Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Mai-Juni 2023

Ökumene

Sie nähern sich allen

Foto: Pat Christ

Im Landkreis Miltenberg ist ein Ökumenischer Hospizverein aktiv

Katholiken, Protestanten oder auch Menschen, die sich zum Islam bekennen: Dem Team des Ökumenischen Hospizvereins im Landkreis Miltenberg ist jeder willkommen. „Was die Menschen anbelangt, die wir aktuell begleiten, denke ich, dass es sich überwiegend um Katholiken handelt“, sagt Hospizkoordinatorin Petra Berberich. Aber es gibt auch Schwerkranke, Sterbende oder Trauernde, die einer anderen Konfession oder Religion angehören. In jedem Fall wird versucht, eine adäquate Form der Begleitung zu finden.

Früher war es so, als wenn man nicht dieselbe Sprache sprechen würde. Die religiösen Grundeinstellungen galten als derart verschieden, dass Hochzeiten zwischen Katholiken und Protestanten undenkbar waren. Diese Zeiten sind vorbei. Wobei es natürlich Unterschiede gibt, sagt Petra Berberich. „Singt ein schwerkranker Mensch, den wir begleiten, zum Beispiel gerne Marienlieder, dann schauen wir, dass wir als Begleitung jemanden finden, der oder die das ebenfalls gerne tut“, schildert sie. In diesem Fall käme eigentlich nur eine katholische Hospizbegleiterin infrage. Sollte ein Kranker gerne beten, braucht es einen Ehrenamtlichen, der hierzu einen Bezug hat.

Hospizbegleitung erfordert Sensibilität, Empathie und nicht zuletzt fachliche Kenntnisse. Das Religiöse spielt daneben auch eine Rolle, allerdings nicht immer eine dominante. Wobei wichtige Veranstaltungen, bei denen es um das Team des Hospizvereins geht, stets ökumenisch organisiert werden. „Das betrifft zum Beispiel die Aussendungsfeier für die neu geschulten Ehrenamtlichen oder auch unsere Gedenkfeier für Verstorbene“, erläutert Petra Berberich. Die Feiern werden von einem evangelischen Pfarrer, der den Hospizverein mitgegründet hat, sowie von einem katholischen Vertreter gestaltet: „Zum Beispiel von einer Gemeindereferentin.“

Foto: photographee.eu / Adobe stock

Der Hospizverein hilft Sterbenden und ihren Angehörigen, er hilft aber auch Menschen, die von Gram erfüllt sind, weil sie jemanden, den sie über alles liebten, durch Tod verloren haben. „Im Moment ist der Bedarf an Trauerbegleitung bei uns sehr groß“, sagt Alois Sauer, Vorsitzender des Ökumenischen Hospizvereins. Bei der Trauerbegleitung gilt nach seinen Worten genau dasselbe wie bei der Begleitung von Sterbenden: Jeder ist willkommen. Egal ob katholisch. Ob protestantisch. Ob muslimisch. Oder ohne jede Religion. „Wobei ich denke, dass sich jemand, der gläubig ist, mit der Trauer leichter tut“, so der ehemalige Bürgermeister von Leidersbach bei Miltenberg.

Nicht mehr aufgewacht

Petra Berberich hat das just in ihrer Arbeit erlebt: „Wir begleiteten eine Frau, deren Vater sehr schnell im Bett verstarb, er ist einfach morgens nicht mehr aufgewacht.“ Das war für die Frau sehr hart gewesen, hatte sie doch ihren Vater über alles geliebt. „Einen Trost fand sie darin, dass ihr Papa ein sehr gläubiger Mensch war“, schildert die Hospizkoordinatorin. Katholik war der Vater gewesen. Sein Glaube war, neben der Familie, die tragende Säule seines Lebens. Er war vollkommen sicher, dass mit dem Tod nicht alles vorbei sein würde, hatte fest daran geglaubt, dass es ein Danach gibt: „Außerdem hatte er immer davon gesprochen, dass er gern einfach einschlafen würde.“

Achtung vor den weltanschaulichen, spirituellen und religiösen Einstellungen der Menschen ist eine wichtige Leitlinie für das Verhalten der 60 ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnen und Hospizbegleiter. „Wir schätzen den Menschen mit seinen Wünschen und Bedürfnissen“, heißt es außerdem im Leitbild des Vereins, das 2015 verabschiedet wurde. Die Haupt- und Ehrenamtlichen, die ihrerseits unterschiedlichen Glaubensvorstellungen anhängen, sind bereit, sich auf verschiedene Lebensstile und auf ganz unterschiedliche Kulturen einzulassen. „Achtsamkeit im Umgang mit den uns anvertrauten Menschen ist uns wichtig“, heißt es im Leitbild weiter.

