Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Januar-Februar 2023

Schwerpunkt

Armutsbekämpfung

Foto: Halfpoint / Adobe stock

Vorhaben der Bundesregierung zur

Anfang Juli 2022 hat die Staatsregierung den 5. Bayerischen Sozialbericht vorgelegt. Die Daten zur Armutsgefährdungsquote beziehen sich auf das Jahr 2019. Die Armutsgefährdungsquote lag in Bayern bei 11,9 Prozent, was im Ländervergleich der niedrigste Wert ist. Der Bundesdurchschnitt betrug in diesem Jahr 15,9 Prozent, die höchsten Werte fanden sich in Bremen mit 24,9 Prozent.

Grund, sich zurückzulehnen ist diese nur vermeintlich gute Lage aber nicht. Denn spätestens aus dem 6. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wissen wir: Armut verfestigt sich im Lebenslauf der Betroffenen. Die Wahrscheinlichkeit auch in der nächsten Fünfjahresperiode noch der sozialen Lage „Armut“ anzugehören, liegt heute bei 70 Prozent – in den 1980er Jahren waren es nur 40 Prozent. Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt zudem den erschreckend hohen Anteil von Kinderarmut. Betroffene Kinder finden sich sehr häufig auch im jungen Erwachsenenalter wieder in dieser sozialen Lage.

Die Benachteiligung von Menschen mit geringem Einkommen hat sich durch Pandemie und Inflation noch verschärft, weil Personen mit geringem Einkommen keine Rücklagen oder finanzielle Spielräume haben, auf die sie in dieser Situation zurückgreifen können. Es steht zu befürchten, dass Kinder aus Elternhäusern mit niedrigem sozialem Status nicht nur kurzfristig in der Pandemie, sondern langfristig benachteiligt sein werden. Daran wird auch unser Bildungssystem kurzfristig wenig ändern können. Denn, obwohl dieses sozial durchlässig geworden ist, gilt in Deutschland nach wie vor: die materielle Ausstattung des Elternhauses ist weiterhin ein entscheidender Faktor, ob der Aufstieg aus Armut gelingt. Die Bundesregierung befürchtet im 6. Armuts- und Reichtumsbericht, dass die Pandemie das Risiko birgt, „die bestehende Ungleichheit mittel- oder sogar langfristig zu erhöhen und Fortschritte bei der Gleichstellung rückgängig zu machen.“

Welche Schlussfolgerungen zieht die Ampelkoalition aus diesen zentralen Befunden des 6. Armuts- und Reichtumsbericht?

Bürgergeld

Die Ampelregierung hat mittlerweile einiges unternommen, um Armut entgegenzuwirken. Im 6. Armuts- und Reichtumsbericht wurde deutlich herausgearbeitet, dass ein zentrales Problem für die Entwicklung von Armut die Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit ist. Mit der Einführung des Bürgergelds wird eine bessere Förderung von Langzeitarbeitslosen auf den Weg gebracht. Gute Erfahrungen mit Sonderregelungen aus den Jahren der Pandemie werden ins Regelsystem überführt: In den ersten zwei Jahren wird eine Karenzzeit für Wohnen und Vermögen eingeführt. Weiterentwickelt wird der Eingliederungsprozess durch die Einführung eines gemeinsamen zwischen Leistungsberechtigten und Vermittlungsfachkraft erarbeiteten Kooperationsplans. Die Sanktionen werden entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts abgemildert. Eine ganzheitliche Betreuung soll helfen die Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern. Aufgehoben wird der Vermittlungsvorrang, der bisher zu sehr auf schnelle Integration in Arbeit gezielt hat, ohne ihre Nachhaltigkeit zu sichern. Mit dem Bürgergeldbonus, einer Weiterbildungsprämie und dem Weiterbildungsgeld werden Anreize und Möglichkeiten für einen besseren Zugang zu Weiterbildung und Umschulung geschaffen. Mit der Entfristung des Sozialen Arbeitsmarkts werden neue Teilhabechancen für besonders arbeitsmarktferne Langzeiterwerbslose eröffnet. Geändert werden auch die Freibeträge für Schülerinnen und Schüler, Studierende sowie Auszubildende, so dass sie mehr Geld behalten, das sie neben Schule, Studium und Ausbildung hinzuverdienen. All das sind gute Nachrichten. Was aber fehlt, ist eine deutliche Anhebung der Regelbedarfe. Dies wird umso wichtiger, als wir in diesen Tagen erleben müssen, dass die steigenden Energiepreise und die Inflation zu einer starken Verteuerung von Lebensmitteln und anderen Verbrauchsgütern führen. Hier muss dringend nachgebessert werden.

Kindergrundsicherung

Reformieren möchte die Bundesregierung auch die Förderung von Kindern und Jugendlichen. Geplant ist eine Kindergrundsicherung, in der einige Leistungen zusammengeführt werden und der Zugang durch Digitalisierung und Entbürokratisierung vereinfacht werden soll. Die Gesetzgebung wird noch etwas Zeit in Anspruch nehmen, weil die Leistungssysteme, die hier in den Blick zu nehmen sind, komplex sind. Gegenwärtig erarbeitet eine interministerielle Arbeitsgruppe Vorschläge, wie eine Bündelung der Leistungen funktionieren kann. Gestärkt werden soll auch die soziale Infrastruktur durch den qualitativen und quantitativen Ausbau der Kitas und sonstiger Bildungs- und Teilhabeangebote.

Ausbau der sozialen Infrastruktur

Ziel der Ampelkoalition ist es, leistungsfähige Kommunen mit einem hohen Maß an Entscheidungsfreiheit vor Ort, eine verlässliche öffentliche Daseinsvorsorge, eine starke Wirtschaft und eine engagierte Zivilgesellschaft zu schaffen. Die Mobilität als Teil der Daseinsvorsorge und Voraussetzung für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land soll verbessert werden. Der Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket als bundesweites Nahverkehrsticket ist ein wichtiger Baustein dafür.

Im Koalitionsvertrag sind weiter wichtige Detailprojekte für die Sicherung der sozialen Daseinsvorsorge genannt, wie beispielsweise ein Rechtsanspruch auf Schuldner- und Insolvenzberatung, die Finanzierung von Frauenhäusern und vergleichbarer Einrichtungen für Männer, der Ausbau digitaler Infrastruktur in Schule und Jugendhilfe, die Förderung der Sozialarbeit an Schulen sowie ein verbesserter Zugang zur gesundheitlichen Versorgung vulnerabler Gruppen durch niedrigschwellige Angebote. Das Ganze steht und fällt natürlich mit der Finanzausstattung. Welche finanziellen Spielräume hier die hohen Staatsausgaben in Folge von Pandemie, Ukrainekrieg und Inflation noch lassen, bleibt abzuwarten.

Wohnen

Ein großes Ziel wird im Koalitionsvertrag im Bereich Wohnen angepeilt. Der Ampelkoalitionsvertrag ist der erste, der sich die Beseitigung der Wohnungslosigkeit zum Ziel setzt. Ausgebaut werden soll der soziale Wohnungsbau. Gestärkt werden soll die Wohngemeinnützigkeit. Gegenwärtig wird das Wohngeld so weiterentwickelt, dass mehr Menschen Anspruch auf die Leistung haben sollen. Das ist ein wichtiger Schritt, der verhindert, dass Menschen sich das Wohnen nicht mehr leisten können.

Es ist also einiges auf den Weg gebracht worden, um Armut zu bekämpfen, aber klar ist auch: Es ist noch ein langer Weg, den Bund, Länder und Kommunen gemeinsam gehen müssen, damit Armut nachhaltig gemindert wird.


Titelfoto: Die Ampelkoalition möchte Wohnungslosigkeit beseitigen – ein ambitioniertes Ziel. Immerhin ist sie die erste Regierung, die sich diesem Thema so konkret annimmt.


Verfasst von:

Birgit Fix

Leiterin des politischen Büros des Deutschen Caritasverbandes in Berlin