Ausgabe: September-Oktober 2024
Schwerpunkt - Vor OrtWerkstätten der Demokratie
Jugendverbände: Handwerk und Ermutigung
Mit der Demokratie verhält es sich in gewisser Hinsicht wie mit einem Haus. Um sie zu errichten, braucht es das optimale Zusammenwirken verschiedener Gewerke. Um sie zu erhalten, zumindest handwerkliches Geschick. Dieses Geschick den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes zu vermitteln, ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und es ist auch eine Aufgabe, der sich die Jugendverbände angenommen haben. Denn nicht umsonst verstehen sie sich als „Werkstätten der Demokratie“.
Demokratiebildung in Jugendverbänden fängt daher schon dort an, wo sie nicht explizit, sondern implizit geschieht. Denn Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Möglichkeit zu geben, sich in demokratische Prozesse einbringen, gehört zur DNA der Jugendarbeit. Die katholischen Jugendverbände verfolgen daher das Prinzip „erlernen durch Erleben“. Die Demokratiebildung in Jugendverbänden kennt kein Buckeln von Gesetzgebungsverfahrensschemata, keine theoriegetriebene Paragraphenschlacht und keine soziographische Wahlanalyse.
Ausgewogenen Konsens gestalten
In den katholischen Jugendverbänden werden junge Menschen ermutigt, sich einzubringen, sich selbst an Demokratie auszuprobieren – und so zu überzeugten und mündigen Demokratinnen und Demokraten zu werden. Denn wenn Jugendliche im Rahmen ihrer Gruppenstunde über das Ziel der nächsten internationalen Jugendbegegnung beraten und diese Entscheidung einstimmig fallen muss, dann lernen sie nicht weniger, als den Prozess eines ausgewogenen Konsens zu gestalten.
Wenn Kinder im Rahmen der jährlichen Vollversammlung ihrer örtlichen Jugendverbandsgliederung sich mittels Anträgen in die Gestaltung ihres Jugendraums einbringen, dann lernen sie nicht weniger als rhetorisches Geschick, argumentative Logik und entschiedenes und konsequentes Auftreten. Und wenn dieselben Kinder dann herausfinden, dass – wie beispielsweise bei der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) – die Kinder und Jugendlichen qua Satzung in dieser Versammlung mehr Stimmen als die Jugendleiterinnen und -leiter haben, dann lernen sie nicht weniger als das Lesen und effektive Anwenden der Grundregeln dieses demokratischen Zusammenlebens – und können durch aktives Handeln ihren persönlichen Nahraum mitgestalten und so politische Selbstwirksamkeitserfahrungen machen.
Modelle repräsentativer Demokratie
Jugendverbände sind aber auch außerhalb ihres Kerngeschäfts Werkstätten der Demokratie. Die katholischen Jugendverbände sind in sich und über ihren Dachverband – den BDKJ – von der Ortsebene bis zur Bundesebene in zahlreichen Gliederungen organisiert. Bei all diesen Gliederung handelt es sich um Modelle repräsentativer Demokratie, bei denen Vertreterinnen und Vertreter der jeweils vorhergegangenen Ebene die jeweiligen Interessen auf der nächsthöheren Ebene einbringen.
Darüber hinaus bieten viele katholische Jugendverbände auf verschiedenen Ebenen Maßnahmen der expliziten Demokratiebildung an. So organisieren die Landesverbände der Kolpingjugend und der Katholischen Landjugendbewegung in Bayern regelmäßig das Format „Landtag live“, bei dem Verbandsmitglieder eine Woche Abgeordnete im Bayerischen Landtag begleiten – und so den politischen Prozess unmittelbar erleben und lernen, wie Politik im Parlament gestaltet wird. Ein weiteres Beispiel ist der bundesweite Kinder- und Jugendgipfel „Lautstark!“ der Katholischen junge Gemeinde, der im Oktober in Würzburg stattfindet. Hier lernen junge Menschen wie sie ihre Anliegen in die demokratische Prozesse einbringen können.
Die katholischen Jugendverbände sind also in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen und Formaten immer Werkstätten der Demokratie. Natürlich können sie das Haus dieser Demokratie nicht alleine zusammenhalten. Sie vermitteln ihren Mitgliedern aber das nötige handwerkliche Können und Geschick, um ihren Beitrag zur Instandhaltung zu leisten.