Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Januar-Februar 2024

Schwerpunkt

Raum für die gute Botschaft

Pfarrgemeinden brauchen Prozessbegleiter für ihre Immobilienstrategie

Foto: privat

Die Situation der Immobilien in den Pfarrgemeinden ist von vielen Ungleichzeitigkeiten geprägt, doch nahezu jede Pfarrei steht vor der Frage, wie es mit ihren Immobilien weitergehen wird. Das ist auch von vielen Emotionen, Ängsten und Trauerprozessen geprägt. Es braucht eine Immobilienstrategie und einen gemeinsamen Entwicklungsprozess. Eines ist sicher: Wegschauen ist die teuerste und schlechteste aller Möglichkeiten.

 

 

Wenn ich in meiner Zeit als Vorstand der Joseph-Stiftung zurückblicke, wird deutlich, dass der Kernauftrag der Stiftung doch sehr weitsichtig war. In der Nachkriegszeit, als Nürnberg noch in Schutt und Asche lag, gründete der damalige Erzbischof Joseph Otto Kolb die Stiftung mit dem Ziel, auch wegen der explodierenden Zahl an Geflüchteten eine angemessene und sozial vertretbare Verbesserung der Wohnungsversorgung auf lange Sicht hin zu gewährleisten. Der Erzbischof gründete eben keine GmbH, weil eine Stiftung und ihre Ziele auf lange Sicht ausgelegt sind und nicht auf kurzfristige Rendite geschielt werden sollte. Bezahlbarer Wohnraum ist ein Grundbedürfnis der Menschen und muss daher als langfristiges Gut betrachtet werden. Wir wissen, was es bedeutet, wenn Menschen nicht angemessen wohnen können oder ihre Heimat zerstört worden ist. Das Thema wird uns noch weit in die Zukunft begleiten.

Herausforderungen, nicht nur für Pfarreien

Die Ursachen für Wohnungsnot sind vielfältig: Da steigen in Ballungsräumen die Mieten dramatisch, die Zinsen ebenfalls, auch die Baukosten, es gibt viele neue Normen und Vorschriften, die das Bauen teurer machen, die hohen energetischen Anforderungen und eine Förderpolitik, die aus unserer Sicht nicht stimmig ist. Dann kommen die Herausforderungen speziell in den Pfarreien hinzu, weniger Steuereinnahmen durch hohe Austrittszahlen, weniger Zuschüsse, neue pastorale Konzepte und eine größer werdende Last der Immobilien.

Hier bieten sich Kooperationsmodelle an. Wir entwickelten zusammen mit dem Caritasverband im Bereich des Seniorenwohnungsbaus ein Projekt „In der Heimat wohnen“, mit dem wir Wohnen und soziales Miteinander verbinden, barrierefreien Wohnraum und Versorgungskonzepte vor allem im ländlichen Raum umsetzen, wo auch mehrere Generationen zusammenleben können. So fördern wir in unseren Quartieren eine Durchmischung und sorgen für integrative Projekte. Da stoßen wir auch an unsere finanziellen Grenzen, aber mit Pilotprojekten wollen wir zeigen, wie es funktionieren kann.

Schwerpunkte kombinieren, Leerstände reduzieren

Es ist eine große Herausforderung, beispielsweise einen auch finanziell gangbaren Klimapfad für Immobilien zu entwickeln, die Umsetzung wird nur Schritt für Schritt möglich sein. Der Energieträger wird dabei eine entscheidende Rolle spielen. Künftig werden es häufig die Kommunen sein, die strategisch zu planen haben, welche Gebiete in welcher Weise mit Wärme versorgt werden sollen und in welcher Weise erneuerbare Energien und Abwärme bei Erzeugung und Verteilung genutzt werden können. Ziel der Wärmeplanung ist es, den vor Ort besten und kosteneffizientesten Weg zu einer klimafreundlichen Wärmeversorgung zu ermitteln.

Wenn im öffentlich geförderten Wohnungsbau eine Miete von zum Beispiel nicht mehr als acht Euro pro Quadratmeter und Monat bezahlbar ist, dann ist ein Neubau nicht ohne eine massive Förderung sowie adäquate Grundstückskosten zu schaffen.

