Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: November-Dezember 2023

Schwerpunkt

Bräuche in Bayern

Foto: Bischöfliche Presse- und Medienabteilung Regensburg

Von Weisertweckenfahren, Zoiglbier, dem Pfingstl und Heiligen Gräbern

Es ist unmöglich, eine Übersicht über alle interessanten, bekannten und weniger bekannten Bräuche zu bekommen. Bei einigen lohnt sich jedoch ein genauerer Blick.

 

Weisertweckenfahren

Das Weisertweckenfahren ist ein Brauch in manchen Ortschaften Oberbayerns zur Geburt des ersten Sohnes. Dabei wird ein langes, zum Zopf geflochtenes Weißbrot auf einer Leiter hergerichtet und auf einem Holzwagen zum Wohnsitz der Familie gefahren. Mancherorts werden auch Strampler, Söckchen oder Lederhosen als Geschenke für die Eltern an den Wagen gehängt. Der Wecken wird von den Eltern „angebissen“, anschließend werden die Gäste bewirtet. Die Tradition wird zum Beispiel vom Trachtenverein Niederaschau bis heute am Leben erhalten.

Wolfauslassen im Bayerischen Wald

Foto: Julia Weinfurtner, Stadt Zwiesel

Der Brauch des „Wolfsauslassen“ stammt aus jener Zeit, als Waldhirten das Vieh auf den Wiesen und Bergweiden des Bayerischen Waldes vor Wölfen und anderen Gefahren schützen mussten. Am 10. November, dem Vorabend des Martinitages, wurde der Wolf ausgelassen, so dass er sich wieder überall (auch auf den Viehweiden) bewegen konnte, und die Hirten forderten auf den Höfen ihre Entlohnung. Der heutige Brauch des Wolfsauslassens wird zum Beispiel noch im Zwieseler Winkel gepflegt. Hochburg ist Zwiesels Nachbarort Rinchnach mit zahlreichen Gruppen von Wolfsauslassern jedes Jahr am 9. und 10. November. Dadurch, dass die Wolfauslasser bis zu 40 Kilo schwere Glocken läuten, entsteht ein infernalischer Lärm.

Pfingstl

Foto: Geschichtswerkstatt Neuhausen e. V.

Der „Pfingstl“ steht im Mittelpunkt des Wasservogelfestes. Beim Pfingstl handelt es sich ursprünglich um eine in Stroh oder Tannenreiser gehüllte Person. Mit Maigrün und bunten Bändern geschmückt erbettelte der „Pfingstl“ Schnaps, Eier und Süßes, wobei er einen seltsamen Tanz mit diversen Verrenkungen aufführte. In Neuhausen wurde das Wasservogelfest 2007 zum ersten Mal seit 1828 wiederbelebt. Es findet hier alle zwei Jahre statt, zuletzt am 30. Juli 2023. Die Wasservogelgruppe bittet ausgesuchte Personen um ein Geldgeschenk, das in die Vereinskasse fließt. Anschließend wird der Wasservogel von der Gerner Brücke in den Neuhausener Schlosskanal geworfen.

Mailaufen in Antdorf

Alle drei Jahre findet am Sonntag nach dem 1. Mai in Antdorf (Kreis Weilheim-Schongau) das Mailaufen der ledigen Mädchen statt. Die Mädchen werden ab 12 Uhr von den sogenannten „Zammtreibern“ in ihren Häusern mit Akkordeon, Brezn und Bier abgeholt. Beim nachmittäglichen Mailaufen versuchen die Mädchen, sich einen schneidigen Burschen für den abendlichen Maitanz zu ergattern. Das Mailaufen wird auf einer großen Wiese gegenüber der örtlichen Gastwirtschaft „Neue Post" organisiert. Der Brauch soll bis zum ersten Maibaum, der 1792 im Dorf aufgestellt wurde, zurückreichen, doch das ist nicht wirklich historisch verbürgt.

 

Chinesenfasching in Dietfurt

Foto: Stadt Dietfurt

Der Dietfurter Chinesenfasching findet immer am letzten Donnerstag in der Faschingszeit, dem "Unsinnigen Donnerstag" statt. Das nächste Mal wird er am 8. Februar 2024 organisiert. Ab 2 Uhr morgens wird die Stadtbevölkerung von "Maschkaras" mit viel Lärm geweckt. Auf der monumentalen Stufenbühne in der Altstadt wird am Mittag musikalisch auf den Chinesenfasching eingestimmt. Um 13.61 Uhr setzen sich 50 Motivwägen und Fußgruppen in bayrisch-chinesischen Kostümen in Bewegung. Später wird in allen Gaststätten des Ortes beim großen Maskentreiben bis in die frühen Morgenstunden des nächsten Tages gefeiert.

