Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Juli-August 2022

Meditation

Mosaiksteine

Erinnern wir uns (noch?) an die Bilder, die zu Beginn der Pandemie um die Welt gingen? Auf Balkonen standen die Menschen und applaudierten dem medizinischen Personal, Kerzen wurden in die Fenster gestellt, die einander ein Licht der Hoffnung schenken und Verbindung schaffen sollten. Hören wir (noch?) die Klänge der Kirchenglocken (leider schafften sie es nie, alle zu einem Zeitpunkt zu läuten) und das Singen auf Balkonen – jede und jeder für sich allein, aber zeitgleich an vielen Orten gemeinsam? Denken wir (noch?) an das eindrucksvolle Zeichen mit einer weltweiten Resonanz über die Kirchen- und Religionsgrenzen hinaus, die »Statio orbis« am 27. März 2020: »Von diesen Kolonnaden aus, die Rom und die Welt umarmen, komme der Segen Gottes wie eine tröstende Umarmung auf euch herab. Herr, segne die Welt, schenke Gesundheit den Körpern und den Herzen Trost. Du möchtest, dass wir keine Angst haben; doch unser Glaube ist schwach und wir fürchten uns. Du aber, Herr, überlass uns nicht den Stürmen. Sag zu uns noch einmal: »Fürchtet euch nicht« (Mt 28,5). Und wir werfen zusammen mit Petrus »alle unsere Sorge auf dich, denn du kümmerst dich um uns« (vgl. 1 Petr 5,7).«  – so sprach Papst Franziskus auf dem menschenleeren Petersplatz hinein in Millionen Herzen von Menschen, die – wie wir wohl alle – verängstigt, besorgt und verzweifelt waren.

Vor, während, danach – Corona hat unser Zeitgefühl verändert, vor allem in den lähmenden Wochen der Lockdowns. Leben mit seinen Höhen und Tiefen, mit Erlebnissen, an die man sich gerne erinnert, mit Fest und Feier, Schmerz und Trauer verschwamm zu einem täglichen Einerlei, der regelmäßige Ausschlag auf einem Herzmonitor geriet nahezu zu einer Flatline – ein Zeichen für den Tod. Alles schien auf Pause gestellt zu sein.

»Wenn Sie in die Zukunft blicken, können Sie nicht erkennen, wo Zusammenhänge bestehen. Das wird erst in der Rückschau möglich. Das heißt, Sie müssen darauf vertrauen, dass sich die einzelnen Mosaiksteinchen in Ihrer Zukunft zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Sie müssen auf etwas vertrauen – Ihr Bauchgefühl, das Schicksal, das Leben, Karma, egal was. Denn der Glaube daran, dass sich irgendwann die einzelnen Mosaiksteinchen zusammenfügen werden, gibt Ihnen die Zuversicht, dem Ruf ihres Herzens zu folgen. Auch wenn der Sie abseits der ausgetretenen Wege führt – aber das macht den Unterschied.« 

Mit diesen Worten wandte sich Steve Jobs wenige Monate vor seinem Tod an junge College-Absolventen. Er erzählte ihnen, dass er sein Studium abgebrochen hatte und danach einen – in seinen Augen und zur damaligen Zeit – völlig sinnlosen Kalligrafie-Kurs besuchte. Erst Jahrzehnte später sollte sich dieser Kurs auf das Design der Schriftarten eines Apple-Computers auswirken – Mosaiksteine wurden zusammen gesetzt.

Dem Ruf des Herzens folgen und darauf vertrauen, dass sich alles fügt: Worauf vertrauen wir? Haben wir Angst vor dem, was kommt oder gehen wir mit Grundvertrauen und Hoffnung in der Gegenwart und der Zukunft entgegen?

Christinnen und Christen vertrauen auf Gott, der in der Bibel zum einen Immanuel genannt wird – »Gott ist mit uns« – und der zum anderen von sich selber sagt, dass er JHWH ist – »Ich werde da sein, als der ich da sein werde« (Martin Buber/Franz Rosenzweig). Darin steckt kein billiger Trost, ein solches Gottvertrauen hat auch nichts mit Weltferne zu tun. Es ist unser Leben, das wir leben dürfen und müssen, niemals aber, zu keiner Nanosekunde, alleine. Er ist mit uns und er ist da – vor, während, mit und hoffentlich auch einmal nach Corona.

Titelbild: Azat1976 / Adobe Stock


Verfasst von:

Hagen Horoba

Leiter des Informations- und Besucherzentrums DOMPLATZ 5 in Regenburg