Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: September-Oktober 2022

Schwerpunkt

Grenzen und Chancen für Führungskräfte im Ehrenamt

Foto: Malteser

Egal ob im Sportverein, bei der freiwilligen Feuerwehr, im Rettungsdienst oder in der Kirche: Damit das Engagement zahlreicher Freiwilliger langfristig tragfähig bleibt und Freude bereitet, braucht es auch im Ehrenamt gute Führungskräfte. Wie gute Führung gelingen kann, erklären Führungsexpertin Britta Redmann und Coach Kerstin Kuner.

Damit sich Freiwillige auch gerne langfristig in ihrem Ehrenamt engagieren, braucht es gute Führungskräfte. Diese tragen die Verantwortung im Team und vielleicht auch gegenüber hauptamtlichen Vorgesetzten. Dass das eine nicht zu unterschätzende Aufgabe ist, weiß Trainerin und Coach Kerstin Kuner, die ihr Wissen unter anderem im Seminar „Meine Rolle als Führungskraft“ beim Landesbildungswerk Bayern des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) weitergibt. „Führung ist keine ‚Nebentätigkeit‘ neben der ‚eigentlichen Arbeit‘. Führen heißt auch, sich selbst gut zu führen. Selbst-Führung ist Reflexion der eigenen persönlichen Werte, Muster und Ideale, die über die Kommunikation in den Führungsalltag fließen und das Zusammenspiel mit den anderen Kolleginnen und Kollegen gestalten. Das umfasst auch relativ triviale Themen wie Zeitmanagement und Arbeitsorganisation.“

Bei der Umsetzung spielt die persönliche Lebens- und Berufserfahrung der Führungskraft eine wichtige Rolle, findet Führungsexpertin Britta Redmann. Sie hat einen Praxisleitfaden zum Thema „Führen im Ehrenamt“ geschrieben und hält Seminare bei der Akademie für Ehrenamtlichkeit in Deutschland. Für essenziell hält sie den Spaß am Kontakt mit Menschen, die Fähigkeit, andere mitnehmen zu können und Orientierung zu geben. Dennoch ist sie nicht der Auffassung, dass ruhigere Typen nicht für eine Führungsaufgabe geeignet sind. Die wichtigste Frage sei immer: Wo passt wer am besten hin? Denn es gebe Initiativen und ehrenamtliche Tätigkeiten, da müsse man nicht die Lauteste oder der Kommunikativste sein. „Auch Führungskräfte haben Bedürfnisse und es macht überhaupt keinen Sinn, wenn ich mich im Ehrenamt ständig zusammenreißen muss und nicht so sein kann, wie ich bin. Dann werde ich bald keine Lust mehr auf mein Engagement haben.“

Mit Herzblut dabei

Hier brauche es ein hohes Maß an Selbstreflexion: Welche Aufgaben machen mir Spaß? Und umgekehrt: Wo brauchen die anderen das, was ich kann? Diese Überlegungen spiegeln sich dann auch im Führungsstil wider, der stark von der eigenen Motivation geprägt ist, sagt Britta Redmann. Denn wo ich nicht nur Aufgaben streng nach Liste abarbeite, sondern mit Herzblut bei der Sache bin, wird meine Arbeit eine ganz andere Qualität haben, so die Expertin. Eine wichtige Aufgabe in ihren Seminaren ist es deshalb, herauszufinden, was man selbst und sein Team von der Führungskraft erwartet, was die Kriterien dafür sind, dass Aufgabenstellungen und Koordination beim ganzen Team ankommen. Für diese Reflexion empfiehlt Kerstin Kuner sich auch bei den Vorgängerinnen und Vorgängern gute Dinge abzuschauen – immer im Hintergrund mit der Frage: Was kann ich von meiner Persönlichkeit her und zeitlich gut leisten?

Das sollte dann mit dem ganzen Team besprochen werden. „Es ergibt total Sinn, wenn man die Position anfängt, Sachen abzufragen: Was erwartet ihr von mir? Was sind meine eigenen Ideen? Dann kann man mit den Schnittmengen beginnen.“ Durch die Benennung von Neuerungen kann man schon im Vorhinein Ängste nehmen, denn Menschen hängen an Gewohntem.

 

Wenn mein Ehrenamt zu viel Zeit in Anspruch nimmt, kann nur ich etwas daran ändern. Wenn ich rumlaufe wie ein offener Korb, wird auch jeder seine Bitten, Aufgaben und Ansprüche da reinpacken.

Und es ist auch wichtig, selbstreflektiert und selbstbewusst genug zu sein, um mit Animositäten im Team umzugehen und auch Dinge abzulehnen, die nicht in den eigenen Zuständigkeitsbereich fallen. „Da muss man gut bei sich sein und sich überlegen, wo die eigene Grenze ist. Und das darf man auch kommunizieren“, betont Kerstin Kuner.

