Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: November-Dezember 2022

Schwerpunkt

Was macht einen geistlichen Prozess aus?

Foto: Sansert / Adobe stock

Muss man einfach viel beten? Darf man dann auch abstimmen? Es steht natürlich außer Frage, dass es sich beim Synodalen Weg um einen geistlichen Prozess handelt, aber immer wieder wird es ihm abgesprochen. Einige lehnen demokratisches Vorgehen auf geistlichen Prozessen als nicht angemessen ab. Aber stimmt das? Zeit für eine Reflexion!

Der Synodale Weg kennt vielfältiges geistliches Leben: Gebete, Schweigen, Reflexionszeiten und Eucharistiefeiern. Das ist gut, richtig und wichtig. Gerade die auf den Synodalversammlungen gefeierten Gottesdienste mitten in der Arbeitsatmosphäre der Messehalle waren für mich geistliche Highlights. Doch nicht Gebetsformen machen den Prozess letztlich geistlich, sondern die Grundhaltung, dass sich alle miteinander der Führung des Heiligen Geistes anvertrauen. Dies braucht eine Offenheit aller, denn weder Amtsträgerinnen und Amtsträger noch einzelne Gläubige kennen den Willen des Heiligen Geistes für konkrete Situationen. Im Hören und Reden geht es darum, dem Geist Gottes auf die Spur zu kommen.

Wir Menschen haben vom Schöpfer unseren Verstand bekommen. Diesen im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen zu nutzen, ist geistlich. Als Ebenbilder Gottes sind alle individuell und gemeinsam berufen, das Heil zu suchen. Gerade die Erkundung der Welt ermöglicht das Evangelium besser zu verstehen. Persönliche Reflexion, Diskussion, Literaturstudium, das Befragen von Expertinnen und Experten, ja alles Denken und alle Auseinandersetzung um der Menschen willen ist geistlich. Manches ist dabei echte Fremdprophetie.

Demokratie wagen

In Verbänden wird seit Jahrzehnten deutlich, dass Ämter, Leitung und auch Geistliche Verbandsleitung Legitimität durch Wahl erhalten können. Demokratische Mehrheitsbeschlüsse widersprechen auch nicht der hierarchischen Gestalt der Kirche. Bereits die Festlegungen der frühen Kirche, wie beispielsweise das Credo, waren Ergebnis kommunikativer Abstimmungsprozesse. Kirchliche Struktur ist in ihrer Gestalt immer gesellschaftlich und von sich wandelnden Werten beeinflusst. Heute ist die Demokratie in Deutschland (und weiten Teilen der Welt) das die Kirche umgebende Prinzip. Schon Karl Rahner betonte: „Man kann nicht annehmen, dass der Mensch beim Überschreiten der Kirchenschwelle plötzlich aufhört, das Gesellschaftswesen zu sein, das er in allen anderen Bereichen des Lebens ist.“

Übrigens: Auch Päpste, Ordensobere und viele deutsche Bischöfe werden gewählt. Entscheidungsprozesse brauchen unbedingt die vielen (!) Wege wie Gebet, Debatte und Abstimmung. Wer meint, das Wirken des Heiligen Geistes exklusiv durch Rolle, Amt oder Gebetsform sicher zu kennen, irrt nicht nur, sondern handelt missbräuchlich. Und wenn sich geistlicher Prozess rein auf Beten, Schweigen und Gottesdienste beschränkte, bestünde die Gefahr, dass diese zum spirituellen Deckmäntelchen würden. Auch jeder synodale Prozess, der rein auf das gut gemeinte Hören setzen und keine Abstimmungen kennen würde, liefe Gefahr, dass am Ende doch wieder ein Hierarch (Bischof, Papst …) eine einsame Entscheidung treffen müsste. Die Selbstbindung der Hierarchie an Mehrheitsentscheidungen synodaler Gremien ist eine echte Alternative – auch auf Dauer.


Verfasst von:

Konstantin Bischoff

Pastoralreferent in München, Mitglied der Vollversammlung des Synodalen Wegs