Nur mit einer solchen menschenfreundlichen Haltung kann man aber auch für die Probleme anderer Menschen, gerade für die Probleme von Minderheiten in der Gesellschaft, offen sein. Zumal in einer derart existenziellen Situation wie im Angesicht von Sterben, Tod und Trauer. Mit Alois Sauer zum Beispiel können Schwerkranke, Sterbende oder Angehörige tiefgehend über den Glauben, ebenso aber auch über die Institution Kirche sprechen. „Ich selbst differenziere zwischen der Kirche als Glaubensgemeinschaft und der Kirche als Institution“, sagt der Katholik. Mit der Kirche als Institution, gibt er zu, habe auch er inzwischen so seine Probleme.

Für alle Menschen offen

Auch Petra Berberich ist, geht sie in ein Pflegeheim oder in eine Familie, offen nach allen Seiten. Ökumene ist für sie seit langem etwas vollkommen Selbstverständliches. „Ich habe im ambulanten Bereich sowohl schon für die Diakonie als auch für die Caritas als Altenpflegerin gearbeitet“, berichtet die Katholikin. In die Kirche geht sie nicht mehr ganz so regelmäßig: „Ich habe meine anderen Orte, wo ich für mich sein kann.“ Einmal im Jahr macht sich Berberich zum Pilgern auf: „Auch hier bin ich mit katholischen sowie mit evangelischen Pilgern unterwegs.“

Wie mutlos würde man sein, hätte man den Glauben nicht. Egal, wie dieser Glaube genau ausgestaltet ist. Wie mutlos würde man sein, hätte man nicht andere Menschen, mit denen man reden, bei denen man sich aussprechen, bei denen man Halt finden kann. „Unser großer Wunsch wäre es, dass die Menschen früher zu uns kommen“, sagt Alois Sauer. Kennt man einen Patienten schon ein wenig, bevor es dem Ende entgegengeht, könne dieser in der Sterbephase wesentlich besser begleitet werden.

Seit langem ist für Sauer etwas deutlich zu erkennen: die Tatsache nämlich, dass in das Wort „Hospiz“ Falsches hineininterpretiert wird. Immer noch. Obwohl die Hospizbewegung inzwischen fest etabliert ist. Wer „Hospiz“ hört, sagt der Vereinsvorsitzende, denkt meist sofort an die letzten Lebenstage. Doch jener Bewegung, die 1967 durch Cicely Saunders‘ St. Christopher’s Hospice in London begründet wurde, geht es um mehr. Es geht um Begleitung in existenziell schwierigen Lebensphasen. Bei schwerer Krankheit. Bei einer erschütternden Diagnose. Nach dem Verlust eines geliebten Menschen.

Wie viel wert eine stabile Gesundheit ist, weiß Alois Sauer übrigens aus eigener Erfahrung: „Ich hatte 2013 einen leichten Schlaganfall mit anschließenden Sprachschwierigkeiten.“ Auch das Schreiben hatte ihm direkt nach diesem Ereignis Probleme bereitet. Heute merkt man dem 68-Jährigen nichts mehr an: „Ich habe großes Glück gehabt.“ Aus Dankbarkeit darüber, dass er sich wieder stabilisieren konnte, begann er, sich für die Hospizarbeit zu engagieren.

Dass er dies nun im Geiste der Ökumene tut, ist zugegeben eher Zufall. „Letztlich kam ich zum Posten des Vorsitzenden des Ökumenischen Hospizvereins wie die Jungfrau zum Kind“, schmunzelt er. Übrigens hätte er nie gedacht, dass dieses Amt die Dimension eines Halbtagsjobs hat: „Das kann eigentlich kaum jemand machen, der noch im Beruf steht.“


Titelfoto: Alois Sauer und Petra Berberich vom Ökumenischen Hospizverein machen alljährlich beim Welthospiztag auf die Möglichkeiten der Hospizbegleitung aufmerksam.

 


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin