Ausgabe: Januar-Februar 2025
SchwerpunktFür die, die ihre Zeit verschenken

Nicht in allen Pfarreien wird ehrenamtliches Engagement ausgiebig gewürdigt
Alle zwei Jahre werden die Ehrenamtlichen der Pfarreiengemeinschaft St. Martin Miltenberg-Bürgstadt einmal so richtig verwöhnt. Mit einem superleckeren Buffet. Und tollen Weinen von örtlichen Winzern. „Da gibt es nicht nur ein paar belegte Brötchen, bei diesem Fest wollen wir uns nicht lumpen lassen”, sagt Pfarrer Jan Kölbel. Das festliche Dankeschön, erlebt er, tut den Ehrenamtlichen ungemein gut. Bayernweit betrachtet wird mangels Zeit und Geld so viel Aufwand eher selten betrieben.
Ungefähr 600 Katholikinnen und Katholiken engagieren sich in der Miltenberger Pfarreiengemeinschaft für Gotteslohn. Die einen im sozialen Bereich. Die anderen liturgisch. 300 kommen im Zwei-Jahres-Rhythmus zu dem Ehrenamtsfest. Das wird vor allem als Gelegenheit genutzt, einander zu begegnen. In einer allgemeinen Ansprache dankt Pfarrer Jan Kölbel allen, die unermüdlich dafür sorgen, dass das Gemeindeleben lebendig bleibt. Auf Ehrungen einzelner, langjährig Aktiver verzichtet der Priester bei diesem Fest.
„Dabei kann man sich leicht auf ein Minenfeld begeben”, erläutert er. Und zwar deshalb, weil in einer Pfarrei, anders als in Vereinen oder Gewerkschaften, meist nicht klar ist, wie lange sich schon jemand engagiert. „Oft wissen das die Ehrenamtlichen selbst nicht”, so der Seelsorger. In Einzelfällen jedoch finden auch in Miltenberg Ehrungen statt. So wurden jüngst zehn scheidende Mitglieder der Kirchenverwaltung geehrt: „Selbst da musste ich zum Teil in alten Protokollen nachgucken, wie lange die einzelnen Mitglieder schon dabei sind.”
Manchmal allerdings ist bekannt, seit wann sich jemand engagiert. Ist das sehr lange, wird die betreffende Person entsprechend gewürdigt. In Kürze zum Beispiel steht die Ehrung einer 87-jährigen Seniorenin auf dem Programm von Jan Kölbel. Unglaubliche 50 Jahre war sie in der Pfarrbücherei aktiv. Ihr wird eine Ehrennadel verliehen.
Praktische Wünsche

Pfarrer Jan Kölbel ist es wichtig, zu wissen, was seine Ehrenamtlichen wünschen. Kurz vor Beginn der Corona-Krise startete er deshalb ein Projekt zur Ehrenamtskultur: Gemeindliche Volunteers wurden gefragt, was sie sich denn für ihr Engagement wünschen. „Das waren ganz praktische Sachen”, erzählt der Priester. Da tauchte zum Beispiel der Wunsch nach Fahrtkostenerstattung auf. Außerdem wünschen sich Ehrenamtliche, dass sie ohne Probleme an Schlüssel für benötigte Räume kommen: „Also dass sie niemandem hinterhertelefonieren müssen.”
Durch das Projekt hat nun auch jede pfarreiliche Gruppierung einen festen Ansprechpartner. Der Pfarvikar zum Beispiel ist für die Ministranten zuständig. Jan Kölbel ist für Kirchenverwaltungen da, außerdem können sich die Mitglieder der Kolpingsfamilie und des Caritas-Vereins jederzeit an ihn wenden. „Dies geschieht auch oft”, erklärt er. Ein wiederkehrendes Problem stellen zum Beispiel Terminüberschneidungen dar. Dann versucht der Priester, zwischen den einzelnen Pfarreien seiner Pfarreiengemeinschaft zu vermitteln.
Jan Kölbel möchte alles dafür tun, dass „seine” Ehrenamtlichen bei der Stange bleiben. Konterkariert wird diese seine Absicht mitunter durch neue diözesane Regularien. So gibt es seit Februar 2023 eine „Geschenkerichtlinie” des Bistums, an die er sich halten muss. Darin wird unter anderem erläutert, mit welchen kleinen Aufmerksamkeiten man Ehrenamtlichen danken darf. Bei der Ausrichtung des Ehrenamtsfestes alle zwei Jahre muss Jan Kölbel seit Januar 2023 eine umfangreiche „Bewirtungsrichtlinie” beachten. „Die kirchliche Bürokratie läuft völlig aus dem Ruder”, klagt er.
Genussvoller Abend
In der Pfarrei Don Bosco im Bistum Augsburg wird jedes Jahr ein Helferfest organisiert. „Bis zu 60 Leute kommen”, erklärt Pfarrer Alfred Nawa. Das sind mehr oder weniger alle, die sich in Don Bosco engagieren. Das Helferfest beginnt mit einem Gottesdienst, danach gibt es im Pfarrsaal ein leckeres Mahl. Auch hier werden nicht nur belegte Brötchen serviert: „Es muss auch bei uns etwas Richtiges sein.” Beim letzten Mal gab es Braten mit Spätzle. „Einmal im Jahr können wir uns das leisten”, meint der Priester. Für ihn ist es immer wieder schön, zu sehen, wie sehr die Ehrenamtlichen diesen Abend genießen.
Manchmal gibt es auch Ausnahmen von dieser Routine. Dann wird statt des Helferfestes zum Beispiel ein Ausflug organisiert. „Einmal hatten wir eine Führung in Augsburg in einer Kirche, danach wurden die Ehrenamtlichen zum Essen eingeladen”, berichtet der Seelsorger.
Langjährig Engagierte werden mit der goldenen oder silberne Nadel der Diözese geehrt: „Fast jedes Jahr finden wir eine Person.” Ehrenamtliche, weiß der Pfarrer, wollen jedoch nicht nur hin und wieder gewürdigt werden. Für sie ist es von großer Bedeutung, dass „ihr” Priester mit ihnen zusammen durch dick und dünn geht und in schwierigen Situationen zu ihnen hält. So eine schwierige Situation gab es in Don Bosco vor kurzem: Eine Gruppe von Ehrenamtlichen wollte das Kirchencafé, das durch die Corona-Krise eingeschlafen war, wiederbeleben. Man lud weithin ein. Kochte Kaffee. Sorgte für verschiedene Kuchen – und dann kam kaum jemand vorbei.
Nicht so schnell aufgeben
Das war für die Ehrenamtlichen sehr frustrierend. Gemeinsam mit Alfred Nawa erörterten sie, was falsch gelaufen sein könnte. Am Ende bestärkte man einander: „So schnell geben wir nicht auf!” Alfred Nawa ist es sehr wichtig, seine Ehrenamtlichen zu hegen und zu pflegen – und mit dazu beizutragen, dass die Freude am Engagement erhalten bleibt. Dies sei angesichts einer schrumpfenden Zahl von Freiwilligen wichtiger denn je: „Als ich vor zehn Jahren hierher kam, hatten wir etwa 100 Ehrenamtliche, jetzt sind es ungefähr 60.” Mehrere Angebote brachen weg. So gab es einmal eine Art Nachbarschaftshilfe. Die gibt es längst nicht mehr.
Je nachdem, um welches Ehrenamt es sich handelt, sei es inzwischen wirklich schwierig, Freiwillige zu gewinnen, bestätigt Matthias Lotz, Pfarrer im Würzburger Stadtteil Zellerau sowie in Würzburgs Stadtrandgemeinde Höchberg. „Kandidaten für die Kirchenverwaltungswahlen zu finden wird jedes Mal schwieriger“, sagt er. Doch es gebe auch Ermutigendes. In Höchberg zum Beispiel bildete sich aus sich selbst heraus ein Team, in dessen Hände nun die Kommunionvorbereitung liegt.
Ein jährliches Festessen wie in Miltenberg gibt es in seiner Pfarreiengemeinschaft nicht. Alle Ehrenamtlichen werden, wie das in vielen Pfarreien üblich ist, jedoch an Weihnachten bedacht. „Für mich ist das Wichtigste, dass die Hauptamtlichen den Eihrenamtlichen einen echten Freiraum geben”, sagt der Priester. An der Art und Weise, wie er mit seinen freiwillig engagierten Brüdern und Schwestern umgeht, sollen diese ablesen, in welchen Maß er ihre Arbeit schätzt. Die Aktiven wüssten außerdem, dass sie ihm gegenüber jederzeit Kritisches ansprechen könnten.
Auf rund 120 Freiwillige kann Roland Neher, Pfarrer in Lichtenfels bei Bamberg, zurückgreifen: „Ich bin mit meinen Ehrenamtlichen sehr zufrieden.” Früher gab es allerdings auch in Lichtenfels mehr Engagement: „Für die Caritas sammeln wir schon lange nicht mehr, das war viel zu aufwändig.” Vieles andere hingegen ist in Lichtenfels noch möglich. Als Dankeschön für ihren Einsatz erhalten die Ehrenamtlichen an Weihnachten von Roland Neher einen Brief.
Die Zeit, ein Fest zu organisieren, hätte der Seelsorger nicht. Er fragt sich allerdings auch, ob es wirklich notwendig ist, das Engagement der aktiven Christen derart hervorzuheben: „Sie machen das doch letztlich für sich, nicht für mich.” Würde sich niemand einbringen, wäre das Gemeindeleben tot. Wer könnte das wollen.