Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Mai-Juni 2024

Interview

„Wir müssen Prioritäten setzen“

Foto: Markus Moderegger

Das Dekanat Berchtesgadener Land erarbeitet als erstes Dekanat der Erzdiözese München und Freising im Rahmen des Leitprojekts „Immobilien und Pastoral“ ein strategisches Immobilienportfolio. Dekan und Projektleiter Markus Moderegger spricht im Interview über finanzielle Realitäten, den Wert transparenter Kommunikation und seine pastorale Zukunftsvision.

Gemeinde Creativ: Warum haben Sie sich dazu entschieden, als erstes Dekanat eine Immobilienstrategie auszuarbeiten?

Markus Moderegger: Gemeinsam mit dem damaligen Dekan, Monsignore Thomas Frauenlob, den leitenden Priestern und Verwaltungsleitern hatten wir beschlossen, dass wir diesen Prozess aktiv mitgestalten wollen. Jetzt die Richtung zusammen mit dem Erzbischöflichen Ordinariat vorzugeben, ist besser, als später etwas aufgezwungen zu bekommen, das schwierig umzusetzen ist. Wir versuchen diesen Weg auch stellvertretend für alle 17 Dekanate zu gehen, die uns noch folgen werden. Ein bisschen unwohl war mir dennoch, da ich Sorge habe, was das für die Leute bedeutet. Dennoch ist es besser, sich dem zu stellen, und nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Natürlich darf man die Frage nach der Finanzierung nicht außer Acht lassen, aber sie sollte uns nicht zurückhalten. Wenn wir beim Altbekannten bleiben, wird dieses Gerüst früher oder später über uns zusammenbrechen. Das müssen wir auch den Gemeinden vermitteln.

Wie gestalten Sie diese Kommunikation?

Hierfür haben wir eine Person angestellt, die nicht hauptamtlich in der Kirche tätig ist und somit eine andere Sichtweise auf das Projekt mitbringt. Es ist wichtig, die Kommunikation bezüglich des Projekts gegenüber den Gemeindemitgliedern sowie den Haupt- und Ehrenamtlichen in der Kirche deutlich und transparent zu halten. Kirchen gehören noch immer zum prägenden Charakter vieler Ortschaften und mögliche Veränderungen in diesem Bereich sind mit mehr Emotionen verbunden als zum Beispiel in städtischen Regionen. In den Pfarrgemeinden und Kirchenverwaltungen muss das Bewusstsein geschaffen werden, dass sie ein Teil dieses Projekts sind. Die pastoralen Gebäude gehören ihnen und so ist es auch ihre Aufgabe, die Entscheidungen in diesem Prozess zu treffen.

Um welche Gebäulichkeiten geht es bei Ihnen konkret?

In unserer Region wird es hauptsächlich um Kirchen und Pfarrheime gehen. Da jedoch viele Kirchen sehr bekannt und zudem auch unter Denkmalschutz stehen, bin ich davon überzeugt, dass es möglich ist, diese vollständig erhalten zu können. Bei den Pfarrheimen sieht dies jedoch ein wenig anders aus. In den vergangenen Jahren wurden die einzelnen Pfarrgemeinden zu Pfarrverbänden zusammengeführt, dennoch hatte weiterhin jede Gemeinde ihr eigenes Pfarrheim. Im Zuge dessen stellt sich nun die Frage, ob das weiterhin notwendig ist. Bisher bestehen für eventuelle Aufgaben der Räumlichkeiten noch keine alternativen Nutzungs- und Finanzierungsmöglichkeiten.

Welche Rolle spielen ökologische Aspekte für Ihre Entscheidungen?

Bisher wurden die Gebäude nicht nach ökologischen Maßstäben betrachtet. Sie waren da und man hat sie genutzt, ohne weiter darüber nachzudenken. Ein Aspekt des Projekts ist es, Gebäude anders oder zusammen mit anderen zu nutzen. Damit dies passieren kann, ist es jedoch notwendig, die Energieeffizienz der Bauwerke nachzuweisen. Die Pfarrei St. Zeno beispielsweise befindet sich in einem denkmalgeschützten Gebäude aus dem 16. Jahrhundert. Hier gestaltet es sich definitiv schwieriger, das Gebäude energieeffizienter umzubauen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Untersuchungen, die man für den Nachweis benötigt, flächendeckend durchgeführt werden können und wer das finanziert. Das kann nicht im Rahmen des Pilotprojekts abgedeckt werden.

