Ausgabe: Juli-August 2024
Schwerpunkt - Vor OrtAls Pfarrer unter den „harten Jungs“
„Passen Seelsorge und Heavy Metal zusammen?“ Viele würden diese Frage wohl eher mit „Nein“ beantworten. Dass es aber hier zu fruchtbaren Begegnungen und einem bereichernden Austausch auf beiden Seiten kommen kann, beweist ein entsprechendes Angebot im Rahmen des jährlichen Summer-Breeze-Festivals in Dinkelsbühl.
In Dinkelsbühl existiert seit einigen Jahren ein besonderes Seelsorgeangebot, welches größtenteils von ehrenamtlicher Seite ausgeübt wird und speziell für das auf dieser Veranstaltung anwesenden Klientel zugeschnitten ist. So wird beispielsweise zum einen darauf geachtet, dass Vertreter möglichst vieler konfessioneller Gruppen und Glaubensgemeinschaften an diesem Projekt beteiligt sind, um hier eine möglichst breite Abdeckung unterschiedlicher spiritueller Bedürfnisse zu garantieren. So finden sich unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowohl pastorale Fachkräfte aus den beiden christlichen Kirchen, islamische Imame als auch Ansprechpersonen, die humanistisch geprägt sind.
Vom verlorenen Geldbeutel zum Trauergespräch
So unterschiedlich und heterogen sich das Team gestaltet, so verschieden und individuell sind die Anliegen, mit welchen die Besucherschaft dieses dann auch aufsucht, und so reichen die Themenfelder vom verlorenen Geldbeutel, über aktuelle Beziehungsprobleme bis hin zu Todesmeldungen von Angehörigen, welche die Betreffenden auf dem Festival ereilen. Gar nicht selten ist es aber auch der Fall, dass Fragen gestellt werden, welche religiös oder/und geistig motiviert sind und gerade hier ist oft eine tiefe Sehnsucht und ein echtes Interesse an entsprechenden Antworten zu erkennen. Besonders bemerkenswert ist jener Umstand vor allem deshalb, weil ja das Musikgenre des Heavy Metals eher nicht dafür bekannt ist, spirituelle Botschaften zu vermitteln. Aber gerade hier lohnt sich im wahrsten Sinne des Wortes ein zweiter Blick, beziehungsweise ein zweites Hören, um zu erkennen, dass auch hier Künstlerinnen und Künstler zu finden sind, welche sich sehr wohl religiösen Thematiken im positiven Sinn verschrieben haben.
Fürsorge und Zusammenarbeit
stets ein offenes Ohr zu haben, um so das Grundgebot der Nächstenliebe praktisch und konkret zu praktizieren, ohne dabei auf die äußere Erscheinungsform der Personen zu achten. So wurde die zentral am Eingang gelegene Anlaufstelle bewusst als „Awareness Tent“ bezeichnet, um damit zu unterstreichen, dass es vor allem um Fürsorge gehen soll. Leider kommt es, wenn auch nur sehr vereinzelt, immer wieder zu Zwischenfällen, welche im Bereich der sexuellen Belästigung oder Nötigung anzusiedeln sind. Hierbei ist es von großer Wichtigkeit, dass die Zusammenarbeit mit anderen, sich auf dem Festival befindlichen Institutionen wie Polizei oder Rettungskräfte reibungslos funktioniert und so werden bereits im Vorfeld entsprechende Einsatzgespräche durchgeführt. Nach meinen beiden „Einsätzen“ 2022/23 im Awareness-Team blicke ich dankbar auf diese Zeit zurück, da ich in dieser sowohl wertvolle Erfahrungen, die eigene spirituelle Entwicklung betreffend, gewinnen durfte, und zum anderen wirklich den Eindruck hatte, Menschen in den unterschiedlichsten Notlagen und Lebenssituationen in konkreter Weise beistehen zu dürfen. Und schließlich bestätigt sich gerade im Rahmen dieser Tätigkeit der eigentlich schon bekannte Sachverhalt, nach dessen der äußere Schein oft trügen kann.
Verfasst von:
Bernd Udo Rochna
Jugendpfarrer und Leiter der Katholischen Jugendstelle Donauwörth und Diözesanseelsorger der KLJB-Augsburg