Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: November-Dezember 2024

Ökumene

An der Basis läuft es toll

Im ökumenischen Kirchenladen “Sinnschätze“ ist jeder willkommen, der für einen Augenblick aus der Hektik das Stadtlebens aussteigen oder mit jemandem reden möchte. Foto: Pat Christ

Seit 15 Jahren gibt es in Aschaffenburg den ökumenischen Kirchenladen „Sinnschätze”

Machtgebaren, Mitgliederverlust, Nachwuchssorgen – es gibt eine Menge, womit sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche gerade zu kämpfen hat. Wie ähnlich die Probleme sind, erfährt Gemeindereferentin Eva Meder-Thünemann durch ein ökumenisches Projekt, das heuer 15-jähriges Bestehen feiern konnte. „Sinnschätze” nennt es sich. Dabei handelt es sich um einen ökumenischen Kirchenladen in Aschaffenburg, den die Katholikin zusammen mit Pfarrerin Ulrike Gitter leitet.

Es fällt schwer, ausgetretene Pfade zu verlassen, es fällt schwer, sich einer Idee zu öffnen, die das, was bisher war, über den Haufen wirft. Vielleicht liegt es daran, dass es in der katholischen Kirche so lange mit der Frauenordination dauert. Seitdem sie so eng mit einer evangelischen Pfarrerin kooperiert, versteht Eva Meder-Thünemann weniger denn je, dass sich die Idee „Frauen als Priesterinnen“ in ihrer eigenen Kirche so schwer durchsetzt. „Ich habe von Ulrike Gitter allerdings auch erfahren, dass es für sie anfangs kein Zuckerschlecken war, sich als Pfarrerin in ihrer Kirche zu behaupten“, sagt die Gemeindereferentin.

Unabhängig von dem, was oben an den Kirchenspitzen passiert: Unten an der Basis läuft es vielerorts nach wie vor gut. Das beweist das von nahezu 20 Ehrenamtlichen unterstützte Projekt „Sinnschätze“. Knapp 20 Freiwillige ­– das ist eine stattliche Zahl in Zeiten, in denen die Gewerkschaften, die politischen Parteien und große Organisationen wie die Caritas über rückgängiges Engagement klagen.

Mit dem Freiwilligenteam lassen sich die fünf Öffnungstage von Dienstag bis Samstag gut abdecken. Bei einem Drittel der Freiwilligen handelt es sich um Protestanten, bei zwei Drittel um Katholiken. „Die Aufteilung verwundert nicht, Aschaffenburg ist mehrheitlich katholisch”, so Eva Meder-Thünemann. Im „Ladenalltag“ spielen die Konfessionen keine Rolle. Was das Publikum anbelangt, ist sowieso jeglicher Gast willkommen.

Rosenkranz und Gespräche

Die „Sinnschätze“ laden zum Stöbern ein. Man kann Postkarten, Bibeln, Kreuze, Rosenkränze oder Handschmeichler kaufen. Die Haupt- und Ehrenamtlichen haben aber auch ein offenes Ohr. Menschen, die eigentlich nicht vorhatten, ihr Herz auszuschütten, deuten an, während sie sich im Laden umsehen, dass ihre Lebenssituation gerade schwierig ist. Es bedarf dann nur weniger aufmunternder Worte, und sie kommen zum Kernpunkt des Problems.

„Gestern war jemand bei mir, der eigentlich einen Rosenkranz kaufen wollte“, erzählt Ulrike Gitter. Instinktiv spürte sie, dass es dem Mann im Moment gar nicht gut ging: „Ich habe lange überlegt, was er wirklich braucht.” Am Ende ging er, ohne den Rosenkranz gekauft zu haben. Allerdings mit etwas leichterem Herzen. Denn er konnte, womit er niemals gerechnet hätte, bei der Pfarrerin loswerden, was ihn seit vielen Tagen schon immens belastet.

Nicht selten betreten aber auch Menschen ohne Kaufabsicht den Laden. Viele lechzen danach, einfach mal mit jemandem zu quatschen. Sie haben keine beste Freundin. Sie haben keinen besten Freund. Eigentlich haben sie auch kein dramatisches Problem. Nur sind sie ziemlich alleine. Sie erzählen von dem, was ihnen gerade durch den Kopf geht. Sie machen sich beispielsweise Gedanken wegen ihrer Wohnung. Oder freuen sich über ein Einkaufsschnäppchen.

Mehr Zweiergespräche

Die Corona-Krise sorgte, kaum verwunderlich, für eine Zäsur. Sie hatte allerdings auch einen unerwartet positiven Nebeneffekt. Während die Ehrenamtlichen bis dahin prinzipiell zu zweit im Dienst waren, konnten sie zu jener Zeit nur einzeln im Laden anwesend sein. Als dies so war, fanden plötzlich sehr viel mehr auch tiefergehende, spontane Gespräche statt. Das Team beschloss aufgrund dieser Erfahrung, dass Ehrenamtliche, ebenso wie die Hauptamtlichen, nun vorzugsweise alleine Dienst tun. Ehrenamtliche, die sich davor scheuen, alleine hinter der Verkaufstheke zu stehen, dürfen allerdings nach wie vor zu zweit antreten.

Gesichert ist das Projekt bis übernächstes Jahr. „2026 läuft der Mietvertrag aus“, berichtet Pfarrerin Ulrike Gitter. Wie es danach finanziell und personell weitergeht, ist noch unklar.


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin