Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Juli-August 2023

Schwerpunkt

„Mut wächst mit dem Beginnen“

Altstadt, Dom und Steinerne Brücke von Regensburg an der Donau; Foto: Mojolo / Adobe stock

Martha Bauer ist seit März 2022 Vorsitzende des Diözesankomitees im Bistum Regensburg. Die 55-Jährige engagiert sich außerdem im Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) und ist Stadträtin in Regensburg.

Foto: Fotostudio Kraus

Gemeinde creativ: Sie sind sowohl in kirchlichen als auch in kommunalen Gremien engagiert. Sehen Sie einen Konflikt zwischen politischem und christlichem Handeln?

Martha Bauer: Für mich ist immer die Frage: Welchen Hut habe ich gerade auf? Das ist manchmal schwer zu differenzieren, vor allen Dingen, wenn man aus einer religiösen oder spirituellen Situation rauskommen und wieder die harten Tagesfakten abstimmen soll. Bei uns in der Stadtratssitzung versucht jeder zum Wohl der Bürger zu agieren und nicht so sehr, sich selbst darzustellen. Aber man hat für verschiedene Beschlüsse nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung und denkt sich oft aus einem christlichen Aspekt heraus: Es wäre gut, wenn wir noch mehr machen könnten. Aber es gibt eben eine Budgetierung und die müssen wir akzeptieren und das Beste daraus machen.

„Wer glaubt, ist nie allein“ – mit dieser Aussage haben Sie sich für eine christliche Haltung als Gegengewicht zur leistungs- und konsumorientierten Gesellschaft bereits in „Gemeinde creativ“ positioniert. Hilft Ihnen diese Haltung dabei, Entscheidungen zu treffen?

Ich komme immer wieder in einen Konflikt und muss dann wirklich lange nachdenken, wo ich hinwill. Es gibt immer mehrere Seiten. Ein Beispiel: Auf der einen Seite ist es gut, viel Wohnraum zu schaffen und Anbieter dabei zu unterstützen, das umzusetzen, auf der anderen Seite gibt es die Herausforderung, dass Familien bezahlbaren Wohnraum haben sollen. Und als drittes natürlich das Thema „Flächenverbrauch“, „Bewahrung der Schöpfung“, was auch ein christlicher Ansporn ist. Spitz gesagt: Sollten wir überhaupt noch Bauland ausweisen? Es muss doch eine lebenswerte Welt bleiben. Die Entscheidung ist immer ein Stück weit Abwägungssache und ich hoffe, dass es mir bisher gut gelungen ist, sodass ich sagen kann: Die Kommune kann mit der Entscheidung leben, aber ich selbst auch. Dass man sich verrennt oder verheizen lässt, ist die Gefahr, die ich im Vorfeld gesehen habe.

Wie sieht bei Ihnen die Zusammenarbeit mit anderen Gremien aus?

Wir arbeiten seitens der Stadt, aber auch seitens der Kirchen in Gremien sehr stark zusammen. Ein gutes Beispiel ist der Arbeitskreis „Asyl“. Die Stadt unterstützt diesen Arbeitskreis finanziell und mit Wohnungen und die Kirchengemeinden organisieren Veranstaltungen wie zum Beispiel das Asylcafé, wofür sie sich Ehrenamtliche finden. Wir haben auch eine Kleiderkammer, wo sich Geflüchtete eindecken können, und bei der Tafel mit Lebensmitteln. Das passiert alles auf ehrenamtlicher Basis. Ich glaube, es kann sehr befruchtend sein, wenn beide Organisationen die Möglichkeiten sehen, wo sie helfen und unterstützen können. Die Stadt hat andere Möglichkeiten als die Kirchengemeinden, weil die oft auch in der Lage ist, leerstehende Gebäude zur Verfügung zu stellen. Die Kirche hat dafür ein großes ehrenamtliches Netzwerk. Das ergänzt sich gut.

Stoßen Sie auch manchmal an Grenzen?

