Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Mai-Juni 2024

Meditation

Im Anderen die göttliche Würde erkennen

Foto: Gabriele Pinkl

Immer wieder werden wir angefragt, was den Unterschied zu unseren Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft gegenüber anderen Trägern macht. Von Kirchenleitungen, Finanzdirektoren, Bischöfen, Pfarrern, Geldgebern der Kirche, den Kirchensteuerzahlern – und von außerhalb der Kirche.

Ist es das Gebet oder regelmäßige Gottesdienste? Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die gläubige Katholikinnen und Katholiken sind, ein „einwandfreies katholisches Leben“ führen (was immer das wäre)? Ist es der finanzielle Zuschuss der Kirchen oder die finanzielle Alleinlast der Kirche, die Spenden und Kirchensteuern von denen, die Mitglieder der Kirche sind? Macht es einen Unterschied, ob Menschen für die Kirche diese Einrichtungen tragen, mit ihrer Arbeitskraft, ihrem Engagement, ihrem Da-Sein, ihrem Geld? Oder sind wir nur fordernd und lästig, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in ihrer eigenen Lebensführung dem nicht entsprechen können (oder wollen)?

Als Gottes Ebenbild

Es ist zu wünschen, dass man den Unterschied der kirchlichen Trägerschaft erkennen kann – auf den Euroscheinen steht er mit Sicherheit nicht.

Vielleicht ist es erkennbar, dass wir, die wir in kirchlichen Einrichtungen arbeiten, diese finanziell unterstützen, fest und spürbar daran glauben, dass der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen ist. Jede und jeder, die und der da betreut, begleitet, gepflegt, gebildet, beraten wird. Und auch die, die dort arbeiten.

Wenn das erkennbar wird, dann sehen alle, dass wir danach handeln, uns und andere so behandeln, als würde uns in unserem Gegenüber Gott selbst begegnen. Dann geht unser Handeln oft auch über das Menschliche hinaus: Wir erkennen im Anderen die göttliche Würde – und wir handeln danach. Das wäre dann in allem unserem Tun und Reden erkennbar, spürbar, hörbar. Wir wären noch achtsamer, noch aufmerksamer, noch liebevoller, ja auch noch kritischer darin, ob wir diesen Ansprüchen gerecht werden. Dann wären die Menschen, die mit uns und bei uns sind, nicht Problemfälle, Fallzahlen, Pflegesätze, Betreuungsschlüssel oder wie das in der Betriebswirtschaft (auch der kirchlichen) immer auch heißen mag. Dann wäre jede und jeder, für die wir da sind, ein Mensch in seiner besonderen Würde, trotz und wegen ihrer und seiner Bedürftigkeit, trotz und wegen ihrer und seiner Gebrochenheit und Zerbrochenheit. Dann würden wir so miteinander umgehen: liebevoll, helfend, unterstützend, fordernd, begleitend und darüber hinaus: im Vertrauen, dass wir Gottes Kinder – seine Ebenbilder – sind in einer einzigartigen Würde. Das gilt auch für die gesamte Schöpfung, die wir als seine Schöpfung, als seine Ebenbilder hüten und schützen dürfen.

Das würde dann nochmal anders aussehen, das wäre deutlich mehr. Daran wäre der „Mehr-Wert“ für die Gesellschaft, für die Menschen sichtbar. Und da dürfen wir uns anfragen lassen und uns immer wieder hinterfragen. Wie kann das ganz konkret aussehen bei mir, bei uns? Im Umgang mit Menschen, die straffällig wurden, die hilfs- und pflegebedürftig sind, mit ge-(zer)brochenen Lebensläufen. Bei Kindern und Jugendlichen, bei Menschen mit Behinderung, mit sozialen Auffälligkeiten. Nehmen wir sie wahr – in ihrem So-Sein als Ebenbilder Gottes – oder erst, wenn sie erwachsen sind, in ihrer vollständigen Kraft und Gesundheit, jung und leistungsfähig, funktionsfähig in unserer Gesellschaft?

Die Zusage ist: Du bist Ebenbild Gottes – jetzt bereits –, und das ist die Herausforderung an uns in kirchlicher Trägerschaft – vor Ort.

Konkret müssen wir schon werden, denn sonst sind es nur Forderungen, leere Worte und Phrasen, die uns keiner mehr abnehmen mag, nicht mal wir selbst.

Wie sieht es ganz konkret bei Ihnen aus, wenn Sie der oder dem Anderen begegnen in der Annahme, Sie begegnen Gott, dem Göttlichen, konkret im Anderen?                   


Verfasst von:

Gabriele Pinkl

Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Bistum Passau