Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Juli-August 2024

Ökumene

Vom Glück, auf der Bühne zu stehen

“Mosaik“ bei einem seiner zahlreichen Auftritte in Würzburg. Foto: Pat Christ

Viele Musikprojekte in Bayern sprengen soziale, kulturelle und religiöse Grenzen

In ökumenischen Chören singt der Katholik neben der Protestantin. In inklusiven Bands spielt ein kognitiv beeinträchtigter Mensch Gitarre, während neben ihm jemand ohne Handicap auf die Drums schlägt. In solidarischen Musikschulen erhalten geflüchtete Teenager die Chance, ein Instrument zu erlernen. Immer mehr Musikprojekte sprengen Grenzen. Ein Beispiel von vielen ist „Mosaik“.

Die inklusive Musikgruppe aus Würzburg möchte mit dem, was sie tut, keiner berühmten Band nacheifern. „Mosaik“ ist einzigartig. Frontsänger Christian Schmitt zum Beispiel sitzt im Rollstuhl und hat, wie auch seine Bandkollegen Bruce Gardener, Manuel Veitz und Freddy Calloway, eine kognitive Behinderung. Daneben gibt es drei Musiker ohne Handicap: Antje Arlt, Rainer Kraus und Martin Tomaschewski.

Die Band ist durch und durch inklusiv, wobei „Inklusion“ nicht das Grundthema ist. Man trifft sich, um zu musizieren. Dass man dies inklusiv tut, ist derart selbstverständlich, dass es nie thematisiert wird. Geprobt wird zweimal im Monat am Abend nach der Arbeit in den Mainfränkischen Werkstätten. Das Repertoire umfasst 40 Songs. Mehr als zwei Drittel sind selbst geschrieben. Das geschieht in Teamwork. Völlige Gleichberechtigung ist selbstverständlich. „Die Inspiration für unseren Song ‚Glückskind‘ zum Beispiel stammt von unserem Sänger Christian“, erzählt Bandleiterin Antje Arlt. Der berichtete einmal von allem, was ihn glücklich macht. Zum Beispiel, auf der Bühne zu stehen. Und überhaupt: Eine Band zu haben. Weil ihn so viel glücklich macht, sieht sich der Rollifahrer selbst als „Glückskind“ an.

Bandleiterin Antje Arlt frappierte schon manches Mal, wenn sie von „ihren“ Band-Jungs berichtete. Ein Instrument zu erlernen, gilt als ziemlich schwer. Kann man das mit geistigem Handicap? „Aber klar!“, lacht die Musikerin. In vielen Förderschulen würden Kinder mit Handicap an Musik herangeführt. Die Eltern eines früheren „Mosaik“-Keyboarders, ebenfalls ein Mensch mit geistigem Handicap, sorgten sogar dafür, dass der von klein auf musikalischen Einzelunterricht erhielt.

Nicht mehr losgelassen

2010 ging „Mosaik“ aus einem Casting in den Mainfränkischen Werkstätten hervor. In der Jury saß die unterfränkische Tonkünstlerin Steffi List. Aus der damaligen Initiative, so Antje Arlt, wurde ein festes Projekt: „Wir wollten die Talente, die wir entdeckt hatten, nicht mehr loslassen.“ Viele Fans kommen inzwischen zusammen, tritt die Band auf. Das wird 2024 bis zu 15-mal geschehen. Auch in München war „Mosaik“ schon zu hören: „Zum Beispiel bei der Landesregierung.“ Antje Arlt freut besonders, dass die Band auf immer mehr „ganz normalen“ Festivals wie dem „Umsonst & draußen“ in Würzburg auftreten kann: „Das wird immer besser.“ Und noch etwas findet sie fantastisch: Es gibt seit einiger Zeit sieben junge Leute, die sich, weil sie für „Mosaik“ brennen, ehrenamtlich um die Technik und den Aufbau vor den Auftritten kümmern.

Solidarischer Musikschulverein

Sein Heimatland zu verlassen, bedeutet immer einen Cut. Man verliert Freunde. Vertraute Orte. Und es kommt zu Brüchen in der musikalischen Entwicklung. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die aus Kriegsgebieten nach Würzburg flüchteten, erhalten seit zehn Jahren bei „Willkommen mit Musik“ (WiMu) eine neue musikalische Heimat. Der solidarische Musikschulverein, der sich 2016 über eine Prämierung mit der Würzburger Kulturmedaille freuen durfte, richtet sich aber auch an deutsche Kinder aus armen Familien. Und darüber hinaus an alle, die ein Musikinstrument oder das Singen lernen möchten.

