Ausgabe: November-Dezember 2024
MeditationGott ist größer
Im Alten Testament lesen wir zu Beginn in der Schöpfungsgeschichte, dass Gott die Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat – ihm gleich.
In unserem Leben habe ich aber den Eindruck, dass wir uns Gott schaffen nach unserem Ebenbild. Wir tragen Gottesbilder in uns, die kleinmütig und manchmal auch kleinlich sind. Trauen wir Gott so wenig zu – dass wir nicht die Größe sehen, die uns Gott zugesagt hat, wenn wir sein Ebenbild sind und immer mehr sein sollen. „Gott ist größer.“ Das möchte ich immer wieder sagen, wenn ich erlebe, wie wir alle Gott kleinmachen und kleindenken, damit er zu unserer Verzagtheit und Kleinheit passt.
Wir wollen Gott „handhabbar machen“ für unsere Bequemlichkeit, für unsere Kreativlosigkeit und Mutlosigkeit. Wenn wir Gott wirklich groß denken könnten – und allmächtig – dann würden wir als seine Ebenbilder auch größer von uns denken. Dann wäre vieles möglich, was uns undenkbar scheint: Dann würden wir dem oder der Anderen zutrauen, dass auch sie oder er den Frieden will und uns für den Frieden einsetzen, weil wir Gottes Frieden wollen – hier auf unserer Erde. Dann würden wir immer wieder auf die anderen zugehen und den Frieden jeden Tag neu denken und gestalten.
Auch vom Mitmenschen größer denken
Dann bräuchten wir nicht die Ausreden, dass das schöne Ideale sind, die aber im richtigen Leben nicht umsetzbar, realisierbar sind. Dann würden wir uns aufmachen und einsetzen für eine gerechte und großzügige Welt, für Offenheit anderen gegenüber, für Menschen, die aus großer Not zu uns kommen. Wir wären nicht kleinlich und würden uns nicht hinter einem kleinlichen (von uns kleingehaltenen Gott) verstecken. Wir wären mutig zum Handeln in Solidarität, wir würden teilen, verschenken, unsere Güter und unsere Herzen. Weil wir zu klein denken, von uns und von unseren Mitmenschen, uns nicht größer zu denken trauen, muss unser Gott kleingehalten werden.
Weil wir nicht verzeihen können oder wollen, ist unser Gott rachsüchtig und kleinlich. Weil wir uns keine Vielfalt leben und wahrnehmen trauen, denken wir uns einen Gott des „Entweder – Oder“, des „Schwarz oder Weiß“, des „Mann oder Frau“. Wir trauen Gott keine Zwischentöne und Schattierungen zu – weil wir nach einfachen Lösungen und Bildern suchen – weil wir uns nicht differenzierter und größer denken trauen. Das sind die Gottesbilder, die wir uns schaffen und die wir verteidigen, weil wir unseren Kleinmut verteidigen wollen.
Zusammen größer sein
Aber ich bin sicher: Gott ist größer! Größer als jede und jeder von uns, als wir alle zusammen. Und Gott traut uns Großes zu – macht uns zu seinen Ebenbildern, es ihm gleichzutun und größer und mutiger von uns und unseren Mitmenschen – die auch seine Ebenbilder sind – zu denken. Und er traut uns zu, Größeres zu schaffen – miteinander – weil wir nur im Miteinander und in unserer Vielfalt annähernd seine Ebenbilder sein können.
Ich glaube, dass Gott uns groß sein lassen will – ihm als Ebenbild gewachsen zu sein. „Groß sein lässt meine Seele den Herrn, denn er ist mein Retter; groß sein lässt meine Seele den Herrn, denn er ist mein Heil.“ Lassen wir Gott groß sein – wenn wir in unseren Ansprüchen an uns wachsen – ihm entgegen.