpunkt

Wie Leon der Einsamkeit entrann

Außenseiter sein, weil man anders ist?

Für die anderen war er ein ganz schön schräger Vogel. War er einer, den man irgendwie nicht begriff. Mit dem man deshalb lieber nichts zu tun haben wollte. „Schon in der Grundschule habe ich nicht richtig dazugehört“, erzählt Leon (Name geändert), ein 19-jähriger Teenager aus Würzburg. Auch im Gymnasium sei er ausgeschlossen worden: „Ich war lange Zeit wirklich sehr einsam.“

Ein junger Mann, der das zugibt, riskiert, dass man ihn auslacht: Was ist denn das für einer, der es nicht schafft, Freunde zu gewinnen! Der muss selbst dran schuld sein an seiner Situation! War er tatsächlich selbst schuld? Oft hat sich Leon darüber den Kopf zerbrochen. „Es stimmt schon, ich war immer anders“, sagt er. Leon war zum Beispiel schon immer dünn. Sehr dünn. Er hatte schon immer lange Haare. Als Kind war er oft krank: „Darum hab ich häufig in der Schule gefehlt.“ Schon mit acht oder neun Jahren flüchtete er in die digitale Welt. Das war um 2010 herum bei Kindern noch nicht so weit verbreitet. Auch seine Passion für Online-Spiele machte Leon zum Außenseiter.

Anders zu sein, kann einen Menschen teuer zu stehen kommen. Sehr oft ist Ausgrenzung die Folge. Diffamierung. Spott. Auch Leon ist heute klar, dass er in erster Linie deshalb ausgegrenzt wurde, weil er nicht das tat, was andere Jungs in seinem Alter normalerweise tun. Die anderen zum Beispiel rangelten miteinander. Für so etwas war Leon schon immer zu sensibel. Und auch nicht kräftig genug. Irgendwann begann der Teenager, Sport zu treiben. Damit, sagt er, habe er einen Wendepunkt eingeleitet. Die Einsamkeit schwand weiter, als er im Sommer 2018 auf einer Plattform für depressive Jugendliche ein Mädchen kennenlernte, mit dem er Freundschaft schloss.

Immer allein

Zu sehen, dass andere immer zu zweit, zu dritt oder im Quartett auftauchten, während er selbst stets alleine war, sei „sehr traurig“ gewesen, konstatiert Leon im Rückblick. „Ich hatte es immer wieder versucht, aber ich fand einfach keine Leute, die Lust hatten, Zeit mit mir zu verbringen“, schildert der Jugendliche. Manche Jungs seien regelrecht von ihm weggerannt. Auch in den Pausen blitzte Leon ständig ab. Gerade da hatte er probiert, Anschluss zu finden: „Doch die anderen standen immer schon in der Gruppe zusammen und haben miteinander geredet.“ Keiner sprach mit ihm. Keiner ließ ihn rein.

Einsam sind nicht nur die, die zu wenig nett, undiplomatisch oder zu ruppig sind. Anders zu sein, reicht völlig aus, um zum Außenseiter zu werden. Zum Glück, sagt Leon, haben seine Eltern immer zu ihm gestanden. Und zum Glück haben sich nach und nach Dinge ereignet, die ihn aus der Einsamkeit holten. „2019 hatte ich dann einen recht großen Kreis von Leuten“, sagt er. Leon fand zum Beispiel Zugang zu einem interkulturellen Treff.

Hier war er ganz selbstverständlich mit von der Partie. Hier schätzte man ihn. So, wie er war. Leon fühlte sich gut aufgehoben. Mit einigen Leuten aus der Gruppe freundete er sich sogar an. Auch begann er, zu tanzen und zu boxen. Alles lief plötzlich total gut. Dann kam die Corona-Krise. Von jetzt auf nachher fielen alle Treffen flach: „Das machte mir einen riesengroßen Strich durch die Rechnung.“

Titelfoto: Pat Christ

Einsamkeit ist keine Frage des Alters.


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin