Ausgabe: Januar-Februar 2024
SchwerpunktZwischen Event und Glaubensvermittlung

„Wir haben viele tolle Gebäude, um die Menschen einzuladen!“
Marcus Lechner ist Pfarrgemeinderat in Oberhausen und Pastoralrat der übergeordneten Pfarreiengemeinschaft Augsburg-Oberhausen-Bärenkeller. Daneben ist der hauptberufliche Fotograf Teil des Arbeitskreises Kunst. Der Augsburger Stadtteil Oberhausen hat ungefähr 25.000 Einwohner. Hier sind viele Nationen und Religionen zu Hause, die Katholiken sind längst eine Minderheit unter vielen. Johannes Körber ist der erste Verwaltungsleiter für den Seelsorgebereich Fränkische Schweiz und unterstützt dort in den Bereichen Finanz-, Personal- und Bauverwaltung. Der Seelsorgebereich Fränkische Schweiz im Erzbistum Bamberg umfasst 14 ländlich und katholisch geprägte Pfarreien sowie die Wallfahrtskirche Gößweinstein. Ein Gespräch über die Nutzung kirchlicher Immobilien in Stadt und Land.
Welche Bedürfnisse haben Ihre Pfarreien in Bezug auf die ihnen zur Verfügung stehenden Gebäulichkeiten?
Marcus Lechner: Wir haben viele tolle Gebäude an zentralen Orten und fragen uns ganz bewusst: Wie können wir sie einsetzen, um Menschen einzuladen? Wie können wir die Kirchen öffnen auch für kirchenfernes Publikum? So ist auch die Idee entstanden, Künstlerinnen und Künstler einzuladen und ihnen vier Wochen einen unserer sakralen Räume zur Verfügung zu stellen. Drumherum gibt es ein Programm, mit dem wir versuchen, möglichst unterschiedliche Leute zu erreichen. Also von der Vernissage, bei der vielleicht eher kunstinteressiertes Publikum kommt, bis hin zum Speeddating mit „Fridays for Future“. Neben der ganzen finanziellen Not und den Schwierigkeiten mit Immobilien ist das ein positiver Aspekt: Wir haben ganz zentrale Gebäude im Stadtteil und mit denen kann man arbeiten.
Johannes Körber: Davon sind wir weit weg. Wir sind relativ konservativ und traditionell aufgestellt, also wenn es bei uns um eine andere Nutzung von Gebäuden geht, dann bewegen wir uns maximal außerhalb der sakralen Gebäulichkeiten, also dass zum Beispiel ein Pfarrheim anderweitig genutzt wird. In den Kirchen selbst geht es schon sehr traditionell zu. Da werden vielleicht noch kirchennahe Konzerte veranstaltet, aber dass man dort etwas inszeniert, soweit sind wir hier auf dem Land noch nicht. Ich sehe das auch kritisch. Für mich persönlich ist die Kirche ein Ort, den man nicht zu weit öffnen sollte. Sie soll ein Rückzugsort sein, der für sich selbst spricht und nicht zu sehr liberalisiert werden sollten. Ein Ort, um gedanklich für sich zu sein, sich nach außen abzuschotten. Es wird immer davon geredet, wie wichtig es ist, sich zu öffnen, das ist mir schon auch klar, aber jeder Mensch will auch seinen Rückzugsort haben und da denke ich, spielt die Kirche als Kubatur eine wichtige Rolle. Gleichzeitig besteht insbesondere nach der Pandemie ein großes Bedürfnis danach, dass Räume vorhanden sind, wo man sich treffen und Gemeinschaft gelebt werden kann. Dafür sind die Pfarrheime sehr wichtig.
Gleichzeitig müssen immer mehr Pfarrheime und andere kirchliche Räumlichkeiten geschlossen werden.
Körber: Sie sind natürlich im Unterhalt ein teurer Spaß, weil ihre Auslastung nicht so groß ist, dass man von jeder Kubatur sagen kann, sie ist es auch Wert, in dem Umfang erhalten zu bleiben. Dementsprechend begibt sich die Diözese jetzt auf den Weg, ein Gebäudekonzept zu erstellen. Weil man weiß, dass die Anzahl von Gebäuden, wie sie aktuell vorhanden ist, auf Dauer aus wirtschaftlichen Gründen nicht unterhalten werden kann. Es wird ein Ziel dieses Gebäudekonzeptes sein, eine gute Struktur für die Zukunft zu schaffen.
Was halten sie von einem solchen Konzept?
