Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Mai-Juni 2024

Katholisch in Bayern und der Welt

Einst in der KjG, jetzt Bürgermeister

An der Spitze vieler Rathäuser sowie in vielen Ratssälen finden sich Menschen, die Mitglied eines katholischen Verbands sind oder waren. Foto: Pat Christ

Erfahrungen in katholischen Verbänden helfen bei der Übernahme politischer Ämter

Sie sind Landrätin oder Bürgermeister, Stadtrat oder Gemeinderätin: Überall in Bayern bestimmen Menschen, die aus einem katholischen Verband kommen, das politische Leben mit. Einer von ihnen ist Manfred Hammer. Der Sozialdemokrat fungiert als Bürgermeister von Fürstenzell im niederbayerischen Landkreis Passau. Geprägt wurde er durch sein Engagement in der Katholischen jungen Gemeinde (KjG).

Foto: privat

Oft hört man dieser Tage, dass sich Bürgermeister ganz schön abplacken müssen. Die Bürokratie wächst. Die Bevölkerung polarisiert sich. Manchmal gibt es Querschläger aus den eigenen Reihen. Man hat mit inner-und außerparlamentarischer Opposition zu tun. Das schreckt ab, in die Politik zu gehen. Manfred Hammer jedoch klagt nicht. „Mir macht meine Tätigkeit Spaß“, sagt er, der 1990 zum ersten Mal zur Bürgermeisterwahl antrat.

Dreimal hatte er sich für die Wahl nominieren lassen. Zweimal klappte es nicht. Im März 2014 schaffte er den Sprung ins Bürgermeisteramt. Längst ist er ein routinierter Politiker. Aufgeben wäre für ihn nicht drin gewesen – was mit seinem Charakter zu tun hat, aber auch mit seiner Prägung im „rebellischen“ Jugendverband KjG: „Ich hatte meine Chancen im Wahlkampf immer richtig eingeschätzt und konnte mit meinen Niederlagen leben.“

Gespür für Menschen entwickeln

Bevor er Bürgermeister wurde, war Manfred Hammer lange Versicherungsmitarbeiter im Außendienst. Religions- oder Sozialpädagoge hätte er eigentlich gerne werden wollen. Daraus wurde nichts. Gepasst hätte es zu ihm, denn Manfred Hammer liebt den Umgang mit Menschen. Gespür für Menschen zu entwickeln, auch das hatte er bei der KjG gelernt. Als Kommunalpolitiker ist es ihm heute wichtig, sich möglichst viele Meinungen und Positionen vor anstehenden Entscheidungen anzuhören. Dies habe er ebenfalls durch sein Engagement in der KjG verinnerlicht: „Ich will mich nicht in Hinterzimmern für irgendwelche Interessen vereinnahmen lassen.“

Dass sein Curriculum Vitae von der katholischen Kirche geprägt ist, wissen nur wenige Fürstenzeller. Wäre so jemand denn nicht sonst in der CSU? Manfred Hammer schmunzelt: „Ein SPD-Bürgermeister ist in Niederbayern eine Seltenheit.“ Trotz seines christlichen Glaubens hatte er sich wegen seiner sozialen Ader bei den Sozialdemokraten stets besser aufgehoben gefühlt als bei der CSU. Aufgrund der Skandale der letzten Jahre, gibt er zu, habe er im Übrigen eine gewisse Distanz zur Kirche entwickelt: „Letztlich jedoch stehe ich zur Kirche, vor kurzem hab ich erst wieder an die Kirche gespendet.“

Schräge Aussagen

Foto: privat

Dorn im Auge war, wie vor etlichen Jahren im Röthleiner Gemeinderat über den Wunsch der KjG nach einem Jugendraum debattiert wurde. „Da wurden Aussagen getroffen, das war wirklich ärgerlich“, sagt der Katholik, der aus der KjG Heidenfeld, einem Gemeindeteil von Röthlein, stammt und lange KjG-Bezirksleiter war. Bei uns in der KjG, ging es ihm damals als junger Mensch durch den Kopf, wird eine bessere Diskussionskultur gepflegt als in diesem kommunalen Gremium.

Peter Gehring ist immer noch ein jüngerer Mann: Gerade mal 44 Jahre zählt der Bürgermeister. 2020 hatte er erfolgreich für das Amt des Gemeindeoberhaupts kandidiert. Und zwar sowohl für die ortsteilübergreifende CSU als auch für die Freie Wählergemeinschaft. Peter Gehring liebt es, im politischen Leben zu stehen. Wegen seiner Erfahrungen in der KjG fiel ihm der Einstieg ins Amt leicht.