Auch in den Pfarrgemeinden wird es nicht ohne massive Förderungen möglich sein, ihren Immobilienstand zukunftsfähig zu machen. Entweder bleiben Pfarrgemeinden selbstständig oder sie verschmelzen mit anderen und bilden größere Seelsorgeeinheiten, die zusammenarbeiten sollen. Darin liegt aber auch eine Chance, über den eigenen Kirchturm zu schauen, nicht jede katholische und evangelische Gemeinde braucht parallele Jugendraumstrukturen und Seniorenangebote, die sich noch dazu mit caritativen regionalen Strukturen doppeln. Es braucht überzeugende pastorale Konzepte für die Zukunft, die auch in den Blick nimmt, was wirklich betriebsnotwendig ist, was die eigenen Schwerpunkte sind, wo die Schwerpunkte und gegebenenfalls auch Leerstände in anderen Pfarreien bestehen und ob sich das kombinieren ließe. In prosperierenden Räumen können Grundstücke und Liegenschaften, auf die man pastoral nicht angewiesen ist, ein Ertragsfaktor sein. Hier können Kirchenstiftungen gegebenenfalls auch selbst Mietwohnungen errichten und mit den Erträgen das pfarrliche Leben mitfinanzieren. In nicht-prosperierenden Gegenden sind die Kirchenstiftungen dazu nicht in der Lage und auf Hilfe durch die Diözesen angewiesen.

Entwicklung einer Portfolio-Strategie

Wegzuschauen ist langfristig die teuerste aller Maßnahmen im Bereich Immobilien. Es gibt die klassische Portfoliostrategie, an der sich eine Pfarrei ausrichten kann, modernisieren, abbrechen und neubauen, gegebenenfalls verdichten oder aber verkaufen. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen ist für eine Pfarrei essenziell, um zukunftsfähig zu bleiben. Wir haben vor mehr als zehn Jahren die KIPS GmbH gegründet, die größere Seelsorgeeinheiten in genau diesen Fragen unterstützt. Erster Ansprechpartner sollten aber immer die Diözesen und ihre Liegenschaftsabteilungen bilden. Auch übernehmen wir Geschäftsführungen von Genossenschaften, auch im ländlichen Bereich, und tragen so zu bezahlbarem Wohnraum bei.

Problematisch sind mitunter die Grenzziehungen von neuen pastoralen Räumen, wenn dabei zu wenig andere regionale Grenzen berücksichtigt werden – wie zum Beispiel die der evangelischen Geschwisterkirche, der Caritasverbände, Dekanatsgrenzen, aber auch von Kommunen, die ebenso häufig Räume mit multifunktionaler Nutzung haben. Wird das nicht berücksichtigt, kann es zu unnötigen Doppelungen und einem damit verbundenen deutlichen Mehraufwand kommen. Unserer Erfahrung nach braucht es für einen solchen komplexen Entwicklungsprozess eine professionelle Begleitung, die dabei unterstützt, die pastorale Perspektive, die technische, die kaufmännische, die ökologische und die Personalperspektive in einem Gesamtkonzept zusammenzubringen. Dadurch entstehen auch Konflikte, die ausdiskutiert und ausgetragen werden müssen, gerade wenn eine Pfarrei gewissermaßen mit dem Rücken zur Wand steht und Immobilien auf dem Prüfstand stehen, in die die Pfarrei viel Herzblut gesteckt hat. Das sind insbesondere Themen, die pastoral und seelsorglich begleitet werden müssen.

Raum für das Evangelium muss bleiben

Wenn in einer Kirche nur noch vereinzelt Menschen im Gottesdienst sitzen, ist diese Verlorenheit keine Perspektive. Unser Hauptauftrag bleibt die Gemeinschaft, das Zusammenkommen, das gemeinsame Brotbrechen und der Dienst am Menschen. Die Strukturen für diesen Auftrag müssen je neu angepasst werden. Dazu muss man sich zunächst als Pfarrei der Situation stellen. Das, was ist, ernst nehmen, nicht die Augen verschließen, sondern die Situation nüchtern anschauen, sich Begleitung suchen, die verschiedenen Dimensionen skizzieren, vor denen man steht, und transparent und offen gemeinsam am Runden Tisch ausdiskutieren. Auch wenn viele Strukturen implodieren werden, bin ich von der Zukunftsfähigkeit der Botschaft Jesu Christi überzeugt, sie ist alternativlos. Es gibt immer noch viele Menschen in den Gemeinden und außerhalb, die gemeinsam für andere da sind, die sich zum Gottesdienst versammeln und die Gemeinschaft pflegen. In Zukunft wird es mehr denn je auf jeden einzelnen ankommen, in welchen Räumen auch immer.

Dr. Klemens Deinzer: Theologe und Betriebswirt; bis  31.10.2023 Vorstand der Joseph-Stiftung, dem kirchlichen Wohnungsunternehmen im Erzbistum Bamberg. Verantwortlich für die Bereiche Wohnen und Beteiligungen, unter anderem auch für die KIPS-GmbH, ein Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen für kirchliche und soziale Institutionen.


Verfasst von:

Klemens Deinzer

Theologe und Betriebswirt