Ausgabe: September-Oktober 2024
EditorialEine Orientierung geben
Liebe Leserin, lieber Leser,
gottseidank wird es immer seltener, dass Vögel für private Zwecke in Käfigen gehalten werden. Ihr Wesen ist es in der Regel, zu fliegen. Waren sie lange in Käfighaltung und werden frei gelassen, setzen sie sich manchmal direkt wieder auf den Käfig, etwas perplex ob der neuen Möglichkeiten, die ihnen in allen Himmelsrichtungen offenstehen. Sie orientieren sich neu. Eine freiheitlich demokratische Staatsform eröffnet Räume. Räume, sich zu entfalten, möglichst unabhängig von den Zufälligkeiten der eigenen Geburt.
Viele sind in demokratischen Verhältnissen aufgewachsen, die selbstverständlich waren. Demokratie wurde „konsumiert“. Nun wird immer deutlicher, dass eine reine Konsumentenhaltung nicht mehr ausreicht.
Eine freiheitlich-demokratische Grundordnung braucht verstärkt aktive menschliche Stützpfeiler, die die demokratischen Werte hochhalten, damit Menschen ihre Persönlichkeit entfalten können. Hier kann die Kirche durch ihre Botschaften, ihre Bildungsangebote, Räume für Dialog und ihre Aktivitäten, Orientierung und Unterstützung bieten.
Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe betonen, dass Demokratie eine Kultur benötigt, die tief im vorpolitischen Raum verankert ist. Sie heben hervor, dass die Prinzipien der katholischen Soziallehre – Personalität, Subsidiarität, Solidarität und Nachhaltigkeit – wichtige Grundlagen für ein funktionierendes Gemeinwesen sind. Diese Prinzipien bieten Orientierung, um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Die Bedeutung der Menschenwürde ist ein zentraler Wert, der Staat und Kirche verbindet.
Diese Ausgabe zeigt, wie neue Denkansätze kreative Lösungen finden können. Dies erfordert den Mut, festgefahrene Denkmuster zu durchbrechen und neue Wege zu beschreiten. Kirche soll als soziale Instanz zur Förderung einer lebendigen demokratischen Kultur beitragen.
Gerade vor Ort ist jedoch die Umsetzung von politischem Engagement problematisch. Keiner will Unfrieden durch Widerspruch stiften oder gar für eine Spaltung der Pfarrgemeinde mitverantwortlich sein. Doch das wissen Rechtspopulisten auch und machen es sich zunutze, um an der Grenze zwischen Schweigen und Widerspruch ihre eigenen Botschaften zu senden. Auf den folgenden Seiten werden auch diese „Fälle“ besprochen. Vorneweg: am Widerspruch gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Demokratiefeindlichkeit führt kein Weg vorbei. Möge Ihnen dieses Heft dabei eine Unterstützung sein.
Viel Freude beim Lesen und gute Anregungen für Ihre kirchliche Arbeit wünscht Ihnen
Redaktionsleiter