Was Musikschulen generell anbelangt, ist es im Grunde nicht allzu wichtig, nach welchen Methoden die Lehrkräfte arbeiten. Das Wichtigste ist, wie intensiv auf die Schüler eingegangen wird. Die Musiklehrer von WiMu wissen, dass viele ihrer Schüler Schreckliches erlebt haben. Kultursensibilität zählt mit zur wichtigsten Leitlinie für das Verhalten im Unterricht. 119 Schüler aus den unterschiedlichsten Nationen werden im Augenblick unterrichtet. „30 Prozent der Unterrichtsentgelte sind durch unser Solidarsystem gefördert, zum Teil komplett“, berichtet Jazzmusiker Jonas Hermes, auf den die Initiative zurückgeht.

Zehn Jahre WiMu – Chapeau! Dass es die Musiker um Jonas Hermes sei 2014 schaffen, Kinder aus Familien, die sich keinen regulären Musikunterricht leisten können, zu fördern, stößt weithin auf Anerkennung. Viele Einrichtungen in Würzburg kooperieren mit dem Musikschulverein. Dadurch werden zusätzlich meist zirka 200 Kinder und Jugendliche pro Woche erreicht. Dank WiMu gibt es zum Beispiel in der Würzburger Kolpingschule eine Schulband. Stark unterstützt wird die grenzüberschreitende Musikinitiative von den Würzburger Erlöserschwestern, so Jonas Hermes: „Die vermieten uns das schöne Haus, in dem wir musizieren und uns treffen, sehr günstig.“

Sophie Lefeber von WiMu gibt einer jungen Frau Gesangsunterricht. Foto: Pat Christ

Wie faszinierend es ist, zum Beispiel Kinder aus östlichen oder afrikanischen Ländern kennen zu lernen, davon berichtet WiMu-Gesangslehrerin Sophia Lefeber. Seit 2015 engagiert sie sich für den Solidarischen Musikschulverein: „Ich tue das, weil ich es eine super Idee finde, geflüchteten Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu finanziertem Musikunterricht zu bieten.” Durch ihre Schüler lernt Sofia Lefeber Musikstücke kennen, mit denen sie wahrscheinlich sonst nie in Kontakt gekommen wäre: „Wir singen zum Beispiel armenische oder syrische Lieder.” Ungeheuer interessant ist für sie, dass Vokale in diesen Sprachen völlig anders klingen als im Deutschen.

Es wäre ein Jammer, wenn es WiMu nicht mehr gäbe. Darüber sind sich viele einig. Über mangelnde Nachfrage kann sich die Initiative auch nicht beklagen. „Wir bekommen jeden Monat zwischen 8 und 15 Anfragen”, sagt Jonas Hermes. Die Anfragen nach gefördertem Unterricht konnten in diesem Kalenderjahr allerdings noch nicht endgültig bearbeitet werden: „Da fehlen einfach momentan die finanziellen Mittel.” WiMu wirbt ständig um Spenden. Damit noch mehr Kinder und Jugendliche aus armen oder geflüchteten Familien ein Instrument lernen können.

Ökumenischer Gospelchor

Im bayerisch-schwäbischen Krumbach gibt es mit „Maybe“ einen ökumenischen, altersübergreifenden Gospelchor. Anlass, die Gruppe zu gründen, war 1987 der tragische Unfall des kleinen Timo, der gerne neue geistliche Lieder sang. Seine Eltern gründeten „Maybe“ als musikalisches Vermächtnis. Sie richteten einen Proberaum ein und schafften die notwendige Technik an. Seitdem leitet Jürgen Groß die heute 50-köpfige Gruppe. Die Sänger können laut Jürgen Groß auf etliche Highlights zurückblicken. So ging es kurz nach der Gründung der Singgruppe nach Torgau in die ehemalige DDR. „Maybe“ trat bei den evangelischen Kirchentagen in Stuttgart und München auf. Im katholischen Gemeindehaus St. Michael in Krumbach wurde mit „Gospel & Wein“ eine „etwas andere“ Konzertform präsentiert.

„Himmlische Botschaft – Magischer Schein“ lautete der Titel einer “Maybe”-Veranstaltung mit Liedern und Gedanken zur Adventszeit Ende 2022 in St. Michael. Unvergessen bleibt außerdem die Chorbearbeitung „Sonnengesang“ über das Leben des Franz von Assisi. Gottesdienste, die von „Maybe“ musikalisch gestaltet werden, finden laut Jürgen Groß „stets enormen Zuspruch“.

 


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin