Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Mai-Juni 2022

Schwerpunkt

Unterwegs und online

Was Gemeinden aus der Pandemie mitnehmen

Die Corona-Pandemie hat die Pfarrgemeinden in den vergangenen zwei Jahren vor große Herausforderungen gestellt – und viele sind daran gewachsen. Neue Formate und neue Orte prägen aktuell das Leben in den Gemeinden. Vieles wird bleiben, keine Frage. In der Pandemie wurde aber noch etwas deutlich: Videokonferenzen und Online-Tools sind technische Hilfsmittel. Mehr noch hat den Engagierten auf den unterschiedlichen Ebenen die gute Vernetzung und die Stärke des Laienapostolats in Bayern geholfen.

Eins haben in mehr als zwei Jahren Pandemie die meisten Menschen gelernt: Videokonferenzen. „Das wäre vor drei Jahren noch undenkbar gewesen“, erzählt Manfred Fürnrohr, der Geschäftsführer der Diözesanen Räte im Bistum Regensburg. Er geht davon aus, dass es auch weiterhin digitale Besprechungen geben werde, auch wenn die letzte Corona-Welle abgeebbt ist, nur eben nicht ausschließlich. „Es hilft schon, gerade für Familien mit kleinen Kindern, wenn man  auch einmal von zu Hause aus an einer Sitzung teilnehmen kann“, sagt er. Bei der Kandidatensuche für die Pfarrgemeinderatswahl hätte die Möglichkeit eines möglichst digitalen Engagements auch nirgends eine Rolle gespielt – hier ist der persönliche Kontakt nach wie vor wichtig. Relevant für die Entscheidung zur Kandidatur seien ohnehin andere Rahmenbedingungen des Amtes: „Es ist wie überall: Für längere Bindung und dauerhaftes Engagement findet man schwieriger Kandidaten als für spontane Aktionen“ – also nichts, was sich durch Corona  geändert hätte.

Entgegen vieler Befürchtungen sei die Zahl der Kandidaten aber nicht eingebrochen.  Das berichtet auch sein Eichstätter Kollege Richard Ulrich. Im Vorfeld hätte man zwar mit einem deutlichen Rückgang gerechnet. Die Vorbereitungen hätten aber auch in Eichstätt gezeigt, dass die Sondersituation der Pandemie keinen großen Einfluss auf die Kandidatensuche gehabt habe. „Andere Faktoren wie geringere Kirchenbindung und Krisen spielen eine größere Rolle“, sagt er.

Nicht nur digital gepunktet

In der alltäglichen Arbeit der Räte hat Ulrich eine große Erweiterung der Palette an digitalen Hilfsmitteln und neue Formen der Zusammenarbeit festgestellt: „Videokonferenzen, Messengergruppen: Alles wird genutzt, was man auch anderswo entwickelt hat. Das wird auch bleiben und nicht gänzlich verlorengehen“, sagt der Diözesanratsgeschäftsführer. Viele Pfarreien hätten auch ihr Engagement in den sozialen Netzwerken deutlich ausgebaut und professionalisiert. Ulrich berichtet aus seiner eigenen Pfarrei, deren Instagram-Account in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen und ein wichtiges Kommunikationsinstrument in der Gemeinde geworden ist, mit dem auch viele erreicht werden, die den Pfarrbrief nicht lesen und an Schaukästen vorbeigehen. Im Medienbereich kam es auch zu überraschenden Aufbrüchen: Im Erzbistum Bamberg gründete sich im Seelsorgebereich Steigerwald gleich ein neuer Jugendverband: Die „Katholische Studio- und Medienjugend“ bringt mit engagierten Jugendlichen die Gottesdienste der Gemeinde,  Impulse und katechetische Inhalte online.

Das Wichtigste sind technische Hilfsmittel aber in der Corona-Zeit nicht gewesen, findet Fürnrohr. Hier hätten die Strukturen eine Stärke ausgespielt. Er ist überzeugt: „Es ist gut, dass man weiß, welche Leute man ansprechen kann. Das ist eine Stärke des organisierten Laien-Apostolats.“ Auch die Vernetzung auf Diözesanebene war wichtig in der Zeit der Ungewissheit. So viele gute Rückmeldungen auf die Informationen aus der „Zentrale“ in Regensburg habe er lange nicht erhalten. „Die Leute waren dankbar, etwas von uns zu bekommen – im ersten Corona-Jahr habe ich sicher mehr Rückmeldungen bekommen als in den zehn Jahren zuvor“, berichtet er.