Zoiglbier

Die „Oberpfälzer Zoiglkultur“ wurde in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Unter „Zoigl“ versteht man ein ungefiltertes, untergäriges Bier, das nach althergebrachter Weise gebraut wird. Dies geschieht vor allem in der nördlichen Oberpfalz. Über viele Jahrhunderte hinweg konnte jeder Bürger, der das Braurecht besaß und das gemeinschaftliche Kommunbrauhaus über das „Kesselgeld“ finanzierte, Zoigl brauen. Neuhaus erhielt das Zoiglbraurecht 1415, Windischeschenbach 40 Jahre später. Der Zoigl wird bis heute in fünf Kommunbrauhäusern in Neuhaus, Windischeschenbach, Eslarn, Falkenberg und Mitterteich gebraut.

Funkenfeuer

Foto: Tourist-Info Wertach

Beim „Funkenfeuer“ wird am Samstag und Sonntag nach Fasching ab etwa 19 Uhr die „Funkenhexe“ verbrannt. Ursprünglich handelte es sich um einen heidnischen Kult zur Vertreibung des Winters. Verbreitet ist der Brauch in Schwaben, im Allgäu und in Franken. Im Markt Wertach im schwäbischen Landkreis Oberallgäu findet das nächste Funkenfeuer am 18. Februar 2024 statt. Mancherorts werden mehrere 100 Arbeitsstunden in den teilweise 30 Meter hohen, turmartigen Aufbau des hölzernen „Funkens“ investiert. Die Hexe, die auf dem Holzturm thront, besteht meist aus Stroh, Heu oder auch Sägemehl. Oft hat sie in ihrem Inneren einen Ballon, der im Feuer laut zerknallt.

Christkindlanschießen

Am 17. Dezember wird das Christkind im Berchtesgadener Land zum ersten Mal lautstark begrüßt. Eine Viertelstunde lang feuern Böllerschützen um 15 Uhr zum festlichen Geläut der Kirchenglocken kurzläufige, großkalibrige Handböller ab. Dies wiederholt sich täglich zur gleichen Uhrzeit bis zum 24. Dezember. An Heiligabend wird zusätzlich zur Christmette geschossen. Am 31. Dezember verabschieden die Weihnachtsschützen ab 15 Uhr das alte Jahr und begrüßen das neue von 24 Uhr bis 0.15 Uhr sowie am Neujahrstag zu verschiedenen Zeiten. Die Wurzeln dieses Brauchs sind ursprünglich im heidnischen Lärmbrauchtum zu finden.

Gottsdorfer Stallweihnacht

Foto: Günter Maier

Bei der „Stallweihnacht“ im niederbayerischen Gottsdorf bei Untergriesbach handelt es sich um eine einstündige Freilichtaufführung. Veranstaltet wird sie alle zwei Jahre vom gesamten Dorf. Beim klassischen Krippenspiel treten die Laiendarsteller in originalgetreuen Kostümen auf. Zum Spiel gehören auch lebende Tiere wie Schafe, ein Ochse und ein Esel. Die Heiligen Drei Könige kommen auf Pferden geritten. Zur Aufführung wandern die Besucher auf dem Jakobsweg. Die „Stallweihnacht“ wurde schon im Rahmen der ZDF-Sendung „Weihnachtsbräuche Weltweit“ ausgestrahlt. In diesem Jahr gibt es keine „Stallweihnacht“.

 

Motorradwallfahrt zum Heinrichsfest

Auf dem Vorplatz des Bamberger Doms findet jedes Jahr am Samstag des Heinrichsfests ein großer Motorradgottesdienst statt. Motorradfahrer aus dem gesamten Bistum machen sich auf den Weg nach Bamberg. Unter freien Himmel wird gemeinsam Gottesdienst gefeiert.

Lindenkirchweih

Die Lindenkirchweih im oberfränkischen Limmersdorf gibt es seit 1729. Im Mittelpunkt steht die dörfliche Tanzlinde, die im 17. Jahrhundert gepflanzt wurde. Tanzpaare in fränkischer Tracht tanzen auf dem vier Meter hohen, hölzernen Tanzboden um die 16 Meter hohe Linde. Organisiert wird die „Limmersdorfer Lindenkirchweih“ alljährlich an den Tagen um Bartholomä (24. August). Nur während des Zweiten Weltkriegs und wegen einer grassierenden Kinderlähmung 1949 musste die Lindenkirchweih ausfallen. Das in seiner Art einzigartige Fest ist seit 2015 als Immaterielles Kulturerbe auf der Liste der Unesco geführt.

Heilige Gräber

Foto: Bischöfliche Presse- und Medienabteilung Regensburg

Der Brauch, in katholischen Kirchen ein Heiliges Grab zu errichten, geht auf das frühe Mittelalter zurück. Er war länger verschwunden, lebt mancherorts aber wieder auf. So wurde 2002 in der Kirchturmstube der Frauenkirche in der oberbayerischen Stadt Schrobenhausen ein fast vollständig erhaltenes Heiliges Grab gefunden, hergerichtet und wieder aufgestellt. Auch in St. Georg  in Eugenbach (Dekanat Landshut-Altheim) gibt es ein Heiliges Grab. Eingerichtet wurde es von Jesuiten, die im 17. und 18. Jahrhundert in Eugenbach wirkten. Nach der Karfreitagsliturgie wird es zur Veranschaulichung der Glaubensinhalte eingesetzt.


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin