Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Mai-Juni 2023

Katholisch in Bayern und der Welt

„Die Botschaft Jesu ist einfach unschlagbar!“

Foto: Zoran Zeremski / Adobe stock

Ein Interview mit dem Pfarrgemeinderat Toni Beer aus Forstinning. Erzdiözese München und Freising

Gemeinde creativ: Herr Beer, wo sehen Sie die Besonderheiten in der Arbeit Ihres Pfarrgemeinderats?

Toni Beer: Unser Pfarrgemeinderat ist vielleicht in Gedanken schon ein großes Stück weiter. Wir werden zum Beispiel demnächst eine Pfarrversammlung 2.0 abhalten. Ich kenne Versammlungen, wo man sich am besten ein gutes Buch oder gemütliches Kissen mitnimmt, weil man eigentlich nur Informationen bekommt, die man genauso gut lesen könnte.  Unsere Vorstellungen sind da anders: Wir wollen einen schönen, bunten und abwechslungsreichen Sonntagnachmittag. Zahlen und Finanzen sind hintenangestellt. Es geht vielmehr um ein Darstellen davon, wer wir sind und wie vielfältig wir sind. Die Gruppierungen selbst bekommen eine Chance, sich  mit einer kleinen Stellwand oder einem Stehtisch vorzustellen.  Natürlich informieren wir auch über die Kirchen- und Friedhofrenovierung, aber es soll  auch darum gehen, was wir künftig vorhaben. Es soll ein lebendiger Nachmittag werden und wir hoffen, dass auch Menschen zu uns finden, die an der Institution Kirche zweifeln. Wir haben die politische Gemeinde eingeladen, die Vereine und ihre Mitglieder sowie die Presse. Wir wollen zeigen: Kirche kann auch anders sein. Das Thema ist „Leben im Ort, leben in der Pfarrei“.

Wie stellen Sie sich das Leben in Ihrer Pfarrei konkret vor?

Wir haben zum Beispiel die Pandemie genutzt und uns gefragt, was wir tun können, um den Menschen die Angst zu nehmen, in die Kirche zu kommen. Wir haben den Gottesdienst dann auf dem Schulhof abgehalten, wenn das Wetter schön war. Dazu gab es wechselnde Musik von Menschen aus dem Ort. Damit hatten wir einen Wahnsinnszulauf, also haben wir das beibehalten. Im Gottesdienst in der Kirche haben wir im Schnitt 70 bis 80 Besucherinnen und Besucher und auf dem Schulhof 130 bis 150, auch aus Nachbargemeinden. Die Leute sagen, sie empfinden das als etwas Befreiendes, denn manche haben mittlerweile Berührungsängste mit dem Gebäude Kirche. Deshalb möchten wir noch mehr dorthin gehen, wo die Menschen sind. Zum Beispiel wird das Sportheim neu eingeweiht. Dort möchten wir gerne einen Gottesdienst auf dem Sportplatz abhalten oder auch auf dem Feuerwehrfest. Wir müssen uns wieder angewöhnen, dass wir dahin gehen, wo die Menschen sind und nicht die Tür aufsperren und erwarten, dass sie zu uns kommen. Kirche findet an so vielen Orten statt. Ob das jetzt der Rentner ist, der zuhause mit den Firmlingen Brot backt zum Thema „Schöpfung und Brotbrechen“, oder ob es der Schreiner oder der Bauernhof ist…  Kirche kann so vielfältig sein! Für den letzten Jahrgang konnten wir 20 Erwachsene dafür begeistern, sich am Firmunterricht für jeweils einen Baustein zu beteiligen. Das ist unser Weg! Wir versuchen, Menschen zu finden, die sich für einzelne Projekte zur Verfügung stellen. Aber auch Formen wie den Starlight Prayer. Sonntagabend um halb acht wird die ganze Kirche in ein anderes Licht getaucht, wir haben eine Liveband dabei und es gibt Texte, wie zum Beispiel zum Thema „Liebe“ oder „Flucht und Vertreibung“. Also wirklich Texte, die Menschen aus dem jetzigen Leben Impulse mitgeben. Denn wo genau liegt unser Problem? Menschen können die Kirche nicht mehr verstehen. Und deshalb suchen wir neue Formen.

