Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Mai-Juni 2022

Schwerpunkt

Eine Männerquote für den Pfarrgemeinderat?

Ein Anstoß zum Weiterdenken

„Was wäre wenn …“ ist ein beliebtes Gedankenspiel. Was also wäre gewesen, wenn sich für die Pfarrgemeinderatswahl 2022 keine Kandidatinnen (bewusst gegendert!) gefunden hätten? Da sähe es wohl – das zeigen die Wahlergebnisse deutlich – in vielen Gemeinden zappenduster aus. Gottlob also, dass es genug Frauen gibt, die sich ehrenamtlich für das pfarrliche und gemeindliche Leben vor Ort engagieren und dafür ihre Zeit, Ideen und Kraft investieren.

Darf man sich aber darüber freuen, dass sich die Zusammensetzung der PGRs sehr deutlich hin zu Frauengruppen entwickelt? Oder ist es nicht eher ein Alarmzeichen?

In vielen Gemeinden haben sich die Männer still und leise, aber wahrnehmbar, aus dem für sie offensichtlich nicht attraktiv genug erscheinenden Ehrenamt verabschiedet. So ergibt das entweder völlige Fehlen der Männer oder deren Unterrepräsentation in den neu gewählten Pfarrgemeinderäten Bayerns ein deutlich schiefes Bild. Es bestätigt neuerdings, wie Kirche – mit einem derzeit ohnehin sehr angeschlagenen Ruf – in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Männer nehmen diejenigen Positionen ein, in denen es um Leitung, Gestaltungsmacht, Einfluss und den Zugriff auf finanzielle Ressourcen geht. Sie sind kirchlich dort präsent, wo klar umrissene Aufgaben mit Kompetenz und Entscheidungsmöglichkeiten gefragt sind wie beispielsweise in den Kirchenverwaltungen, Stiftungsräten, Bauausschüssen. Das erklärt auch, weshalb in den Kommunen die Plätze der Gemeinderäte (nicht gegendert!) überwiegend von Männern besetzt sind.

Frauen hingegen – das weiß man aus verlässlicher Erfahrung – sorgen für gutes Klima vor Ort: für Begegnungsmöglichkeiten, Bildung, die Feste im Jahreskreis, Katechese, Diakonie, Kommunikation, Sorge um Alte und Kranke, Spielräume für Kinder. Das bildet sich auf den Diözesanebenen nochmals in der Weise ab, dass Frauen – jedenfalls überwiegend außerhalb von Bayern – zwar zunehmend Leitungspositionen innehaben, jedoch vor allem solche, bei denen tendenziell „soft skills“ stärker gefragt sind: Bildung, Pastoral und Caritas. Frauen tragen die Kirche, Männer leiten sie.

Eine Hypothese

Der Pfarrgemeinderat krankt im Gesamtsystem Kirche schon länger an mangelnder realer Wertschätzung und kann deshalb nur mit angezogenen Bremsen unterwegs sein. Vermutlich ist auch die Wahlperiode für die Bedürfnisse und Erfordernisse modernen Ehrenamtes mittlerweile zu lang. Auch hier hat sich in 50 Jahren viel gewandelt.

Es wäre also höchste Zeit für Profil, Funktion und Wirksamkeit der Pfarrgemeinderäte nach mehr als 50 Jahren ihres Bestehens, kräftige Reform- und Entwicklungsimpulse zu setzen. Dabei geht es nicht um das „Organ des Laienapostolats“. Der Entwicklungsbedarf betrifft die synodale Seite des Gremiums, seine Funktion als Pastoralrat. Das bedeutet: Raus aus der Sackgasse der Zuweisung zur reinen Beratung und Unterstützung des Pfarrers.

Der Pfarrgemeinderat muss klare Kompetenzen als Steuerungsgruppe für das gelebte Evangelium vor Ort erhalten. Dazu gehört auch, dass das Einspruchsrecht des Pfarrers inhaltlich beschrieben und damit zum Schutz vor Willkür eingegrenzt wird. Pfarrgemeinderäte sind als verantwortliche Leitungsorgane nah am Leben der Menschen. Gerade die immer größer werdenden pastoralen Räume benötigen sensible Aufmerksamkeit für das, was Menschen vor Ort suchen, um sich im Glauben und in der Gemeinschaft aus dem Glauben stärken und verwurzeln zu können. Gemischte Teams sind bunter und erfolgreicher. Auch deshalb braucht es die Perspektiven von Frauen und Männern in den Pfarrgemeinderäten. Letztere werden jedoch nicht über eine Quote, sondern nur über den Weg dringend notwendiger Reformen rückzugewinnen sein. Wer wagt es und beginnt damit?

Titelbild: Vectormine / Adobe stock


Verfasst von:

Anna Hennersperger

Pastoraltheologin, Supervisorin/Coach, Gemeinde- und Organisationsberaterin, Moderatorin in Passau