 

Menschen, die bei der KjG sozialisiert wurden, bringen das ideale Rüstzeug für ein politisches Amt mit. Foto: Pat Christ

In der KjG lernt man, aus Verantwortung zu handeln. „Und man lernt, auf Versammlungen Anträge zu stellen und sie durchzubringen“, sagt Peter Gehring. In gewisser Hinsicht sei die Jugendarbeit auch hier der Kommunalpolitik voraus: „Tatsächlich kommen relativ wenige Anträge direkt von Gemeinderäten selbst.“

Dass Kampfwille unabdingbar ist, um politisch etwas zu erreichen, hat Peter Gehring früh in der KjG gelernt. Auch erfuhr er, dass man sich, wenn man etwas, von dem man überzeugt ist, durchsetzt, nicht unbedingt Freunde macht. Gehring denkt an einen Antrag des BDKJ in Schweinfurt an den Kreisjugendring. „Wir wollten keine Werbung eines Kernkraftwerks mehr in dem Heft, das der Jugendring herausbrachte“, so das einstige Mitglied des BDKJ-Kreisvorstands. Das sei eine ziemlich große Sache gewesen. Sogar der Schweinfurter Landrat hatte sich dazu geäußert: „Es gab Wallung.“ Doch so was müsse man aushalten.

 

Essenzielle Erfahrungen

In einem katholischen Jugendverband lernt man, dass man Niederlagen erleiden und frustriert sein und im nächsten Moment wieder Oberwasser haben kann. Diese Erfahrungen bilden ein ideales Rüstzeug für ein politisches Amt. Denn politisch aktiv zu sein, bedeutet stets, sich in einem Spannungsfeld widerstreitender Interessen zu bewegen. Das zeigt Peter Gehring an einem aktuellen Beispiel auf: „Wir erarbeiten gerade eine Gestaltungssatzung für unsere Altstadtbereiche.“ Die bisher entwickelten Ideen passen nicht jedem Hausbesitzer. Davon dürfe man sich nicht beeindrucken lassen: „Wir machen keine Politik für einzelne, sondern für die Allgemeinheit.“

Foto: privat

Eine politische Laufbahn wird oft als Ochsentour empfunden. Es kostet in der Tat Mühe, nach oben zu kommen. Doch es lohnt sich – kann man dann doch verwirklichen, was einem am Herzen liegt. Evelyne Menges, Stadträtin und Fraktionsvorsitzende der CSU in München, ist es zum Beispiel ein Herzensanliegen, die Lebenslagen obdachloser Menschen zu verbessern. Außerdem engagiert sie sich seit Jahren leidenschaftlich für Tierschutz. Ihr großer Wunsch wäre es, dass Obdachlose ihre Hunde in Kälteschutzeinrichtungen mitbringen dürften: „Denn Hunde sind für obdachlose Menschen oft die einzigen Sozialpartner.“

In seinen Beruf eingespannt zu sein und sich dann auch noch politisch zu engagieren, ist gar nicht so einfach. Evelyne Menges hat einen anspruchsvollen Beruf: Sie ist Fachanwältin für Arbeitsrecht. Trotz ihres Jobs und ihres politischen Engagements war sie vor sechs Jahren bereit, für das Amt der Diözesanvorsitzenden der Münchner Katholischen Arbeiter-Bewegung (KAB) zu kandidieren. Sie wurde gewählt. Und übte dieses Amt vier Jahre aus. In ihrem Fall war es also umgekehrt: Evelyne Menges, die seit ihrer Kindheit in klösterlichen Schulen, aber nie in einer christlichen Organisation engagiert war, gelangte durch die Politik in einen katholischen Verband. Bis heute ist sie KAB-Mitglied.

Vieles ist gerade im Wandel. Neue Themen ploppen auf. Neue Verbände formieren sich. Traditionelle katholische Organisationen bleiben gleichzeitig wichtig. Die KAB ist für Evelyne Menges ein bedeutungsvoller Verband, nachdem aktuell in der Arbeitswelt vieles im Umbruch ist.

Analoge Arbeitsplätze sind inzwischen Old Economy. Immer intensiver wird roboterisiert, was zum Abbau von Jobs führt: „Wobei es im Dienstleistungsbereich Arbeitsplätze gibt, die durch Technik nicht ersetzt werden können.“ Alles in allem bleibt die Suche nach sinnvollen Arbeitskonzepten höchst anspruchsvoll. Gut, dass viele mitdenken. In der Politik. Und Verbänden wie der KAB.


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin