Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: November-Dezember 2024

Kommentar

Unsere besondere Verantwortung

Foto: Mellenthin / Misereor

„Du weißt, dass die gute Nachricht – das Evangelium – heute mehr denn je zuvor mit Taten verkündet werden muss, ehe es mit Worten gepredigt wird.“

Ein wegweisendes Zitat von Dom Hélder Câmara – brasilianischer Erzbischof an der Seite Armgemachter und Namensgeber der Helder-Camara-Stiftung von Misereor – gerade im Nexus von Klimawandel, globaler Gerechtigkeit und dem Kern des Evangeliums.

Globalisierte Solidarität und ein gemeinsames Eintreten gegen den Klimawandel sind große Ziele kirchlicher Entwicklungszusammenarbeit im lokalen sowie im internationalen Wirkungskreis und sind notwendig für das Überleben unserer Menschheitsfamilie.

Im Gleichklang mit dem eingängigen Imperativ Helder Camaras spricht Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato sí zum Thema „ökologische Spiritualität“: „denn was das Evangelium uns lehrt, hat Konsequenzen für unsere Art zu denken, zu empfinden und zu leben.“ Es stellt sich für uns Christinnen und Christen beim Thema globaler Klimagerechtigkeit keine Frage nach dem Wer und Wann, sondern nach dem Wie: denn wir als Christinnen und Christen sind sicher und ab sofort wie „alle Menschen guten Willens“ persönlich mitverantwortlich!

Lokal wie global muss der Bewusstseinswandel weitergehen und zu einem selbstverständlichen Teil unseres Alltagsdenkens werden. Meine Hoffnung ist, dass wir vor allem innerhalb unserer Kirche, kirchlichen Einrichtungen und Werken mit zukunftsweisenden Initiativen intensiver tätig werden: über ganz Deutschland verteilt trägt die beständige Struktur von Weltläden zu kritischem Konsum und Bildung bei; im Bistum Osnabrück engagieren sich 120 Gemeinden im Projekt „Faire Gemeinde“ für mehr globale Gerechtigkeit; das Erzbistum Freiburg strebt an, bis 2030 klimaneutral zu werden und auch wir bei Misereor haben ein Umweltaudit installiert, um in den eigenen Reihen Emissionen zu reduzieren. Jeder noch so kleine Beitrag hat eine multiplizierende Wirkung anderswo weltweit.

Unsere besondere Aufgabe und Verantwortung in der Nachfolge Jesu ist dabei die immanente, oftmals schmerzhafte Frage nach den Verlierern. Wo sind die Vulnerablen in der heutigen Welt, die – bei verunsichernden wie auch bei innovativen Prozessen – aus dem Blick geraten?

Während in Deutschland darüber diskutiert wird, ob und wie uns konsequenter Klimaschutz zuzumuten ist, erfahren Mensch und Natur in Lateinamerika, Afrika und Asien bereits heute jeden Tag Auswirkungen des Klimawandels und haben die gewaltigen Folgen der Erderhitzung zu tragen, die durch unseren Konsum und unsere Lebensweise mitverursacht wird. Ist das gerecht?  In den Ländern Ostafrikas hungern aktuell Millionen Menschen aufgrund von Extremwettern und zerstörten Ernten. In manchen Regionen Asiens arbeiten die Menschen, oft sind es die Frauen, bei Temperaturen von über 40 Grad auf den Feldern. Sie sind gezwungen, neue, umweltschonende Methoden zu entwickeln, wie sie dem Boden langfristig gesunde Nahrung abgewinnen und mit neuen Techniken Wasser sparen können.

In einem Buch mit dem programmatischen Untertitel „Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr“ analysiert Agrarökologe Felix zu Löwenstein, dass die Schieflage unseres globalen Ernährungssystems kein Ergebnis von zu wenig Nahrungsmengen ist. „Sondern mit den politisch gesetzten Bedingungen dafür, ob Menschen Zugang dazu haben oder nicht.“

Lieferketten, unausgewogene Marktstrukturen, die „wahren, versteckten Kosten“ von Produkten und multinationale Großkonzerne sind faszinierende und zerstörerische Elemente einer modernen Welt, für die es aus Rücksicht auf Zurückgelassene und aus Gründen schwindender Überlebenschancen auf unserem Planeten dringend nachhaltige Alternativen umzusetzen gilt.

Misereor unterstützt Betroffene gemeinsam mit den vielen Projektpartnern vor Ort bei ihren Bemühungen um Anpassung, Wandel und Prävention. Stimmen der Zivilgesellschaft und lokale, innovative Aktionen und Ideen brauchen dringend mehr Gehör, mehr Raum und Mitspracherecht.

Lassen wir uns als Teil der Kirche, als Teil einer Weltgemeinschaft und Menschheitsfamilie anstecken von Leuchtturmprojekten und werden wir uns unserer großen Verantwortung bewusst. Wir haben das Potential, im Geist des Evangeliums solidarisch zu handeln und den nötigen tiefgreifenden Wandel maßgeblich voranzutreiben!

Weitere Informationen zu "Misereor - Mit Menschen für weltweite Gerechtigkeit" finden Sie hier.

 


Verfasst von:

Andreas Frick

Hauptgeschäftsführer von Misereor