Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: September-Oktober 2022

Schwerpunkt

Führen und Leiten im Ehrenamt

Grafik: Mechthild Enzinger

Mehr als 950 Frauen und Männer haben in der Diözese Augsburg für die Wahlperiode 2022 bis 2026 den Vorsitz im Pfarrgemeinderat übernommen, dazu ungezählte Vorsitzende kirchlicher Verbände, die alleine, zu zweit oder im Team die Führung und Leitung eines Verbandes oder eines kirchlichen Gremiums übernommen haben. Wer sich dieser Aufgabe stellt, begibt sich in ein facettenreiches Feld zwischen christlicher Spiritualität, persönlichen Interessen, Erleben von Gemeinschaft und Orientierung am Gemeinwohl.

Ein Gremium mit seinen Mitgliedern, deren Charismen und Grenzen, mit Erwartungen, mit Wünschen und Hoffnungen an die Führungsperson und mit konkreten Aufgaben soll so gestaltet werden, dass Jesus Christus als Grund allen kirchlichen Tuns in der Mitte steht und in einer pluralen und säkularen Gesellschaft aufscheinen kann.

Spirituelle Basis

Weil Kirche durch Jesus Christus zur Gemeinschaft berufen ist, ist Führung immer Dienst an ihr und immer eingebunden in die Verantwortung aller im Volk Gottes für den Weg der Kirche. Im Epheserbrief heißt es: „Und er gab den einen das Apostelamt, andere setzte er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi“ (Eph 4,11-12). Im Miteinander von Zuständigkeiten und Verantwortungsbereichen sorgen Ehrenamtliche in Führungspositionen mit dafür, dass das Zueinander von Klerus und Laien im Dienst an den Menschen steht und die unterschiedlichen Berufungen und Aufgaben nicht als Über- und Unterordnungen, sondern als vielfältiger Ausdruck der Sendung der Kirche begriffen werden: gemeinsam nach dem Willen Gottes suchen und ihn im Alltag Gestalt werden lassen, alle an Entscheidungen, die alle betreffen, beteiligen, Vertrauen in das Wirken Gottes im Leben der Menschen setzen und sich mit den eigenen Charismen in den Dienst dieser Gemeinschaft einordnen.

Ehrenamtliche in Leitungspositionen erleben daher: Diese Aufgabe fordert und fördert die eigene Persönlichkeit

  • hinsichtlich der christlichen Spiritualität und des Kirchenbildes.
  • hinsichtlich der Führungs- und Leitungskompetenz.
  • hinsichtlich der Sensibilität für Menschen in ihren Lebenssituationen.
  • hinsichtlich der Perspektive auf die Ortskirche und den sozialen Nahraum.

Führungsaufgaben Ehrenamtlicher

  1. Die Mitentwicklung von Leitbildern und Visionen für die Gestaltung der Kirche vor Ort

Das Zweite Vatikanische Konzil betont in Gaudium et Spes: „Zur Erfüllung dieses Auftrags obliegt der Kirche allzeit die Pflicht nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten.“ (GS 4) Ehrenamtliche in Leitungspositionen halten die Augen offen für die Herausforderungen und Chancen im Sozialraum, damit Kirche zukunftsfähig bleibt (zum Beispiel ein neues Familienzentrum entsteht, es sich die Möglichkeit ergibt, in ein Umweltprojekt einzusteigen). Sie sorgen dafür, dass das Gremium an die Gemeinde anknüpft und mitgestaltet. Gemeinsam mit den Hauptberuflichen entwickeln sie Visionen für die Kirche am Ort / im Stadtteil und helfen mit, Menschen über das Sehen und Urteilen ins Handeln zu bringen. Führung eines Gremiums bedeutet, gemeinsam Ziele zu setzen, Aufgaben zu planen und durchzuführen und das Erreichte zu überprüfen.

