Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: September-Oktober 2022

Schwerpunkt

"Auf jeden Fall anders"

Das Logo der Seelsorgeteams.

Vor 20 Jahren wurde in der Diözese Linz die Idee „Seelsorgeteam“ geboren

Früher lagen Gemeindemitglieder mit dem Pfarrer manchmal regelrecht im Clinch. Sie hatten zum Beispiel neue Ideen, wie man den Gottesdienst gestalten könnte. Doch dem Pfarrer gefiel das nicht. Er sagte: „Nein!“ Im Rückblick können Pfarreien von diesen Zeiten nur träumen. Denn inzwischen gibt es oft gar keinen Priester mehr vor Ort. Wer soll nun die Gemeinde leiten? In der österreichischen Diözese Linz geschieht dies inzwischen durch 71 „Seelsorgeteams“. Hier kooperieren 440 Haupt- und Ehrenamtliche.

Jene Zeiten, in denen fast jedes größere Dorf einen eigenen Pfarrer hatte, sind auch in Österreich seit langem vorbei. Die Zahl der Priester sinkt dramatisch. 2015 gab es der katholischen Kirche von Österreich zufolge noch 3.944 Priester in der Alpenrepublik. Aktuell sind es etwa 400 weniger. In der Diözese Linz versucht man nun, Ehrenamtliche stärker in Leitungsfunktionen einzubinden. Von den 440 Katholikinnen und Katholiken, die sich in den derzeit 71 Seelsorgeteams engagieren, sind 360 ehrenamtlich tätig. „Zwei Drittel davon sind Frauen“, berichtet Reinhard Wimmer, Referent für Seelsorgeteams, Dekanate und pfarrliche Kooperationen im Pastoralamt der Linzer Diözese.

Einigen Katholikinnen und Katholiken im Bistum erscheinen die neuen Teams nicht ganz unbedenklich. „Von konservativ-traditionalistischer Seite gibt es oft Widerstände“, bestätigt Reinhard Wimmer. Diese Katholiken würden lieber einen ausländischen Priester in ihrer Gemeinde haben. Und zwar ungeachtet dessen, dass es bei der Integration nicht selten Probleme gibt. „Manche wollen auch einen alten, oft kränklichen Priester nicht in Pension gehen lassen“, so der Referent. Dies hänge stark mit dem eigenen Bild von Kirche zusammen: „Und mit der seit mehr als 1.500 Jahren vermittelten Leitungskultur.“ Es sei aus diesem Grund wichtig, an den bestehenden Leitungs- und Seelsorgebildern zu arbeiten.

Das Seelsorgeteam aus der Pfarre Offenhausen trifft sich zur Teamsitzung. Foto: Reinhard Wimmer

Reinhard Wimmer braucht für seine Arbeit mitunter eine gewisse Frustrationstoleranz. Ganz einfach war der Weg hin zu Seelsorgeteams schon bisher nicht. Künftig werden die Herausforderungen eher noch wachsen. Denn das, was bis jetzt freiwillig geschah, wird nun von der Diözese vorgegeben. Reinhard Wimmer ist gespannt, wie dieser Prozess vonstatten gehen wird. Ziel ist es, in den kommenden fünf Jahren in allen 487 Pfarrgemeinden der Diözese Seelsorgeteams zu installieren. Heuer im Herbst werden weitere 46 Teams ausgebildet. Dann wären es bereits 117. Die nächsten 80 Pfarrgemeinden kommen 2023 an die Reihe.

Bisher freiwillig

Bisher gelang es eben wegen der Freiwilligkeit, 360 Ehrenamtliche für ein Engagement in den neuen Seelsorgeteams zu gewinnen. „Die Freiheit der Wahl war bislang ein Faktor, der für eine hohe Motivation gesorgt hat“, betont Wimmer. Implementiert wurde das neue Leitungsmodell bereits vor 20 Jahren: „Seitdem hatten wir immer zwischen zwei und sieben Teams in der Ausbildung.“ Nur zweimal fand keine Ausbildung statt. Groß war das Interesse vor allem in jenen Pfarreien, in denen es fast keine hauptamtliche Leitung mehr gegeben hat. Manche Pfarreien wollten aber auch vorsorglich und vorausschauend ein Seelsorgeteam aufstellen.

Vielleicht wäre es übertrieben, von einem Höhenflug zu sprechen, doch insgesamt ist das Interesse am neuen Leitungsmodell laut Reinhard Wimmer groß. Standardmäßig sieht das Konzept ein mindestens sechsköpfiges Team vor. Die Größe kann jedoch variieren: „Wir haben im Moment Teams zwischen vier und elf Personen.“ Vorgesehen ist, dass sich der zuständige Priester die Leitung mit vier Beauftragten teilt. Die sind für die „Grundfunktionen“ zuständig: Für Liturgie, Verkündigung, Caritas und Gemeinschaftsdienst. Grundfunktionen können aber auch doppelt besetzt sein: „Zum Beispiel, wenn sich jemand diese Funktion nicht alleine zutraut.“

Das Pastoralamt der Diözese Linz, Reinhard Wimmers Arbeitsplatz, ist die Instanz, die sich um die Seelsorgeteams kümmert. Von hier wird auch die Ausbildung organisiert. Die gliedert sich in drei Module zur Teamentwicklung und zwei Fachschulungen. „Letztlich geht es nicht darum, durch die Teams einen Pfarrer eins zu eins zu ersetzen“, betont Wimmer. Jede Pfarrgemeinde müsse eine eigene Form der Leitung finden: „Das darf und das muss anders ausschauen als bisher.“ Dieses Neue entstehe natürlich nicht im Handumdrehen vor Ort. Viel Zeit sei dafür nötig: „Das alles geht ja auch nur bedingt in der Theorie, das Team muss den eigenen Leitungsstil dann im Tun entwickeln.“

Zeichen der Zeit

Einige Christen juckt es förmlich, mehr Verantwortung als bisher in ihrer Pfarrgemeinde zu übernehmen. Nach Ansicht von Reinhard Wimmer haben sie die „Zeichen der Zeit erkannt“. Die Mitglieder der neuen Seelsorgeteams seien der katholischen Kirche als Institution im Übrigen teilweise durchaus „kritisch verbunden“. Da gebe es etwa den Vorwurf, durch fehlende Reformen eine grundsätzliche Stärkung des Hauptamts sowohl mit Blick auf Kleriker als auch mit Blick auf Laientheologen selbstverschuldet behindert zu haben. „Die Basis wäre diesbezüglich schon weiter als die Kirchenleitung“, stellt der Referent fest.

Die Mitglieder des Seelsorgeteams Kremsmünster schlossen im vergangenen Jahr ihre Ausbildung ab. Foto: Reinhard Wimmer

Bevor es zum Einsatz der Seelsorgeteams kommt, wird das Modell in der betreffenden Pfarrgemeinde ausführlich vorgestellt. „In der Regel braucht es zwei bis drei Informationstermine mit unterschiedlichen Personengruppen“, so Wimmer. Also etwa mit der Pfarrleitung. Mit dem Pfarrgemeinderat. Und mit Interessierten am Modell. Wimmer: „Daneben sind in der jeweiligen Pfarre viele Gespräche nötig, vor allem, um geeignete Personen davon zu überzeugen, bestimmte Funktionen im Seelsorgeteam zu übernehmen“. Für viele, die bisher „bloß“ mitgearbeitet haben, bedeute die Vorstellung, künftig Verantwortung zu tragen, eine hohe Hürde.

Seitens des Pfarrers darf das Ja zum Seelsorgeteam natürlich kein Lippenbekenntnis sein. „Zeigt der Priester wenig Interesse am Leitungsmodell und ist er darum nur halbherzig dabei, stellt auch dies eine Hürde dar“, so Wimmer. Nicht immer einfach sei es schließlich, geeignete Kandidaten zu finden: „Zumal Personen mit unterschiedlichen Charismen gefragt sind, um den vier Grundfunktionen gerecht zu werden.“ Die Mitglieder der Teams könnten im Übrigen aus der gesamten Gemeinde kommen: „Sie müssen nicht im Pfarrgemeinderat sein.“

Spürbare Entlastung

Aktuell stöhnen Ehrenamtliche in den Pfarreien oft: „Ich kann nicht mehr!“ Sie sind sehr stark engagiert, haben sich viele Aufgaben aufgeladen und fühlen sich irgendwann am Ende ihrer Kräfte. „Für sie kann eine Mitarbeit im Team eine Entlastung sein, weil sie nicht mehr alles allein tun müssen und nicht mehr für alles alleine verantwortlich sind“, sagt Wimmer. Hilfreich sei auch die klare Zuständigkeit für einen bestimmten Teilbereich der Pastoral. In diesem Bereich selbstständig agieren zu können, motiviere stark.

Steht das Team, wird die Gemeinde bei nächster Gelegenheit informiert, wer ab sofort für die Liturgie, wer für Verkündigung, für die Caritas und den Gemeinschaftsdienst zuständig ist. Ein einziger Infoabend, an dem die betreffenden Personen vorgestellt werden, reicht laut Reinhard Wimmer nicht aus. Bis die Gemeinde nach Installierung eines Teams weiß, wer für welchen Bereich die Verantwortung trägt, dauere es erfahrungsgemäß etwa eineinhalb Jahre.


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin