Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Juli-August 2022

Kolumne

Zwischen Himmel und Erde

Zu Beginn des Jahres ließ eine Pressemitteilung der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) aufhorchen. Die 1954 gegründete Forschungseinrichtung in der Nähe von Genf betreibt physikalische Grundlagenforschung. So wird mit Hilfe großer Teilchenbeschleuniger dem Aufbau der Materie auf den Grund gegangen.

Den Forschern ist eine Rekordmessung gelungen, die erklären sollte, warum sich Materie und Antimaterie beim so genannten Urknall nicht gegenseitig ausgelöscht haben. Allerdings habe man keinen Unterschied zwischen Protonen und Antiprotonen feststellen können, der die Existenz von Materie im Universum erklären würde. Die Messungen seien bis auf elf Stellen nach dem Komma erfolgt, hätten aber dennoch nicht die erwarteten Unterschiede gezeigt, so der leitende Forscher Stefan Ulmer in der Fachzeitschrift „Nature“.

Ohne an dieser Stelle auf weitere naturwissenschaftliche Details eingehen zu können, kann man aus den Forschungsergebnissen offensichtlich keine Erklärung dafür ableiten, warum das Universum, warum die Welt entstanden ist. Vor dem Hintergrund des physikalischen Grundsatzes, dass sich Materie und Antimaterie beim Aufeinanderprallen gegenseitig auslöschen, wie ihn die Urknalltheorie verwendet, würde am Ende der physikalischen Prozesse nichts übrig bleiben.

Der Forschungsleiter wird mit den Worten zitiert: „Im Kern geht es um den Ursprung unserer Existenz. Wenn wir die Urknalltheorie und das Standardmodell der Teilchenphysik vereinigen, gibt es eigentlich keinen Grund, warum das Universum entstehen sollte.“ Das sei jedoch offensichtlich so nicht passiert – das Universum und die Welt existierten ja, so der Forschungsleiter.

Dem kann man schlecht widersprechen – und das Mitleid mit den Forschenden, die keinen Beleg für ihre Theorie finden konnten, hält sich in überschaubaren Grenzen. Vielleicht gibt es doch noch einige Geheimnisse zwischen Himmel und Erde – Verzeihung: zwischen Planeten, Sternen und Galaxien, um halbwegs wissenschaftlich korrekt zu bleiben –, die sich doch nicht so recht ergründen lassen.

Anscheinend müssen die Naturwissenschaften zugestehen, dass die Welt, so wie wir sie kennen, rein rational nicht zu erklären ist, sondern auf Grundlagen beruht, die sich wissenschaftlicher Forschung entziehen. Aber auch die Theologie hat nicht auf alle existentiellen Fragen fertige Antworten parat: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist meine Bestimmung?

Vielleicht können eher die Fragen Gottes an uns Menschen Hoffnung und Zuversicht vermitteln: Adam, wo bist Du? Kain, wo ist Dein Bruder Abel? Wer es schafft, sich auf diesen Dialog mit Gott einzulassen, hat nicht nur aus theologischer Sicht einen Quantensprung hingelegt, sondern vor allem für sich selbst eine Ebene erreicht, die uns Menschen nicht allein im Weltall zurücklässt.

Titelbild: VectorMine / Adobe Stock


Verfasst von:

Karl Eder

Dr. Karl Eder ist Geschäftsführer des Landeskomitees der Katholiken in Bayern sowie Vorsitzender der Aktion für das Leben e. V. Er ist promovierter Liturgiewissenschaftler.