Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Januar-Februar 2024

Schwerpunkt - Vor Ort

Vom Abriss zur Vision

Viel zu groß und viel zu wenig genutzt: Die Füssener hatten Mut zur Neugestaltung des Standorts der Garnisonskirche in einem breiten Beteiligungsprozess. Foto: Creativ commons

Ein gelungenes Begleitprojekt in der Pfarreiengemeinschaft Füssen

Die Anfrage lautete ursprünglich, bei der Neuplanung eines Kindergartens zu unterstützen, der dringend umziehen musste, weil das Pfarrheim, in dem er verortet war, nicht mehr den aktuellen Standards entsprach. Aber es sollte schnell deutlich umfangreicher werden. Darauf waren die zwei Begleiter aus der Gemeindeberatung beziehungsweise -entwicklung eigentlich schon eingestellt. Zunächst kam sehr schnell die Frage nach der Kirche hinzu, einer Garnisonskirche aus den 1960er Jahren, die viel zu groß geplant war und von den Soldaten so nicht mehr genutzt wurde. Ein Gebäude, das renovierungsbedürftig wurde und bei dem hohe laufende Kosten aufliefen.

Im Weiteren zeigte sich, dass die Pfarreiengemeinschaft sogar noch viel umfassender ihre Pastoral in den Blick nehmen und ein zukunftsfähiges Konzept entwickeln wollte. Schrittweise dehnte sich also der Auftrag aus und wurde relativ umfassend. Letztlich startete parallel zu den Überlegungen, wie man mit Kirche und Kindergarten umgehen könne, ein pastoraler Entwicklungsprozess – zwei Prozesse, die später gut miteinander verwoben werden konnten.

Gute Ideenwerktstatt

Es gelang ein breiter Beteiligungsprozess. Einerseits wurden für den Standort der Kirche Ideen gesammelt, unter anderem in einer Ideenwerkstatt, in der man einfach mal frei denken konnte und alle aus dem relevanten Sozialraum eingeladen waren. Andererseits zeigte sich aus der Pfarreiengemeinschaft ein breites Interesse an der Pastoralentwicklung. Quer durch die Altersstufen brachten Menschen ihre Überlegungen und Ideen ein. Allein beim ersten gemeinsamen Wochenende unter dem Titel „Aufbruch“ waren mehr als 100 Personen anwesend. Die Befragung förderte 400 digital ausgefüllte Fragebögen zu Tage, die die Wahrnehmung der Menschen aufnahm und viele Hinweise für wichtige Ansatzpunkte für die Zukunft gaben.

Nachdem die beiden Stränge verwoben waren, folgten weitere Workshops, um die vielfältigen Ideen weiter zu konkretisieren und Menschen zu finden, die am Ende die Ideen auch zur Umsetzung brachten. So ist ein positives Bild von der Zukunft entstanden. Die Kirche wird abgerissen, damit Platz entsteht für einen neuen Kindergarten und daneben ein Begegnungszentrum mit einem kleinen Sakralraum. 

Mehr als Zusammenlegung

Dabei war immer klar, dass hier nicht einfach nur die Räume der Pfarreiengemeinschaft inklusive Büro zusammengezogen werden sollen. Vielmehr handelt es sich um eine Form von Sozialraumentwicklung für den Stadtteil Füssen-West. Nicht umsonst war man während der weiteren Planung in engem Kontakt zur Stadt. Dabei wurde sehr gut abgewogen, warum das Zentrum in Füssen-West entstehen soll, während sich der „alte“ Kern Füssens mit seiner großartigen Kirche mehr zu einem kulturellen Zentrum entwickeln soll, der letztlich auch über einen kleinen Anlaufpunkt mitten in der touristischen City eine Neuausrichtung erfährt, um so Touristen und die Bürgerinnen und Bürger Füssen kommunikativ wieder neu anzusprechen.

Dieses positive Zukunftsbild, das mit viel Beteiligung entwickelt wurde, hat dafür gesorgt, dass es nahezu keinen Widerstand zum Abriss der Kirche gab. Denn es gab eine Vision, ein nachhaltig wirkungsvolles Bild von der Kirche in Füssen, das die Menschen offenbar anspricht.

Eine Gruppe wurde gegründet, die jetzt noch dafür sorgt, dass die Ziele auch wirklich zur Umsetzung kommen und gegebenenfalls weiterentwickelt werden – denn man ist nicht am Ende der Entwicklung.


Verfasst von:

Thomas Wienhardt

Leiter der Abteilung Personal-, Organisations- und Pastoralentwicklung im Bistum Augsburg