Ausgabe: Januar-Februar 2023
EditorialAusgegessen
Liebe Leserin, Lieber Leser,
unser Titelbild zeigt einen leeren Teller. Ganz bewusst. Ganz drastisch. Ganz normal? Nein, weil dieser Teller – wie man unschwer erkennen kann – niemals gefüllt war. Nicht das übliche Ende eines eigentlich alltäglichen Abendbrots.
Dieser leere Teller soll symbolisch für das Thema unserer ersten Ausgabe im Jahr 2023 stehen. Es geht um die wachsende Armut in unserer Gesellschaft, um die Sorgen und Ängste der Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen – und ja, die immer häufiger vor leeren Tellern sitzen.
In München bietet die Gemeinschaft Sant’Egidio jeden Samstag in ihrer Mensa gutes, warmes und kostenloses Essen an. Die Menschen, die dorthin kommen, werden immer mehr und ihre Hintergründe werden vielfältiger, erzählt Ursula Kalb im Interview. Es sind Münchnerinnen und Münchner mit kleiner Rente, viele ältere Migrantinnen und Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion, aus Ex-Jugoslawien oder ehemalige Gastarbeiter, aber auch Menschen, die auf der Straße leben. Die Mensa von Sant’Egidio ist ein Ort der Begegnung, ein Zuhause für die, die kein Zuhause haben.
Auch Sozialkaufhäuser, Tafeln, Wärmestuben und die Bahnhofsmission spüren einen dramatischen Anstieg an Hilfesuchenden – schon die Corona-Pandemie hat im Lauf der vergangenen drei Jahre mehr Menschen in Armut gebracht, weil ihre Jobs weggefallen sind oder das Kurzarbeitergeld nicht ausreichte. Der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierende Inflation und Energiekrise haben die Situation für viele Menschen noch einmal verschärft. Während die einen einfach mal „den Gürtel enger schnallen“ müssen, sitzt bei vielen anderen der Gürtel längst auf Anschlag. Einmal mehr zeigt sich: unsere Gesellschaft driftet immer weiter auseinander. Auch darüber sprechen wir auf den folgenden Seiten.
Die neue Ausgabe liefert Zahlen und Fakten zur Armutsentwicklung in Bayern und Deutschland und geht außerdem auf politische Mechanismen und Möglichkeiten zur Armutsbekämpfung ein. Aber: unsere Beiträge verstecken sich nicht hinter Tabellen und Grafiken. Sie zeigen die Gesichter der betroffenen Menschen und erzählen ihre Geschichten. Und so wollen wir auch anregen, in der eigenen Pfarrgemeinde genau hinzuschauen und auf die Menschen am Rand zuzugehen, so dass aus einem Nebeneinander ein echtes Miteinander auf Basis des Evangeliums werden kann.
Viel Freude beim Lesen und gute Anregungen für Ihre kirchliche Arbeit wünscht Ihnen
Alexandra Hofstätter
Redaktionsleiterin