Beziehung gestalten

Abhängig von der Führung ergibt sich in einigen ehrenamtlichen Organisationen wahnsinniges Engagement und in anderen nicht, beobachtet Britta Redmann. Sie hat das Buch Erfolgreich führen im Ehrenamt – Ein Praxisleitfaden für freiwillig engagierte Menschen geschrieben, weil es zuvor keine unterstützende Literatur zum Thema gab. Es sei wohl einfach immer davon ausgegangen worden, dass das schon klappen wird – hat es aber nicht immer, weil vielen auch nicht ganz klar sei, was von einer Führungskraft im Ehrenamt überhaupt erwartet wird. „Führung bedeutet für mich: Beziehung gestalten. Dazu gehören unterschiedliche Wirkprinzipien, wie in den Austausch gehen, überzeugen, Partizipation ermöglichen, mich immer wieder rückversichern, ob wir alle noch das gleiche Verständnis und Ziel haben.“ Durch die fehlende vertragliche Rahmung der Zusammenarbeit gewinnt der direkte Austausch enorm an Bedeutung. Die Zusammenarbeit basiert auf einem gemeinsamen Werteverständnis und persönlicher Abstimmung.

Das macht es in ihren Augen auch viel einfacher, einen Gang herunterzuschalten, wenn es mal zu viel wird: „Was es im Ehrenamt leichter macht, als im Job, ist, dass ich es jederzeit abgeben kann. Niemand zwingt mich, das zu tun. Ich habe keine finanziellen Verpflichtungen.“ Das Gefühl, dass das Engagement meine eigene, freie Entscheidung ist, sei manchmal schon sehr entlastend. Zudem helfe die Frage nach Mustern, in die man eventuell immer wieder selbst hineintappt. Auch für Kerstin Kuner ist der Aspekt der Selbstverantwortlichkeit bei einer Überlastung elementar: „Wenn mein Ehrenamt zu viel Zeit in Anspruch nimmt, kann nur ich etwas daran ändern. Wenn ich rumlaufe wie ein offener Korb, wird auch jeder seine Bitten, Aufgaben und Ansprüche da reinpacken.“ Wichtig sind ihr besonders regelmäßige Pausen: „Gedanklicher Freiraum hilft, um auf neue Ideen zu kommen. Sonst reagiert man am Ende nur noch, statt selbst aktiv zu gestalten.“

Ehrenamt wandelt sich

Und aktives Gestalten ist gerade in der momentanen Umbruchphase essenziell, findet Britta Redmann. Denn das Ehrenamt unterliege gerade einem umfassenden Wandel. Es entspricht nicht mehr dem Zeitgeist, 20 Jahre am selben Ort zu wohnen und das wirke sich auch auf das Engagement aus: „Der Trend, sich zu engagieren, ist ungebrochen. Sich in Vereinen und diesen großen Strukturen, vergleichbar mit Konzernen, zu engagieren, nimmt allerdings ab. Die Menschen engagieren sich heute lieber projektbezogen, weil sich das auch besser in ihre unterschiedlichen Lebensphasen integrieren lässt.“ Die Möglichkeiten dazu werden auch durch die Digitalisierung größer.

Hier liegt es nun an den Verbänden und Organisationen – und ihren Führungskräften – lebensphasenorientierte Teilhabe zu ermöglichen und zu stärken. Die Malteser haben aus diesem Anlass bereits zwei Kongresse zum Thema „Führen im Ehrenamt“ veranstaltet, sowohl analog als auch digital während der Pandemie. Sarah Adolph und ihr Team aus der Abteilung Ehrenamt haben für jeweils ungefähr 500 ehrenamtliche Führungskräfte und deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter Workshops veranstaltet, wie sich Menschen auch in Zukunft für eine Mitarbeit begeistern lassen und wie gute Rahmenbedingungen für ihre Arbeit aussehen können. Denn auch wenn die Führungskräfte die Akquise nicht zwingend selbst leisten müssen, sollten sie im Blick haben, dass das ein Thema werden kann und jemanden benennen, der sich darum kümmert – damit die ehrenamtlichen Strukturen, in denen sie im Moment führen, auch weiterhin am Leben bleiben.


Titelbild: Das Ehrenamt wandelt sich – dass es aber kein Auslaufmodell ist, zeigt alleine dieses Gruppenbild vom Ehrenamtskongress der Malteser.


Buchtipp:

Redmann, Britta (2017), Erfolgreich führen im Ehrenamt: Ein Praxisleitfaden für freiwillig engagierte Menschen. 256 Seiten, Taschenbuch. ‎ Springer Gabler, 54,99 Euro. Auch als eBook erhältlich.


Verfasst von:

Sarah Weiß

Freie Autorin