Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: September-Oktober 2022

Schwerpunkt

Frauen in Führung

Foto: Agathe Lukassek / Hildegardis-Verein

Netzwerktreffen, Mentoringprogramme, Vorbilder

Lediglich 8,3 Prozent aller Führungskräfte der 100 umsatzstärksten Familienunternehmen sind weiblich, zitiert Sabine Schößler eine neue Studie der Allbright-Stiftung. Etwas mehr Frauen finden sich unter den Mitgliedern des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU), dessen Geschäftsführerin sie ist. Hindernisse, warum Frauen es nicht in die Führungsetagen schaffen, gebe es viele: „Männer haben jahrhundertelang die Führungspositionen in unserer Gesellschaft besetzt und Frauen waren dort in keiner Weise präsent. Da gibt es langtradierte Strukturen und Netzwerke, in denen Frauen gar nicht in den Blick kommen.“

Damit sie das tun, müsse man den Blick weiten. Sabine Schößler ist überzeugt: „Die ständige Ausrede, dass es keine Frauen für diese Position gebe, kann heute nicht mehr gelten. Es braucht vielleicht etwas mehr Aufwand, eine entsprechende Frau zu finden – aber dann braucht es halt den Aufwand.“

Eine, die diesen Aufwand auf sich nimmt, ist Susanne Horn, die Geschäftsführerin der Brauerei Bischofshof in Regensburg. Sie versucht aufgrund eigener Erfahrungen das Thema in ihrem Unternehmen präsent zu halten. Weil in der Brauerei, als sie dort vor drei Jahren anfing, von 84 Mitarbeitenden nur fünf weiblich waren – und das im Assistenzbereich –, hat sie seither versucht, die offenen Stellen weiblich zu besetzten.

"Alles ist machbar, wenn man nur will."

Um Frauen für Führungspositionen zu motivieren, steht für Susanne Horn die Frage im Fokus, was die Parameter sind, unter denen die jeweilige Frau gut führen kann. Dabei geht es nach wie vor besonders um die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die für Susanne Horn nicht bei einem geeigneten Platz für die Kinderbetreuung enden. „Es gibt immer wieder Situationen, in denen die ganze Organisation, die du dir aufgebaut hast, zusammenfällt, und dann bleibt die Arbeit zu 90 Prozent an der Frau hängen. Das lässt sich nicht kleinreden.“ Deshalb hält sie es für zwingend erforderlich, wenn man einer Frau eine Führungsposition oder auch die Übernahme von Fachverantwortung anbietet, zu klären, wie man mit solchen Situationen umgeht. Hier kommen in ihrem Unternehmen dann flexible und kreative Lösungen zum Einsatz: Die Assistentin kann das Kind vom Kindergarten abholen, die Mutter (oder natürlich auch der Vater) kann das Kind für ein paar Stunden mit in die Brauerei bringen oder die Betroffene arbeitet an den Notfalltagen eben nur, wenn der Nachwuchs schläft. „Es ist alles machbar, wenn man nur will.“

Ein Jahr dauert "Kirche im Mentoring". Das Programm will mehr Frauen in kirchliche Führungspositionen bringen. Foto: Alexandra Schmitz / Hildegardis-Verein

Für die Umsetzung braucht es ihrer Meinung nach keinen Zwang oder Quoten, sondern einen umfassenden Kulturwandel, der bereits in der Schule beginnt: „Man muss schon mit den Kindern darüber sprechen, dass es eine Rollenverteilung im klassischen Sinn nicht gibt und dass Mädels und Jungs die gleichen Dinge anstreben dürfen, die gleichen Hobbys haben dürfen und sogar sollen und es weder schlimm ist, wenn ein Mann in Erziehungsurlaub geht, noch schlimm ist, wenn es eine Frau nicht tut.“

Auch Männer haben Kinder

Marion Hornung ist Referentin beim Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) Bayern und sieht sowohl Verbände als auch die Politik in der Verantwortung, Strukturen aufzulösen: „Ich bin es leid, aus der Wirtschaft zu hören, dass sie noch Zeit brauchen, um sich darauf einzustellen, dass Frauen in die Führungsetagen kommen, zum Beispiel wenn sie Mütter sind. Als hätten Männer keine Kinder.“ An dieser Stelle möchte der KDFB das Problem bewusst machen und zeigen, welche Stereotype es gibt und warum diese blockieren.

Frauenverbände können zwar Frauen in ihrer beruflichen Karriere unterstützen, sei es über Netzwerktreffen, Mentoringprogramme oder das Sichtbarmachen weiblicher Vorbilder, dennoch hat diese Unterstützung auch Grenzen, findet Sabine Schößler. „Frauen und Männer starten nicht von der gleichen Position. Daher können Frauen, wenn sie weiterkommen wollen, nicht einfach nur in Frauennetzwerken bleiben.“ Aus diesem Grund hat der BKU seine speziell auf Frauen ausgerichteten Formate auch nach einigen Jahren fallen gelassen.

Frau und Kirche

Für Marion Hornung dürfen diese Fragestellungen auch vor der katholischen Kirche nicht Halt machen, wo Frauen nach wie vor von einem Teil der Führungsaufgaben, den Weiheämtern, ausgeschlossen sind. „Mich hat nach meiner Zeit als Ministrantin die Frage beschäftigt: Hätte ich mich getraut, Theologie zu studieren und an manchen Stellen weniger gezweifelt, wenn die Kirche weniger diskriminierend gegenüber dem weiblichen Geschlecht wäre? Warum sollte man bei der Kirche ein anderes Maß als bei anderen Arbeitgebern anlegen?“ Sie betont, dass auch Frauen Teil der Gemeinschaft der Glaubenden sind und auch in den Weiheämtern repräsentiert werden sollten. „Frauen müssen die gleiche Wertschätzung und die gleichen Rechte in der Kirche erfahren, nur dann ist die Kirche zukunftsfest und glaubwürdig. Nächstenliebe funktioniert für mich nicht mit der Diskriminierung der Hälfte aller Gläubigen auf Grund ihres Geschlechts.“

Abschlussgeschenk für die Absolventinnen von "Kirche im Mentoring". Foto: Agathe Lukassek / Hildegardis-Verein

Zum Thema Diversität gehört für den KDFB auch die Altersstruktur, daher hat sich der Verband selbst verpflichtet, mindestens eine junge Frau unter 40 Jahren für die jüngste Vorstandswahl auf Bayernebene aufzustellen, um alle Generationen zu beteiligen.

Und eine größere Diversität hat Vorteile für alle, betont Sabine Schößler: „Frauen gehen offensichtlich lieber dorthin, wo schon Frauen sind. Das kann man sehen und das zeigt sich auch an den Zahlen, dass Arbeitgeber attraktiver sind, wenn Teams gemischt sind. Weil sie offener sind für unterschiedliche Persönlichkeiten.“ Arbeitsgeber müssen sich in Zukunft so sehr um Fachkräfte bemühen, dass es nur von Vorteil sein kann, wenn sie auch für Frauen attraktiv sind. Und auch betriebswirtschaftlich lohnen sich gemischte Teams: „Ihre Stakeholder und Finanzgeber wollen das sehen. Daher wird es immer mehr zum strategischen Nachteil, wenn sie keine Frauen im Team haben. Mal ganz abgesehen davon, dass diese Teams offensichtlich leistungsfähiger sind.“

„Kirche im Mentoring – Frauen steigen auf"

Ein Mentoring-Programm des Hildegardis-Vereins

Als Einrichtung der Frauenförderung unterstützt der Hildegardis-Verein seit mehr als 100 Jahren die akademische Aus- und Weiterbildung von Katholikinnen. Er hat das einjährige Programm „Kirche im Mentoring“ konzipiert, um damit zu einer Steigerung des Anteils von Frauen in kirchlichen Führungspositionen beizutragen. Das bundesweite Mentoring-Programm, das der Hildegardis-Verein in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), den (Erz-)Diözesen und katholischen Organisationen durchführt, zielt auf eine nachhaltige Personalentwicklung und Steigerung der Attraktivität des Arbeitsfeldes Kirche.

Der Hildegardis-Verein hat das Programm 2013 ins Leben gerufen, um die Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Bischofskonferenz, den Anteil von Frauen in Führungspositionen in der katholischen Kirche auf 30 Prozent zu erhöhen, in einer konkreten Maßnahme zu manifestieren. Für Projektleiterin Stephanie Feder ist diese Kooperation essenziell: „Wir brauchen Bischöfe, die verstehen, dass uns ohne Frauen in der katholischen Kirche ein ganz zentraler wichtiger Teil fehlt und dass es das in Zukunft auch gar nicht geben kann, denn der Fachkräftemangel, den wir auch jetzt schon haben, macht sich deutlich bemerkbar.“ Somit ist das Programm eine personalentwicklerische Maßnahme, die sich großem Zuspruch erfreut. Nach Beendigung des aktuellen sechsten Jahrgangs haben insgesamt 161 Frauen am Mentoring-Programm teilgenommen.

Stephanie Feder betont die Wichtigkeit von Förderprogrammen wie „Kirche im Mentoring“, um Frauen dazu zu motivieren, Führungskräfte in der katholischen Kirche zu werden. Ziel ist eine durch die 1:1 Zuordnung sehr individuelle Begleitung der Mentees mit genau ihren Fragen. Dabei zeigt sich für Stephanie Feder, dass es viel Ermutigung und kontinuierliche Unterstützung braucht, damit die Frauen mit ihren Fragen gehört werden und eine Orientierung bekommen, um herauszufinden: Ist Führung das Richtige für mich oder nicht?

Mehr zum Projekt „Kirche im Mentoring“ finden Sie hier

Informationen zur Arbeit des Hildegardis-Vereins, zu seinen weiteren Projekten und Programmen finden Sie hier.   


Titelfoto: Gruppenarbeit unter den Mentees während der Auftaktveranstaltung „Kirche im Mentoring“ in München.


Verfasst von:

Sarah Weiß

Freie Autorin