Ausgabe: Juli-August 2024
Schwerpunkt - Vor OrtMusik für benachteiligte Kinder und Jugendliche
Beatbag oder der Rucksack für Rap und Gesang
Die Idee für ein Projekt, bei dem professionelle Musiker finanziell, sozial, gesellschaftlich oder anderweitig benachteiligten Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben Musik zu machen, eigene Songs zu schreiben oder Beats „zu basteln“ schlummerte schon länger in Konstantin Molodovskys Kopf. Er studiert soziale Arbeit und steht mit seiner eigenen Musik seit Jahren auf unterschiedlichsten Bühnen. Als im Mai 2022 dann die Möglichkeit entstand, genau das mithilfe der finanziellen Förderung durch die gemeinnützige Familienstiftung „Chancen für Kinder“, die sich auf die Kinder- und Jugendhilfe spezialisiert hat, möglich zu machen, stand der Umsetzung des Projekts nichts mehr im Wege. Gemeinsam mit der Singer-Songwriterin Sarah Sophie (Sarah-Sophie Jakubsche) und César Jara, Musiker und Student für Musikwissenschaften, erarbeitete Molodovsky ein genaues Konzept. Jara, der ursprünglich aus Ecuador kommt, übernahm die Projektleitung und kümmert sich seitdem auch um den Kontakt und die Terminvereinbarungen mit den Jugendeinrichtungen.
Im späteren Verlauf stieß auch noch Alexander Schweinhuber, Student der sozialen Arbeit und Musiker, zuerst durch ein Praktikum dazu und stieg dann fest mit ins Projekt ein.
ALLES FÜR PROFESSIONELLE AUFNAHMEN
Die Grundausrüstung von Beatbag, wie der Name schon selbst verrät, ist ein Rucksack, in dem man alles für professionelle Aufnahmen von Rap oder Gesang bzw. für Beats-Producing findet. Das Equipment besteht aus einem Laptop, Boxen, Mikros, Kopfhörern und einem Programm, das aus einer Sammlung hochwertiger Kreativwerkzeuge für die professionelle Erstellung von Songs und Beats sowie zum Bearbeiten und Mixen von Audioinhalten, besteht.
Das Besondere an Beatbag ist, dass es für die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen komplett kostenfrei ist.
Das Team arbeitet momentan in verschiedenen Jugendeinrichtungen in und um München. Hierbei handelt es sich z.B. um Jugendzentren, therapeutische Wohngruppen, Mittelschulen in Problemvierteln oder Förderzentren. In manchen Einrichtungen findet das Angebot wöchentlich statt, in anderen 1-2 mal im Monat. Das hängt sehr vom Interesse der Jugendlichen und auch vom Förderbedarf vor Ort ab, aber natürlich auch von den Kapazitäten des Beatbag-Teams.
Beim jeweils ersten Treffen in den Einrichtungen findet eine Art „Kennenlernen“ statt. Das Team erzählt erst einmal vom Projekt und den Möglichkeiten und stellt sich selber vor. Danach dürfen die Kinder und Jugendlichen von sich erzählen. Ob sie schon Erfahrungen im Musikbereich haben, ein Instrument spielen, Texte schreiben oder ähnliches bzw. welche Interessen sie haben, was sie gerne lernen oder ausprobieren wollen. Talent und musikalische Vorerfahrungen sind natürlich willkommen, aber keine Voraussetzung. Das einzige, was für die Teilnahme relevant ist: Lust auf Musik. Das Team um Beatbag hat sich ganz bewusst dafür entschieden, dass sie nur mit Kindern und Jugendlichen arbeiten wollen, die Lust auf das Projekt haben.
Wenn sich beim ersten Treffen herauskristallisiert hat, wer was machen oder ausprobieren will, werden verschiedene Gruppen gebildet. Und dann wird auch schon losgelegt. Es werden Instrumente ausprobiert, Songs gecovered und aufgenommen oder mit Mikro und einer Gesangsanlage gesungen. Es werden Beats gebaut, eigene Texte geschrieben oder eigene Musik komponiert. Im Vordergrund soll der Spaß am gemeinsamen Arbeiten liegen, sich ausprobieren zu können und wenn möglich am Ende der Session direkt ein Ergebnis zu erzielen und vielleicht die erste eigene professionelle Aufnahme von sich mit nach Hause zu nehmen. Diese direkten Erfolgserlebnisse motivieren und bestärken die Jugendlichen und wecken die Lust beim nächsten Mal wieder teilzunehmen.
Aber auch die Zeit für den gemeinsamen Austausch ist wichtig.
Viele Jugendliche verarbeiten in ihren Texten und Musikstücken ihre eigenen Probleme und Erfahrungen. Da ist eine intensive Beziehungsarbeit wichtig, damit ein Vertrauensverhältnis entsteht und die Teilnehmenden den Raum und das nötige Vertrauen haben, sich zu öffnen und ihre Geschichten zu teilen.
MUSIK ALS REFLEXION
Einmal wöchentlich ist das Beatbag-Team beispielsweise in einer therapeutischen Wohngruppe für Jugendliche. Viele der jungen Menschen, die dort leben, kommen aus schwierigen sozialen Verhältnissen, haben psychische Probleme, eine Drogenvergangenheit oder ähnliches. Da gibt es dann viel aufzuarbeiten und die Musik ist eine Art Ventil, um die eigenen Gefühle herauszulassen und bei der Reflexion der eigenen Geschichte zu unterstützen. Oft entstehen aber genau in diesen herausfordernden Lebenssituationen der Jugendlichen die berührendsten musikalischen Werke und auch wertvolle und unterstützende Beziehungen zwischen den Teilnehmenden und dem Team. Die Beatbag-Sessions sind für viele wie eine Art guter Freund, mit dem man das eigene Leid teilt und der ein Stück des eigenen Lebensweges mit einem geht.
Homepage des Projekts: https://beatbag.org