Ausgabe: Juli-August 2023
SchwerpunktMischt Euch ein!

Vielfach ist von der Politik, der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Kirche die Rede. Ganz so, als ließen sich diese Bereiche klar voneinander trennen, als wären sie eigenständig, ohne Berührungspunkte. Das stimmt aber nicht. Die Schnittmengen sind mannigfach, Zusammenhänge gibt es überall. Das beginnt schon damit, dass es weder „die“ Politik oder Wirtschaft, noch „die“ Gesellschaft und auch nicht „die“ Kirche gibt. Und weil alles miteinander verbunden ist, wie Papst Franziskus nicht zuletzt in seiner öko-sozialen Enzyklika Laudato si‘ deutlich gemacht hat, dürfen auch wir als Christinnen und Christen nicht nur in unserer eigenen Blase bleiben.
Kirche existiert nicht außerhalb der Gesellschaft. Viele Themen, die die Bibel uns Christinnen und Christen ins Stammbuch geschrieben hat, sind keine rein kirchlichen und schon gar keine rein katholischen. Umweltschutz und die Sorge um das Klima, Dasein für die Armen, Schwachen und Bedürftigen, der Einsatz für Frieden und Versöhnung – das sind nur ein paar Schlaglichter. Sie alle kennen wir aus den Medien, sie alle sind hochaktuell und sie alle sind urchristlich.
Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern ist der Zusammenschluss der Diözesanräte der bayerischen Bistümer, der katholischen Verbände und auf der Landesebene tätigen kirchlich anerkannten Organisationen und Einrichtungen sowie von Einzelpersönlichkeiten. Im Statut heißt es: „Das Landeskomitee hat vor allem die Entwicklungen im gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Leben zu beobachten und Anliegen der Katholiken von landespolitischer Bedeutung in der Öffentlichkeit zu vertreten“ – die Mitglieder des Landeskomitees nehmen diesen gesellschaftlichen Auftrag seit der Gründung des Landeskomitees vor inzwischen mehr als 70 Jahren ernst.
Diese „katholische Zivilgesellschaft“, wie die Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) sie jüngst genannt hat, besteht aus engagierten Räten und Verbänden, Bildungseinrichtungen und Sozialdiensten. Sie ist jedoch nicht nur auf die Bundes- und Landesebene oder die Diözesen beschränkt, sie gibt es auch in den Seelsorgebereichen vor Ort und schließlich in jeder einzelnen Pfarrgemeinde. Nämlich überall dort, wo Menschen im Auftrag Jesu Christi zusammenkommen, um die Welt ein Stück weit besser zu machen.
An der Basis
In jeder Gemeinde gibt es Andockpunkte, um als Pfarrgemeinderat oder Ortsgruppe eines Verbandes aktiv zu werden. Überall gibt es arme und bedürftige Menschen – vielfach sieht man sie nur nicht. Mit einer Kooperation, beispielsweise mit der örtlichen Caritas oder anderen sozialen Akteurinnen und Akteuren, lässt sich für die Betroffenen oft mit wenig Aufwand eine spürbare Verbesserung ihrer Situation schaffen. Es muss nur einer damit anfangen, dann schauen plötzlich viele hin und packen mit an. Ein wichtiger Arbeitgeber in Ihrer Region möchte abwandern oder Stellen abbauen? Setzen Sie sich gemeinsam mit Gewerkschaften und der Kommune für eine gute Lösung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein – nicht nur, weil unter ihnen Kirchensteuerzahlerinnen und Kirchensteuerzahlen sind, sondern weil es als Dienst an den Menschen geboten ist.

Allein der Umweltbereich bietet eine Vielzahl von Betätigungsoptionen und Kooperationsmöglichkeiten. Als Jugendgruppe eine Blühwiese im Pfarrgarten anlegen oder eine Kräuterschnecke für die Kinder in der Kita oder Schule bauen, welche diese dann selbst bepflanzen und beernten können, gemeinsam mit örtlichen Naturschutzvereinen nach geeigneten Nistplätzen auf Kirchengrund suchen, Nistkästen anbringen und pflegen, zusammen mit der Stadtverwaltung über eine naturnahe und artenfreundliche Gestaltung des Friedhofsgeländes und anderer gemeinsam genutzter Flächen nachdenken oder neue Angebote und Formate der Umweltbildung mit Bildungsträgern erarbeiten und umsetzen – damit seien nur ein paar wenige, aber ganz konkrete Ideen benannt.
Wahlen bieten jedes Mal einen guten Anknüpfungspunkt an die lokale Politik – suchen Sie als Pfarrgemeinde- oder Dekanatsrat sowie als Verband das Gespräch mit „ihren“ Kandidatinnen und Kandidaten. Lassen Sie sich nicht mit allgemeinen Antworten „abspeisen“ und bringen Sie im Gespräch mit diesen deutlich ihre Haltungen und Forderungen zu aktuellen Themen ein.
Gehör finden
Kirchliche Akteurinnen und Akteure stellen bisweilen fest, dass es immer schwieriger wird, christliche Positionen in die gesellschaftliche Debatte einzubringen. Der Missbrauchsskandal und seine Folgen, massive Austrittszahlen – die Medien sind voll von negativen Meldungen rund um Kirche. Der Glaubwürdigkeitsverlust in der breiten Öffentlichkeit ist groß. Ein Impuls mag sein, sich hinter die eigenen Kirchenmauern zurückzuziehen und „unter sich“ zu bleiben. Das ist verständlich, wäre aber falsch. Denn: die Gesellschaft braucht Impulse von engagierten Christinnen und Christen. Wer, wenn nicht wir, muss Partei ergreifen für diejenigen, die es selbst nicht können? Wer, wenn nicht wir, muss in ethischen Fragen neben allen rechtlichen und medizinischen Perspektiven auch die moralischen Blickwinkel mit dazulegen? Wer, wenn nicht wir, muss sich einsetzen für Frieden, Verständigung und Versöhnung, für Gerechtigkeit und Menschenwürde?
Daher: Hartnäckig bleiben, auch wenn man zuerst abgewiesen wird. Weitersprechen, wenn man beim ersten Mal nicht gehört wird. Mit Haltungen und Argumenten überzeugen, glaubwürdig sein und selbst mit einem guten Beispiel vorangehen.
Als Christinnen und Christen können wir der Gesellschaft vieles anbieten. Kehren wir das Beste von uns heraus und setzen es für eine gemeinsame Zukunft ein.