Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: September-Oktober 2022

Schwerpunkt

"Ehrbare Kaufleute" für morgen

Foto: Dyageleva / Adobe stock

Dem demografischen Wandel sei Dank: Immer öfter werden die Arbeitgeber es sein, die sich bei ihren potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern „bewerben“ müssen. Das ist für die sogenannten Generations Y und Z ein immenser Vorteil, wenn sich in den kommenden Jahren vor allem die geburtenstarken Jahrgänge vom Arbeitsleben verabschieden. Die junge Generation wird immer stärker von den Arbeitgebern gebraucht; in Unternehmen, in Behörden, aber auch im kirchlichen Dienst.

 Zugleich seien junge Menschen gängigen Trendstudien zufolge von anderen Werten geprägt als etwa ihre Elterngeneration. Die Generation-Y-Studie des Zukunftsinstituts beispielsweise fasst die neue Haltung dieser Altersgruppe treffend zusammen: „Für die Generation Y funktioniert folglich der ‚alte Deal‘, der simple Tausch von Arbeitszeit gegen Lohn, nicht mehr bedingungslos. Auch die Zeit, die mit der Arbeit verbracht wird, will als sinnvoll, erfüllend und anregend empfunden werden. Der Beruf soll nicht in Konkurrenz zum Privatleben treten, sondern nach Möglichkeit mit ihm harmonieren.“

Wie weit man diese Einstellungen einer Generation pauschal zuschreiben und sie dann mit einem Buchstaben-Label versehen kann, ist natürlich umstritten und bereits vielfach diskutiert worden. Oft bleibt beispielsweise unbeachtet, dass Wertvorstellungen zum Thema Arbeit meist eher milieubedingt denn altersabhängig sind. Wer jung ist und mit einem Hauptschulabschluss auf Ausbildungs- und Arbeitssuche geht, dem sind andere Werte wichtig als etwa dem Gleichaltrigen mit Abitur und Studium. Es kommt wohl auch nicht von ungefähr, dass Arbeitsplatzsicherheit auch bei den als wechselfreudig geltenden Ypsilonern, die vermehrt Erfahrungen mit prekärer und befristeter Beschäftigung oder Leiharbeit machen mussten, weiterhin ganz oben steht. Es hält sich dagegen jedoch in so manchen Personalabteilungen anscheinend die Vorstellung, als wollen junge Menschen heute zumeist so arbeiten, wie es die urbane Start-up-Kultur vormacht. Diese schöne, inzwischen schon nicht mehr ganz so neue Arbeitswelt erscheint chancenträchtig für Young Professionals, die Ideale haben und in flachen Führungshierarchien etwas erreichen wollen. Hinter ihr verbirgt sich aber oft auch die Schattenseite eines hip getarnten Prekariats. Eine besonders dunkle Kehrseite der Start-up-Szene sind etwa die extremen Leistungserwartungen an junge, selbstausbeuterische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei minimalem Gehalt. Das Ganze wird getarnt durch eine freizeitig-kumpelhafte Lässigkeitskultur auf Basis eines überbetonten Wir-Gefühls am klischeehaften Kickertisch.

Hinterfragte Autoritäten

Die Studien und Umfragen der vergangenen Jahre bezeugen allerdings aller Widersprüche und Verallgemeinerungen zum Trotz die Grundtendenz einer Verschiebung von klassisch-materiellen hin zu mehr ideellen Vorstellungen und Werten der Jungen im Hinblick auf die Arbeitswelt. Und wenn von Werten die Rede ist, geht es immer auch um Ethik: So gibt es unter dem Label „Business Ethics“ inzwischen zahlreiche quasireligiöse Managementratgeber, die den sinn- und selbstverwirklichungsorientierten jungen Führungskräften eine Verberuflichung der Sinnstiftung als eine Art neuen Geist des Kapitalismus propagieren. Oft wird dieser Ansatz zudem durch Achtsamkeits- und Meditationsaufrufe minimalspirituell flankiert. Aber warum? Sollte es nicht lieber doch der Heilige Geist und ein umfassenderer Sinnhorizont sein, der verdeutlicht, dass es mit den Dingen dieser Welt, mit denen wir uns so abmühen, im Ersten und im Letzten nicht abgetan ist? Gemäß der christlichen Hoffnungsperspektive findet der Mensch schließlich allein im dreifaltigen Gott sein vollstes Glück.

 „Why?” ist überdies immer häufiger die Entgegnung der Ypsiloner (daher der Name: „Y“ wird genauso gesprochen wie „why“) auf Anweisungen von Führungskräften, deren Autorität von den Jüngeren nicht unhinterfragt bleibt, die vielmehr um den Sinn und Zweck von Anordnungen wissen wollen. Dass außerdem materielle und repräsentative Benefits wie Firmenwagen, Diensthandy und Boni nicht mehr so gut ziehen wie früher, ist eine Prioritätenverschiebung, auf die sich Arbeitgeber einstellen müssen, wollen sie die Qualifizierten und Motivierten für sich gewinnen. Doch auch wenn die Jungen selbst in die Rolle der Führungskraft schlüpfen und Unternehmenshierarchien hochklettern, prägt sie dabei heute oft ihre neue sinnstiftende Wertehierarchie – und die will reflektiert sein.

Das "gute" Leben

Die (Ökologisch-)Soziale Marktwirtschaft als wertverpflichtetes Wirtschaftsmodell schließlich verlangt nicht allein von christlichen Führungskräften reflektierte persönliche Grundhaltungen bei ihrer Teilnahme an Markt und Wettbewerb. Ein entsprechendes Mindset brauchen Führungskräfte heute und in Zukunft, um bei allem richtigen und notwendigen beruflichen Erfolgsstreben das rechte Maß walten zu lassen, um auch mal Abstand zu gewinnen und möglichst ganzheitlich und nachhaltig nach dem wirtschaftlichen Erfolg wie nach einer gesunden Work-Life-Balance, mehr noch nach dem guten Leben für sich und für Mitarbeiter und die eigene Familie zu streben. Entscheiderinnen und Entscheider aus der Praxis tragen überdies eine Mitverantwortung für eine gerechte und gute Gestaltung der Wirtschaftsordnung.

Ein besonderes Beispiel für eine so verstandene Vermittlung christlich fundierter Business Ethics an die Generationen Y und Z ist das Erasmus-Projekt „Youth for Entrepreneurship and Business Ethics“ (YEBE). Dieses von der EU geförderte und vom Bund Katholischer Unternehmer (BKU) durchgeführte Projekt hat ein Trainingsprogramm zur Förderung ethischer Führungskompetenzen in engem Bezug zur ordnungsethischen Idee der Sozialen Marktwirtschaft entwickelt. Jungen Menschen der Generation Y eine tragfähige Balance zwischen ökonomischen Zielen und ethischen Werten für ihre (spätere) Führungsverantwortung in der Wirtschaft zu vermitteln – das war die Hauptintention des Erasmus-Projekts. Der spezifische Ansatz des Projekts war dabei die Verbindung von Persönlichkeitsbildung mit wirtschaftsethischer Orientierung unter dem Leitwort „Ethical Leadership“.

Jugendgerechte Leitbilder

Wo etwa das traditionelle wirtschaftsmoralische Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ bzw. der „ehrenbaren Kaufleute“ jungen Menschen als zu altmodisch erscheint, bietet der im Rahmen von YEBE entwickelte „Youth Code of Business Ethics“ ein jugendgerechtes, personalisierbares Leitbild verantwortlichen Handelns in der Berufswelt. Die jungen Teilnehmenden haben es damals selbst kreiert. Es ging bei YEBE ebenso darum, sich mit der zentralen Idee sowie den Werten der Sozialen Marktwirtschaft vertraut zu machen. Das ebenfalls in dem Projekt entwickelte „Handbook of Social Market Economy“ behandelt zentrale Themen auf der Basis katholischer Soziallehre, wie etwa die Rolle des Wettbewerbs und einer hohen Beschäftigtenrate genauso wie soziale Solidarität und ökologische Nachhaltigkeit, für die seit 2019 die Fridays for Future-Bewegung ohnehin eine große Sensibilität der jungen Menschen bezeugt.

Ein integeres berufliches Handeln in Führungsverantwortung kann man führungsethisch auch mit Aristoteles als „praktische Weisheit“ deuten: Eine solche hilft dabei, situationsadäquates mit vor- und leitbildgetragenem Handeln in moralischer Eigenverantwortung miteinander zu verschränken. Nicht zuletzt ist die Orientierung an einem klaren ethischen Kompass auch eine Frage der Reputation. Verantwortungsbewusste junge Menschen der „Gen Y“ und „Gen Z“ werden in den nächsten Jahren jedenfalls händeringend gebraucht.

Einen Report zum Erasmus-Projekt „Youth for Entrepreneurship and Business Ethics“ (YEBE) finden Sie hier (in englischer Sprache).


Verfasst von:

Lars Schäfer

Wissenschaftlicher Referent der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle und Generalsekretär von Ordo socialis