Ausgabe: Januar-Februar 2025
ÖkumeneDas Ehrenamt in den Geschwisterkirchen
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Auch die protestantischen und orthodoxen Kirchen haben erkannt, dass Ehrenamtspflege und -förderung eine wichtige Aufgabe in ihren Gemeinden ist. Zwei Perspektiven aus den Geschwisterkirchen.
Barbara Gruß ist Diakonin und Referentin zur Förderung des Ehrenamtes in der Wirkstatt evangelisch für Kirchen- und Gemeindeentwicklung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Sie sieht es als Wertschätzung der Kirche für das Ehrenamt, dass es ihre Stelle überhaupt gibt und doch sei eine Person für die insgesamt mehr als 130 000 Ehrenamtlichen in Bayern viel zu wenig.
Deshalb begrüßt sie die vielen weiteren strukturellen Bemühungen, die von der evangelischen Kirche zur Förderung des Ehrenamts angestellt wurden und werden. Das im Jahr 2000 in Kraft getretene Ehrenamtsgesetz bietet kirchlich engagierten Personen einen gesetzlichen Rahmen für ihr Engagement. Das beinhaltet Themen wie Versicherungsschutz, die Übernahme von Fortbildungskosten, Fahrtkosten und vieles weitere. Zusätzlich dazu verleiht die evangelische Kirche einmal im Jahr einen Ehrenamtspreis, der besonders gelungenes ehrenamtliches Engagement in den Fokus stellt: „So bekommen gute Ideen Öffentlichkeit und die Ehrenamtlichen werden darüber nochmal besonders gewürdigt.“
Gute Ehrenamtskoordination
Für viel wichtiger als punktuelle Ehrungen hält sie allerdings gute Rahmenbedingungen. Die acht „B´s“ der Ehrenamtskoordination bewähren sich dabei als sinnvolle Eckpfeiler: Beginnen, Befähigen, Begleiten, Beraten, Bezahlen, Beteiligen, Bedanken und Beenden (Näheres im Magazin „unterwegs zu menschen“, Ausgabe 1-2024). Sie betont: „Wie wertschätzend es in einer Einrichtung zugeht, nehmen Menschen bereits beim Beginn eines Ehrenamts wahr.“ Deshalb sollte klar geregelt sein, wer sich um den Erstkontakt mit Interessierten kümmert. Wenn sich die Erwartungen beider Seiten entsprechen, kann die offizielle Begrüßung im Team oder Einsegnung erfolgen. Dann gilt es die Person für ihre neuen Aufgaben fit zu machen. Barbara Gruß empfiehlt hierfür beispielsweise eine Patenschaft für den Einstiegszeitraum oder eine Schnupperzeit. Aus- und Fortbildungen sorgen für weitere notwendige Kompetenzen.
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Um die Ehrenamtlichen während ihrer Tätigkeit gut zu begleiten, sind regelmäßige Reflexionsgespräche sinnvoll, sodass ihre Bedürfnisse geklärt werden können. „In diesen Gesprächen drückt sich eine wertschätzende Haltung dadurch aus, dass der Fokus zunächst auf den Gaben der Person liegt, nicht auf ihren Schwächen,“ betont Barbara Gruß. Bei Beratungsbedarf muss klar sein, an wen sich die Engagierten wenden dürfen. Und auch wenn Ehrenamtliche nicht direkt für ihre Tätigkeit bezahlt werden, haben sie ein Recht auf Auslagenerstattung. Gleiches gilt für notwendige Arbeitsmaterialien.
Den passenden Dank finden
Inwieweit sich eine Person an übergeordneten Prozessen beteiligen kann, hängt ganz von ihr und den jeweiligen Aufgaben ab. Eine vertrauensvolle Beziehung ist dafür das A und O. Was für die einzelne Person der passende Dank sein kann, lässt sich am einfachsten herausfinden, wenn diese mit ihren Motivationen im Blick ist, findet Barbara Gruß. „Wer sich beispielsweise engagiert, um anderen Menschen zu helfen, freut sich am meisten, wenn durch den eigenen Einsatz tatsächlich geholfen werden konnte. Möchte jemand im Ehrenamt gesellschaftliche Anerkennung? Dann können öffentliche Ehrungen wirkungsvoll sein. Engagiert sich jemand, um Gemeinschaft zu erleben, ist der beste Dank ein spürbares WIR-Gefühl.“ Diese Aspekte sind auch für einen wertschätzenden Abschied relevant.
Zeit für Begleitung nehmen
In einem abschließenden Gespräch sollten zudem Fragen geklärt werden, die über das Engagement hinausgehen: Möchte die Person nach wie vor im Kontakt bleiben oder weiterhin bestimmte Informationen bekommen? Sollte eine Person verabschiedet werden müssen, obwohl sie selbst keinen Grund dafür sieht, kann nur ein offenes Gespräch einen guten Übergang gewährleisten. Denn Wertschätzung im Ehrenamt setzt voraus, dass sich Menschen Zeit für eine aufmerksame Begleitung Ehrenamtlicher nehmen, vom Beginnen bis zum Beenden. Und genau hier liegt für Barbara Gruß das Problem: „Ein Knackpunkt ist, dass wir Hauptamtlichen nicht die Ressourcen haben, die Ehrenamtlichen unserer Kirchengemeinde einmal im Jahr zum Gespräch einzuladen, sonst machen wir nichts anderes mehr, und deshalb sind wir vor vier Jahren auf die Idee gekommen, Ehrenamtsteams einzusetzen.“ Für diese Ehrenamtskoordinationsteams werden seitdem Menschen geschult, die dann für die Ehrenamtlichen verantwortlich sind und ein individuelles Konzept für die jeweiligen Gemeinden erstellen können. Eine lohnende Investition, denn motivierte Ehrenamtliche sind das beste Aushängeschild für weitere Interessierte.
Erweiterung der eigenen Familie
Archimandrit Georgios Siomos ist Pfarrer der Allerheiligenkirchengemeinde zu München der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Bayern. Auch in seiner Kirchengemeinde spielt der Faktor Zeit bei der Betreuung der Ehrenamtlichen eine große Rolle – vor allem weil die Hauptamtlichen sehr große Flächen abdecken müssen, in seinem Fall ein Gebiet von Ingolstadt bis Garmisch-Partenkirchen.
Er sieht ein großes Problem darin, dass der Wert der Ehrenamtlichen oft erst klar wird, wenn die helfenden Hände plötzlich fehlen. Dann kostet es die Hauptamtlichen viel Zeit und Arbeit, um die Strukturen weiter aufrecht zu erhalten beziehungsweise wieder zu reparieren. Ob das Netz an Ehrenamtlichen eher stabil ist oder nicht, hängt für ihn nicht von der Konfession, sondern von der örtlich gegebenen Struktur und den einzelnen Persönlichkeiten ab: „Menschen engagieren sich gerne da, wo sie sich an ihre Gemeinde angebunden fühlen, da wo sie, etwas romantischer gesagt, ihre Kirchengemeinde erleben wie die Erweiterung ihrer eigenen Familie.“ Hier läuft das Ehrenamt seiner Meinung nach deutlich besser als dort, wo es eine Entfremdung gibt, wie er sie häufig in Städten wahrnimmt. Dort müsse auf hauptamtlicher Seite deutlich mehr Arbeit geleistet werden, um das Engagement zu stärken.
Innerhalb der Gemeinde drückt sich für Archimandrit Georgios Siomos die Wertschätzung hauptsächlich durch die Feier der Jahreszyklen aus, wie sie der orthodoxen Tradition entspricht. „Wir beginnen jeden Neubeginn mit einer Wasserweihe, einer Segnung des neuen Jahres, zum Beispiel des Schuljahres.“ Diese ritualisierte Form bieten ihm auch die Möglichkeit den Engagierten zu danken, kleine Geschenke zu verteilen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. „Wichtig ist, dass die Kommunikation untereinander da ist und dass nie das Gefühl entsteht, dass man in irgendeiner Weise ein berufliches Verhältnis hätte.“ Das Ende der jeweiligen Zyklen wird üblicherweise mit einem gemeinsamen Essen gefeiert. Praktischerweise sei die Mensa deshalb normalerweise auch direkt gegenüber der Kirche. „Dann geht man am Sonntag von der Kirche direkt zum gemeinsamen Tisch, wo zwar gegessen wird, aber wir auch ins Gespräch kommen über ganz unterschiedliche Themen.“