Wo stehen Sie mit dem strategischen Gebäudeportfolio, um das es im Projekt geht?

Wir werden zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Erzdiözese die Faktoren abstecken, die wir benötigen, um ein Gebäude zu bewerten. Auf Basis dieser Punkte wird dann das Portfolio erstellt.

Das Projekt heißt „Immobilien und Pastoral“, aber ich denke immer wieder, dass „Pastoral und Immobilien“ besser gepasst hätte. Während des gesamten Prozesses kann nicht einfach eine bestimmte Anzahl von Gebäuden weggenommen werden, sondern man muss dies auf Basis der pastoralen Arbeit entscheiden. An erster Stelle steht also die Überlegung, was wir in Zukunft leisten wollen und welche beziehungsweise wie viele Gebäude dafür benötigt werden. Nachdem diese Überlegungen abgeschlossen sind, geht es daran, anhand der Faktoren die Gebäude zu beurteilen. Wir müssen Prioritäten setzen und uns entscheiden, was wir erhalten können.

Es wäre falsch, zu sagen, dass die Kirche kein Geld hat. Dennoch decken, gerade mit Blick auf die kommenden Jahre, die Einnahmen nicht mehr die Ausgaben. Viele der Gebäude kommen in die Jahre und müssen restauriert werden und bei 4.000 Stück in der Diözese kommen da ganz schön hohe Kosten auf uns zu. Wie soll das finanziert werden?

Haben Sie eine Vision davon, wie Ihr künftiges pastorales Leben aussehen soll?

Bei der Zukunft des pastoralen Lebens ist erstmal an den Stellen anzusetzen, die wir als Kirche auf alle Fälle erfüllen sollen. Dazu zählt im ersten Schritt die Feier der Liturgie, die Feier der Verkündigung.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Diakonie und hier lautet die Frage: Wie werden wir in dem Bereich tätig, in dem die Kirche Nächstenliebe zeigt? Wie schaffe ich Räume, in denen sich zum Beispiel Seniorinnen und Senioren treffen können, die sonst keine Möglichkeiten dafür haben? Diese Überlegungen sollten sich auf alle Fälle im pastoralen Konzept niederschlagen.

Sie kommen aus dem Bereich Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Hilft das?

Während meiner Arbeit in der Steuerkanzlei ging es viel darum, wie man Steuern sparen kann und so mussten wir auf die Rechnungen immer schreiben: „Wenn Sie Steuern sparen wollen, können Sie das, indem Sie aus der Kirche austreten.“ So war es für mich damals bereits absehbar, was nun verstärkter auftritt: Es gehen immer weniger Kirchensteuern ein. Wenn sich der Prozess weiter fortsetzt, fehlen massive Rücklagen und so ist es umso wichtiger, jetzt aktiv zu werden. Das Volk Israel ist durch die Wüste gelaufen und so bin ich mir, trotz der starken Veränderung, sicher, dass wir auch diese schwierigen Zeiten meistern werden.

Mit diesem Hintergrund ist es besonders relevant, dass das Projekt auf einer doppelten Leitung aufgebaut ist: Manfred Weber, der für das operative Geschäft zuständig ist, und ich, der diesen Prozess als Dekan seelsorgerisch begleiten darf. Diese Aufgabe ist für mich besonders wichtig, da wir uns im Laufe dieses Prozesses von Dingen verabschieden und es so auch um eine Art von Trauerpastoral geht.

Mehr Infos zur Immobilienpastoral finden Sie hier.

Markus Moderegger wurde 1970 geboren und wuchs in Winkl auf. Nach seinem Realschulabschluss begann er eine Ausbildung zum Fachgehilfen im steuer- und wirtschaftsberatenden Beruf in Bad Reichenhall. Gleichzeitig reifte der Wunsch, Priester zu werden. 2003 feierte er Primiz, nachdem er in Freising zum Priester geweiht worden war. Parallel dazu bildete er sich im Bereich Steuern und wirtschaftliche Belange von Vereinen und Stiftungen fort. Zum 1. Februar 2018 wurde er Leiter der Katholischen Stadtkirche Bad Reichenhall und übernahm im Januar 2024 das Amt des Dekans im neuen Dekanat Berchtesgadener Land.

 


Verfasst von:

Sarah Weiß

Freie Autorin