Wie sehen Sie Ihre Rolle als Pfarrgemeinderat?

Ich bin der Antreiber. Ich habe viele Ideen und muss immer Acht geben, dass ich mein Umfeld damit nicht überfordere. Wir müssen viel mehr netzwerken und schauen, wo wir Synergien finden können, ob mit Kolping, dem Frauenbund oder dem Sportverein. Wo kann man andocken, um gemeinsam in Erscheinung zu treten, um sich die Arbeit zu teilen? Die Botschaft Jesu ist einfach unschlagbar! Also bin ic  der Meinung: Nicht drauf warten, sondern machen!

Wie sollte die Schnittstelle zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen aussehen?

Die Schnittstelle muss ein offener und ehrlicher Umgang zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen sein. Mut für etwas Neues und von Seiten der Hauptamtlichen auch ein Zulassen von neuen Projekten und Wegen. Offene und ehrliche Kommunikation zwischen beiden Parteien und ein Nein von Ehrenamtlichen akzeptieren.

Wo sehen Sie die Herausforderungen für Ihre zukünftige Arbeit?

Es gibt zwei Dinge, die uns erwarten: Wir haben 2026 die nächste Pfarrgemeinderatswahl und wir haben den Stellenplan, von dem es heißt, dass er zum 1. Januar 2025 umgesetzt werden soll. Wenn ich mir den neuen Stellenplan anschaue, kann ich mir ausrechnen, wo die Reise hingeht: Die Pfarrverbände werden größer werden.  Wir müssen diese Jahre nutzen, um das Ehrenamt anders aufzubauen und die Lücke zum Hauptamt in irgendeiner Form zu füllen. Wir werden nur noch schwer Menschen finden, die sich für vier Jahre für ein Amt verpflichten wollen, also muss sich jetzt das Ehrenamt auf andere Füße stellen: Wie können wir Dinge wie Kommunion, Firmung und andere spirituelle Impulse outsourcen und Menschen finden, die sich dafür projektbezogen engagieren wollen? Und die zweite Sache ist, Menschen zu finden, die das Liturgische in einer gewissen Form abfangen, wenn es die Hauptamtlichen nicht mehr gibt. Wir gehen intensiv auf die Suche nach Menschen, die einen Wortgottesdienst leiten und die die Ausbildung bereits absolviert haben oder noch machen wollen. Sie sollten dann aber auch die Chance bekommen, dieses Amt auszuüben.  Im Moment sind wir in der komfortablen Situation, dass wir noch Hauptamtliche haben und gemeinsam einen vernünftigen Übergang finden können.

Was ist der ausschlaggebende Punkt dafür, dass für jemanden, der im Moment keinen Kontakt mit der Institution Kirche hat, Kirche wieder Heimat für das Ausleben seines Glaubens werden kann?

Wir müssen sichtbarer werden! Wenn wir nur in der Kirche bleiben, werden wir niemanden mehr erreichen können. Wir müssen den Menschen wieder bewusst machen: Die Botschaft Jesu ist unschlagbar! Einfach nur genial!  Mit anderen Formen, wie dem Starlight Prayer, können wir den Menschen dies aufzeichnen. Auch den jungen Menschen. Das Bewusstsein schärfen, Seelsorger sein und offen durch den Ort gehen. Wo ist wirklich Not in meinem Ort? Auch bei Familien und älteren Menschen. Wir haben einen Helferkreis, der sich um die über 100 Geflüchteten bei uns im Dorf kümmert. Das ist doch unsere Hauptaufgabe! Da sind Menschen in Not und die brauchen jemanden. Unsere Botschaft lautet: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Unser nächster Starlight Prayer hat deshalb auch das Thema Liebe, wo Liebe überall stattfindet und wo ihre Grenzen sind. Menschen haben Sehnsucht, Sehnsucht nach spirituellen Dingen, nach einer Gemeinschaft, nach dem Verstehen. Wir wollen auch, dass da jemand ist, der uns sieht.


Titelfoto: Das Engagement verändert sich, viele engagieren sich für einzelne Projekte, nicht für lange Zeiträume. Es gilt, das Bewusstsein zu schärfen, Seelsorger zu sein und offen durch den Ort gehen. Wo ist wirklich Not in meinem Ort?


Verfasst von:

Sarah Weiß

Freie Autorin