Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Mai-Juni 2023

Schwerpunkt

Klerikal bis in die Spitzen

Foto: Lightfield studios / Adobe stock

Klerikalismus kommt von oben? Das stimmt nicht immer. Auch an der Basis in den Pfarrgemeinden ist er oft noch tief verankert.

Die Rede von der „selbstsorgenden Gemeinde“ ist nicht mehr neu. Und doch, so richtig verwirklicht ist sie vielerorts noch nicht. Es gibt Pfarrgemeinden, die organisieren sich schon seit vielen Jahren selbst. Zumeist aus der Not heraus geboren, weil man schon in der Vergangenheit längere Zeit ohne Priester war – oder auch, weil Seelsorger diese Selbstständigkeit gezielt unterstützt und gefördert haben – haben sich solche Gemeinden ihr Selbstbewusstsein nicht mehr nehmen lassen. Und das ist gut so!

Andernorts sieht es anders aus. Gemeinden, in denen der Priester durch die Pfarrgemeinderatssitzung führt und die Einladungen dafür vorbereitet, sind keine Seltenheit. Ehrenamtliche arbeiten dort auf Zuruf des zuständigen Priesters, kommt der nicht, passiert auch nichts.

Allein diese beiden Situationsbeschreibungen zeigen: der Vorwurf, Klerikalismus sei stets „von oben“ – was auch immer genau dieses „oben“ sein mag – übergestülpt, ist falsch. Vielfach sind es die Engagierten in den Pfarrgemeinden, die sich nicht von alten Mustern lösen können oder wollen, die ihre Dienste dann verrichten, wenn sie vom Priester „aufgetragen“ werden.

Angebot und Nachfrage

Auch „selbstsorgende Gemeinden“ funktionieren nur in einem guten Miteinander von Haupt- und Ehrenamtlichen, von Seelsorgern und Laien – das versteht sich von selbst. Ein Priester, der seine Aufgabe ernst nimmt, wird jedoch dem Engagement der Ehrenamtlichen nicht im Weg stehen, sondern es vielmehr befördern – und vermutlich auch dankbar sein, wenn Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden. Daher sollten Ehrenamtliche nicht abwarten und zögern, sondern von sich aus Ideen einbringen und sich zu deren Umsetzung anbieten.

Die Zeiten, in denen „der Herr Pfarrer“ nahezu jeden Gottesdienst in der Gemeinde selbst zelebriert hat, den Religionsunterricht samt Erstkommunion- und Firmvorbereitung verantwortet, jede Sitzung der örtlichen Kolpingfamilie, des Frauenbundes besucht und an so gut wie jeder wichtigen Veranstaltung der Gemeinde teilgenommen hat, in denen er die alten und kranken Menschen in den Heimen genauso regelmäßig aufgesucht hat wie die Kinder in den Kindertagesstätten, sich um Jugendarbeit ebenso gekümmert hat wie um die jungen Familien, jedem Neuzugezogenen einen Besuch abgestattet und den Kontakt zu Angehörigen Verstorbener gesucht hat – diese Zeiten sind vorbei. Priester mussten in den vergangenen Jahren lernen, zu delegieren – an andere Seelsorgerinnen und Seelsorger in ihrem Team, an Verwaltungsleiterinnen und Verwaltungsleiter und eben auch an Ehrenamtliche. Die Gemeinden müssen diese Delegationen aber auch akzeptieren. Den Pastoralreferenten, der die Alten und Kranken besucht, ebenso wie die Religionspädagogin, die die Kinder und Jugendlichen in Kindergarten und Schule an den Glauben heranführt und auf die Erstkommunion vorbereitet, und die Ehrenamtlichen, die liturgische Feiern gestalten und sich sozial und gesellschaftliche engagieren. Und sie müssen lernen, dass diese Angebote nicht „die zweite Wahl“ sind, sondern ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer synodalen Kirche.


Titelfoto: Die Pfarrverbände sind größer geworden, die Verwaltungsaufgaben komplexer – ein Priester kann heute nicht mehr alles leisten wie früher. Damit Gemeinden lebendig bleiben, braucht es mutige und selbstständige Ehrenamtliche und ein gutes Team aus Seelsorgerinnen und Seelsorgern.


Verfasst von:

Alexandra Hofstätter

Geschäftsführerin des Landeskomitee der Katholiken in Bayern.