Natürlich. Wir nehmen in letzter Zeit die Bevölkerung im Krisenmodus wahr, angefangen von Corona über Klimawandel, Energie, Politik, Inflation, und da habe ich immer wieder das Gefühl, dass da Ängste umgehen, dass Bedürftige alles zugeschoben bekommen, während der Großteil selbst schauen muss, wie er weiterkommt. Diesen Spagat muss ich auch aushalten, wenn ich in Diskussionen sage: Mensch, überlege doch mal, uns geht es immer noch gut und die bringen wir doch auch unter! Da merke ich im Austausch mit den Bewohnerinnen und Bewohnern vor Ort, dass es schwierig wird, den Aspekt der christlichen Nächstenliebe noch durchzustellen. Und wenn ich dann gefragt werde, was ich dafür tue, ertappe ich mich auch mit einem schlechten Gewissen auf der anderen Seite. Dennoch sehe ich, dass es oft Jammern auf hohem Niveau ist. Da gibt es Spannungsfelder und es ist manchmal gar nicht leicht, solche Diskussionen auszuhalten. Ich möchte auch nicht behaupten, dass ich immer als Siegerin rausgehe, aber zumindest als Kämpferin. Oft denke ich mir:  Wie lang kann ich dieses Kämpfen gut aushalten?

Was hilft Ihnen dabei?

Ich weiß, wo meine Stärken liegen. Ich habe eine Familie und einen Freundeskreis, der hinter mir steht, wo ich ein Ventil habe, wo ich loswerde, was mich beschäftigt. Wo ich dann entweder bestärkt werde – oder eben auch nicht. Das sind Resilienzfaktoren, die einfach gut sind, um den Kopf freizukriegen, um was anderes zu machen, was mir Freude macht, und dann bin ich wieder selbstbewusster und kann in die nächste Diskussion gehen. Da sind Werte, die mich leiten. Und mein Glaube natürlich. Ich sehe Christus als Freund, der immer da ist und mich bestärkt. Ich brauche meine Spiritualität, um im Alltag nicht abzustumpfen.

Welche Werte möchten Sie durch Ihr Engagement hochhalten?

Ich bemerke ein Ende der Selbstverständlichkeit für gesellschaftliches Miteinander. Dass bei vielen der Fokus auf sich selbst und ein paar wenige, die zu ihrem engeren Kreis gehören, gerichtet ist, aber was den Rest der Gesellschaft betrifft: Tja, das wird schon irgendwer irgendwie machen. Deswegen stelle ich mir immer wieder die Frage: Was bedeutet lebendige, lebenswerte Gemeinschaft? Oder wenn Glaube nicht mehr weitergetragen wird; Ich kenne viele Menschen, die sagen, dass sie für ihren Glauben die Institution Kirche nicht brauchen. Das mag durchaus gut sein für diejenige Person, aber wenn Glaube nicht gezeigt und gelebt wird, wird er auch nicht weitergetragen. Ich finde ganz wichtig, dass Menschen sich begegnen, weil Begegnung so viel gibt. Auch Zufriedenheit und Dankbarkeit! Was will ich mit Geld, wenn ich nichts damit anfangen kann, was mir Freude macht? Genauso wenn man nicht mehr dankbar für das sein kann, was man hat. Mit Menschen, die chronisch unzufrieden sind, kann man auch ganz schlecht zusammenarbeiten, da bringt man nicht wirklich was weiter und das raubt einem jeden Elan und Schwung. Da fehlt was und es geht an die Substanz. Eine Gemeinde oder Kommune kann sich nicht weiterentwickeln, wenn sie viele Bremser hat.

Was fördert das gemeinsame Weiterkommen von kirchlichem und politischem Engagement?

Befruchtend finde ich, wenn Menschen beide Seite sehen. Also sowohl das kirchliche, christliche Engagement als auch das politische, um weltliche Dinge vorwärtszubringen. Wenn ich Spaß habe, etwas zu machen und meine Ideen dann auch verwirklicht sehe, glaube ich, kommen wir gut voran. Wenn jede Seite nur versucht, sich selbst darzustellen, werden viele Menschen nicht mehr mitgenommen. Und wenn Menschen nicht mehr mitgenommen werden, macht das Zusammenleben keinen Spaß. Ich engagiere mich gerne – in unserer Kommune, weil ich hier die Verknüpfung sehe, dass die Zusammenarbeit Gutes bewirken kann, für die Wahrnehmung, dass über uns vielleicht doch noch etwas ist außer Geld und Finanzmitteln. Das ist der Kitt in der Gesellschaft, der uns zusammenhält. Dass wir Segen mit auf unseren Weg nehmen, ist ein emotionaler Wert und ich glaube, dass Emotionen bei vielen Leuten unterschwellig mitspielen, auch wenn sie nach außen hin vielleicht ganz anders auftreten. Wenn wir uns unserer Emotionen berauben lassen, werden wir unterkühlt und handeln nur noch nach Fakten und Zahlen. Ich weiß nicht, ob das einer Gesellschaft guttut. Ich glaube nicht.


Verfasst von:

Sarah Weiß

Freie Autorin