  1. Die Gestaltung des Gremiums / der Organisation

Die biblische Rede von den Charismen bringt zum Ausdruck, was Menschen als das je eigene Geschenk Gottes für ein gelingendes Leben erkannt haben und deshalb zum Aufbau christlicher Gemeinde einbringen können. Hilfreich ist es, wenn sich Führungspersonen in die Lage der Gremienmitglieder versetzen und deren Motivation, Anliegen, Begabungen und Fähigkeiten, Werten und Lebenssituationen nachspüren. Dies fördert eine Kultur, die offen ist für neue Menschen und Ideen. Dabei kann die Leitung ihren „persönlichen Hintergrund“ einbringen und getrost Teilaufgaben verantwortlich delegieren.
Wer ein Gremium führt, ist eingebunden in die Strukturen der Organisation und findet in Satzungen einen verlässlichen Rahmen für die Möglichkeiten und Grenzen des Tuns. Damit Zusammenarbeit, sachgerechte Beratung und tragfähige Entscheidungen gelingen, ist ein verbindlich geregelter und gestalteter Kommunikations-, Wissens- und Informationsfluss sowohl innerhalb der Gremien der Seelsorgeeinheit als auch mit den Hauptberuflichen nötig. Konflikte gehören zum Leben und bergen neben Schwierigkeiten auch Chancen. Entscheidend ist, sie rechtzeitig zu erkennen und lösungsorientiert zu bearbeiten – ggf. durch die Vermittlung von diözesanen Dienststellen.

  1. Die Gestaltung der Aufgaben und Inhalte des Gremiums

Wer führt, trägt Verantwortung für die Gestaltung der Aufgaben und Inhalte des Gremiums. Dazu gehören die Sorge um eine effektive Vorbereitung und Durchführung der Sitzung, um Priorisierung der Inhalte, eine zielführende Moderation, geeignete Formen und Methoden, sowie den äußeren Rahmen. Entscheidend ist, dass sowohl die Gremienmitglieder als auch die Personen, die zusätzlich beteiligt werden, mit ihren Wünschen, Anliegen und Bedürfnissen im Blick bleiben. Kirchliche Gremien sind geistliche Gremien, ausgerichtet auf die Mitte, auf „Jesus Christus hin“, und geführt und geleitet durch seinen Geist. Dabei geht es um mehr als einen spirituellen Impuls zu Beginn. In der Art und Weise, wie die Mitglieder des Gremiums achtsam sind füreinander, die Kostbarkeit des Gesprächs sehen, kommunizieren und Entscheidungen treffen, wird deutlich, „welcher Geist das Sagen“ hat. Ankomm- und Abschlussrunden, Anhörkreise, die die Äußerungen anderer nicht kommentieren, ermöglichen es, Grundstimmungen im Hinblick auf eine Sache auszuloten. Zeit für Stille und Gebet helfen, mit dem Gegenstand der Beratungen persönlich umzugehen. Gemeinsames Hinhören, Unterscheiden in Debatten und Entscheidungen werden davon beeinflusst.

  1. Repräsentation des Gremiums / Verbandes / der Organisation nach „Außen“

Die Präsentation der Organisation in der Öffentlichkeit gehört zu den Leitungsaufgaben. Erleichtert wird sie, wenn das Profil der Organisation klar und die Strategie, die durch die Arbeit verfolgt wird, transparent ist (beispielsweise Logo, Leitbild, Präsenz in digitalen Medien, ansprechend gestaltete Printmedien und Schaukästen). Darüber hinaus sind Führungspersonen „das Gesicht“ bei öffentlichen Anlässen, in der Vernetzung mit anderen und bei der Suche nach Bündnispartnerinnen und Bündnispartnern in Kommunen und Vereinen.


Hilfreiche Tipps zum Führen und Leiten im Ehrenamt findet man auch hier.

Tipp für Organisationsträger: Klare Rahmenbedingungen schaffen

Angesichts des anspruchsvollen Spektrums der Aufgaben muss im Blick bleiben, dass der Dienst ehrenamtlich geleistet wird. Umso wichtiger ist es, dass Ehrenamtliche auf einen verbindlichen Standard der Begleitung zurückgreifen können. Dazu gehören eine umfassende Einführung in die Aufgabe („Übergabe“ durch Vorgänger, evtl. Qualifizierung durch diözesane Dienststelle), klar abgesteckte Rahmenbedingungen für die Tätigkeit (Zugang zum Pfarrbüro, hauptberufliche Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, Möglichkeit zum regelmäßigen Begleitgespräch, Zugang zum Pfarrheim usw.) sowie die innere und äußere Wertschätzung des Dienstes und Reflexion der Tätigkeit.


Verfasst von:

Mechthild Enzinger

Referentin für Pastorale Grunddienste und Sakramentenpastoral im Bistum Augsburg