Orte und Formate, die bleiben

Das ist aber nur der Rahmen. Worauf es ankommt, ist die Arbeit selbst: Wie konnte die Pastoral aufrecht erhalten werden? Wie erreicht man Menschen mit der frohen Botschaft? Sowohl in Regensburg wie in Eichstätt sehen Ulrich und Fürnrohr vor allem die entstandene Kreativität in den Pfarreien als ein positives Ergebnis der Krise an. Im Umgang mit den vielfältigen Beschränkungen seien viele neue Ideen entstanden: „Eine Pfarrei hat einen ‚Adventskalender to go‘ entwickelt: Am Pfarrhof wurden kleine Tüten mit geistlichen Impulsen und Süßigkeiten aufgehängt, die man beim Spaziergang mitnehmen konnte“, erzählt Fürnrohr von einem seiner Lieblingsprojekte. In anderen Pfarreien kam der Nikolaus in der Kutsche, Adventsfenster und Gebetswege wurden gestaltet. Auch Verbände, die Katholische Erwachsenenbildung und geistliche Gemeinschaften hatten ihr Programm schnell coronakonform umgestellt. Fürnrohr nennt ein weiteres Beispiel: „Die geistliche Gemeinschaft ‚Familien mit Christus‘ hat einen Skulpturenweg entwickelt, bei einem Spaziergang konnte man Impulse zum eigenen Eheleben erhalten – mit der Smartphone-App ‚Actionbound‘.“ Die mobile Spiel- und Lernsoftware ist ein beliebtes Instrument, um digitale Schatzsuchen und interaktive Informationsangebote zu gestalten. Im August 2021 wurde der Heiligenbrunner „Ehe-Weg“ mit den Skulpturen der Künstler Matthias Wurm und Ivan Mellauner eröffnet.

Ulrich hofft, dass die neu entdeckten alternativen Gottesdienstorte auch nach der Pandemie bleiben werden: „In den letzten Jahren ist eine viel größere Bandbreite entstanden, auch außerhalb von Kirchen“, zählt er auf: „im Freien, am See, an Wegkreuzen, im Garten, bei Privatpersonen vor Fenstern …“ Auch Stationsgottesdienste hätten eine neue Bedeutung gewonnen. Natürlich soll es künftig auch wieder vermehrt die ganz klassischen Veranstaltungsformate geben: Treffen im Pfarrheim, Maiandachten und Rosenkranzgebete in der Kirche. „Aber die neuen Veranstaltungsformen, bei denen man rausgeht, an andere Orte, die werden auch bleiben“, hofft Ulrich. Das erschließe neue Zielgruppen: „Für Familien mit Kindern kann man so zum Beispiel sehr attraktive Veranstaltungen anbieten. Die Chance sollte man weiterhin auch nutzen: Menschen vielfältig, verschieden und anders ansprechen.“

Für Liturgie und Gemeinschaftsveranstaltungen konnten in der Corona-Zeit viele neue Formate gefunden werden. Weniger ausgeprägt scheinen neue Ideen für das caritative Handeln gewesen zu sein. „In der Anfangsphase war es vor allem sehr schwierig, dass keine Besuchsdienste möglich waren“, berichtet Ulrich. Kontaktbeschränkungen hätten das caritative Engagement in den Pfarreien sehr erschwert. Gerade in der Zeit des ersten Lockdowns gab es aber auch viele Initiativen in Gemeinden und Jugendverbänden, Risikogruppen wie ältere Menschen mit Einkaufshilfe zu unterstützen – das spielt aber in der aktuellen Phase der Pandemie keine Rolle mehr.

Unterwegs und digital – das sind die beiden großen Felder, auf denen die Kirche viel dazugelernt hat in den Corona-Jahren. „Die Corona-Krise ist eine Chance für die Kirche, sich neu auszurichten. Sie hat uns zumindest teilweise die Zeit geschenkt, Neues auszuprobieren und zu wagen, die wir sonst nicht haben“, heißt es beispielhaft in einer Antwort, die im Rahmen der Studie „Churches online in times of Corona“ gegeben wurde. Das ökumenische Forschungsprojekt verschiedener deutscher und internationaler Wissenschaftler bestätigt vieles, was Fürnrohr und Ulrich aus Regensburg und Eichstätt berichten können: Die Krise hat viel Kreativität zum Aufblühen gebracht. Vieles ist auch online möglich, viel technisches Know-how wurde gewonnen – aber alle sind auch glücklich, wenn endlich wieder ein ganz normales Pfarrfest stattfinden kann.

Titelfoto: PETERSCHREIBER.MEDIA/ Adobe stock


Verfasst von:

Felix Neumann

Katholischer Publizist