Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Juli-August 2024

Editorial

Hast du noch Töne?

Foto: UHDHDR / Adobe stock

Liebe Leserin, lieber Leser,

die meisten von Ihnen werden sich schon einmal – rhetorisch – gefragt haben: „Hast du noch Töne?“ Es ist der Versuch, ein Kopfschütteln angesichts bestimmter Situationen in Worte zu fassen. Meist ist es eine Situation, die einem nicht nur die Sprache, sondern auch alle Töne verschlägt. Dabei ist Musik eine Sprache, die universal ist und die „das ausdrückt, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist“, wie es Victor Hugo formuliert hat. Fehlen die Töne, fehlt vieles. Die bedrückende Stille in Giuseppe Verdis Requiem ist interpretierbar als der Tod Gottes, die Stille des Karfreitags. Demgegenüber steht der Moment aus Joseph Haydns „Die Schöpfung“, als es Licht wurde: ein strahlender C-Dur-Akkord – der wohl berühmteste Akkord der Musikgeschichte.

„Musik“ ist zunächst ein formaler Begriff, den jede und jeder mit den eigenen Tönen und Rhythmen füllt. Weit ab von einer Ansammlung von Tönen ist sie Ausdruck unserer tiefsten Emotionen und Gedanken. Sie ist ein integraler Bestandteil unserer Kultur, unseres Glaubens und unseres täglichen Lebens. In der Gemeinschaft erleben wir, wie Musik Brücken schlägt – zwischen Generationen, Kulturen und sozialen Schichten. In Zeiten der Freude wie in Zeiten der Trauer bietet sie Trost und Ermutigung. In unserem überregulierten Alltag bieten Konzerte und tagelange Festivals eigene Räume mit eigenen Regeln. Vieles ist erlaubt, was am Münchner Marienplatz weniger gern gesehen wäre. Große Mythologien werden besungen, Trennungsschmerz, Tod und Liebe. Die großen Fragen des Lebens finden ihren Ausdruck, Trauer wird verarbeitet, die leisen Zwischentöne werden endlich gehört. Davon berichten in diesem Heft im Interview eine Religionswissenschaftlerin und die Festivalseelsorge.

Kinder und Jugendliche, die ein Instrument lernen oder in einem Chor singen, entwickeln nicht nur musikalische Fähigkeiten, sondern auch soziale Kompetenzen. Sie lernen, aufeinander zu hören, im Team zu arbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen.

In der Musiktherapie finden Menschen, die mit psychischen oder physischen Herausforderungen kämpfen, Unterstützung und Trost. Das Hören oder Spielen von Musik kann Stress reduzieren, Schmerzen lindern und das allgemeine Wohlbefinden steigern.

Neue Formate wie virtuelle Konzerte, Online-Chorproben und die Arbeit mit Musikvideos werden in Zukunft auch eine Rolle spielen.

In dieser Ausgabe möchten wir nicht nur über die Bedeutung der Musik sprechen, sondern auch konkrete Beispiele vorstellen. Wir werden Berichte über erfolgreiche Musikprojekte präsentieren und Tipps geben, wie jeder von uns Musik in sein (Gemeinde-)Leben integrieren kann.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude beim Lesen und Erleben der musikalischen Vielfalt in unserem Magazin. Mögen Ihnen die Töne niemals ausgehen.

 

 

Hannes Bräutigam, Redaktionsleiter


Verfasst von:

Hannes Bräutigam

Redaktionsleiter