Körber: Ich finde es hilfreich. Es werden Rahmenbedingungen geschaffen für die kleinen Stiftungen vor Ort. Wir sind in Deutschland bald nicht mehr so gut aufgestellt mit der Kirchensteuer. Wenn die notwendige Grundlagenermittlung abgeschlossen ist, wird man sich auch bei uns im Seelsorgebereich über dieses Thema Gedanken machen müssen. Ich habe unterm Strich 30 Stiftungen unter meiner Verwaltung und die müssen auf ihrem Gebiet dann sehen, ob es Sinn macht, alle Gebäulichkeiten zu erhalten beziehungsweise wird sich die Frage automatisch für manche Gebäude erledigen, weil sie zu alt sind oder nicht mehr frequentiert werden.
Lechner: Wir versuchen, den Prozess von uns aus zu starten. Also wenn man sich die Entwicklung weiter anguckt in den nächsten zehn oder 20 Jahren, sowohl finanziell, aber auch, wie sich die Entwicklung der Kirchen- und Messbesucher darstellt, ist einfach klar, dass unsere vier Kirchen auf die Dauer so nicht haltbar sein werden. Da sind wir schon am Gucken, nicht nur auf unsere Pfarreiengemeinschaft zu sehen, sondern auf die ganze Stadt. Wo sehen wir die Zukunft unserer Gemeinde? Was sind unsere Wünsche, was sind unsere Bedürfnisse? Da sind wir in allen Gremien in einer Auseinandersetzung zwischen Wünschen und Notwendigkeiten. Unsere Pfarrheime, zum Beispiel, wurden zum Teil schon veräußert, aber es gab auch einen Neubau in Verbindung mit einem Hospiz. Eine unserer Kirchen hat eine Teilumnutzung, da ist jetzt das Diözesanarchiv im Hauptschiff und nur der alte Altarraum, also die Apsis, ist noch ein sakraler Raum.
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Wird am Ende die Kirche zu den Menschen kommen und nicht mehr die Menschen in die Kirche?
Lechner: Wir hatten ein Klausurwochenende genau zu dem Thema. Die Wünsche und Gedanken schwanken zwischen, dass es wichtig ist, einen zentralen Ort und Sakralbau haben, weil der einfach präsent ist. Andererseits entstehen auch in Oberhausen neue Wohnungsgebiete und es ist schwierig, eine junge Familie irgendwie zu einer Kirche am anderen Ende des Stadtteils zu bringen. Da stellt sich schon die Frage: Schaffen wir einen Ort, wo die Menschen zu uns kommen, oder ist es auch unsere Aufgabe, dort hinzugehen, wo die Menschen sind? Im Kleinen versuchen wir das schon. Wir haben schon Gottesdienste auf dem Gaswerk gemacht und die Gestaltung der Prozession oder der Messen hat sich verändert. Andererseits ist es auch schön, wenn man eine Oase oder einen kleinen Rastplatz hat, wo die Menschen kommen und zur Ruhe kommen können. Eine unserer Kirchen ist direkt neben einer der größten Entbindungskliniken Bayerns mit angeschlossener Kinderklinik. Ihr Eingang befindet sich seit kurzem direkt an unserer Kirche. Da kommen am Tag ein paar Hundert Menschen und manche von ihnen gehen bewusst in die Kirche, um zur Ruhe zu kommen oder zum Gebet oder für ihre Wünsche und Sorgen. Also ich denke, es muss in beide Richtungen gehen.
Körber: In Punkto Mobilität stellt sich die Frage auf dem Land nicht so extrem, weil wir es gewohnt sind, uns bewegen zu müssen. Für ältere Menschen ist das relevanter, weil es kein stark ausgebautes öffentliches Netz gibt. Aber klar, mit den Kirchen sind Emotionen verbunden. Man denkt an die Taufe, hat verschiedene Sakramente in den einzelnen Kirchen erhalten. Von dieser Verbundenheit werden wir niemanden lösen können und deswegen wird es immer schwer bleiben, sich von kirchlichen Immobilien zu trennen. Aber natürlich will man auch hier Kirche mal anders erleben als die Standardmesse im Sakralbau. Das reicht vielen nicht mehr aus, deswegen gehen wir auch raus, machen Outdoorgottesdienste, gehen auf den Berg, um draußen zu sein, die Natur zu erleben, im Einklang zu sein. Das wird auch bei uns auf dem Land praktiziert, die Schöpfung mit der Kirche zu verbinden. So gewinnt man auch wieder jüngere Leute. Aber meine persönliche Meinung ist, es darf nicht zum Event werden. Man kann das zusätzlich anbieten, aber wenn man nur noch Event-Gottesdienste macht, wird das die Basis schwinden lassen, das tiefste Innere wird nicht mehr gefestigt. Da muss es einen anderen Grundstock geben, als dass das Entertainment die wirkliche Glaubensvermittlung überstrahlt.
Das Interview führte Sarah Weiß.