Ausgabe: Januar-Februar 2025
SchwerpunktImmobilienmakler im Ehrenamt?

Neue schwierige Aufgaben für die Ehrenamtlichen in den Kirchenverwaltungen
Welche Pfarrhöfe werden als Bürogebäude verkauft, welche können in vermietbare Wohnungen umgewandelt werden, welche in Obdachlosen- oder Flüchtlingsunterkünfte? Können Pfarrheime zusammen mit evangelischen Gemeinden genutzt, an Vereine vermietet oder verkauft werden? Wer sich solche Fragen stellen muss, der ist nicht zu beneiden. Deshalb sind alle, die sich heute als Kirchenverwaltungsmitglieder zur Verfügung stellen, eigentlich Helden.
Im neuen Dekanat Berchtesgaden leben 65 000 Katholikinnen und Katholiken, betreut von 13 Priestern, stehen 81 Kirchen und Kapellen, verwaltet von 31 Kirchenstiftungen mit ungefähr 130 gewählten ehrenamtlichen Kirchenverwaltungsmitgliedern. In diesem Dekanat muss sich also von jeweils 500 Katholikinnen und Katholiken einer zur Verfügung stellen, damit über die Finanzen von Kirchen und Kindergärten, Pfarrverwaltungen und Friedhöfen entschieden und Arbeitsverträge mit Sekretärinnen, Mesnern und Kirchenmusikern abgeschlossen werden können. Im Herbst 2024 wurden in Bayern für 7 000 Kirchenstiftungen neue Kirchenverwaltungen gewählt. Im Dekanat Berchtesgaden stehen neun Pfarrer den 31 Kirchenstiftungen vor, dazu kommen etwa 130 gewählt Ehrenamtliche. Sie sind für die Erhaltung und den Unterhalt der 81 Kirchen und Kapellen und von etwa 300 weiteren Gebäuden zuständig.
Die weiteren Gebäude, das sind Pfarrhöfe, Pfarrheime, Kindergärten, Friedhöfe, die für das Leben der Pfarrgemeinden wichtig sind oder besser waren, und andere Gebäude, Wohnhäuser, Geschäftshäuser, Garagen, die der Finanzierung der jeweiligen Kirchenstiftungen dienen. Denn Kirchen sind im Mittelalter nur dann entstanden, wenn ihre Stifter nicht nur das Grundstück für die Kirche gestiftet und deren Bau bezahlt haben, sondern wenn sie auch zusätzlich Grundstücke, landwirtschaftliche Flächen, Bauernhöfe zur Verfügung gestellt haben, aus deren Ertrag der laufende Unterhalt der Kirchen bezahlt werden konnte.
Da die Kirchen Priester brauchten, gab es noch eine zweite Art von Stiftung, die dazu diente, Pfarrer und Hilfsgeistliche zu ernähren, die Pfründestiftung. Meist waren es landwirtschaftliche Flächen, die entweder die Pfarrer selbst zu bewirtschaften hatten oder die von anderen bewirtschaftet wurden und deren Erträge dem Pfarrer zustanden. Heute gibt es in Bayern noch etwa 4.000 selbständige katholische Pfründestiftungen, die evangelischen wurden vor Jahrzehnten zu einem Pfründestiftungsverband der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) zusammengeschlossen. Ähnliche Zusammenschlüsse gibt es im katholischen Bereich im Bistum Speyer und im Erzbistum Freiburg, in Bayern ist das Bistum Augsburg gerade dabei, alle Pfründestiftungen im Pfründestiftungsverbund St. Ulrich zusammenzuschließen und gemeinsam zu verwalten. In den anderen bayerischen (Erz-)Bistümern dagegen wird der Anschein aufrechterhalten, dass die Pfründestiftungen selbstständig sind, obwohl das nur noch formaljuristisch stimmt.
Florian Regner ist Leiter des Pfarrverbands Ampfing im nördlichen Oberbayern, der aus fünf Pfarreien besteht. Er ist Vorsitzender von acht Kirchenstiftungen und 14 Pfründestiftungen, wird unterstützt von planmäßig 32 Kirchenverwaltungsmitgliedern, bis zu 28 von ihnen sind darüber hinaus Mitglieder in einem Pfründestiftungsverwaltungsrat. Als er zum Pfarrer bestellt wurde, bekam er für jede Pfründestiftung ein Dokument, dass er Nutznießer der jeweiligen Pfründestiftung ist, gleichzeitig musste er ein Dokument unterschreiben, dass er darauf zugunsten der Erzdiözese München-Freising verzichtet. Denn sein Gehalt wird von der Erzdiözese überwiesen. Warum aber dann noch ein Pfründestiftungsverwaltungsrat mit zwei Ehrenamtlichen und dem Pfarrer?
Verwaltung kaum mehr machbar
So viel zu den kirchlichen Gesetzen, zur Theorie und den Zahlen. In der Realität sieht vieles anders aus. Die Pfarrer schaffen so viele Sitzungen nicht, wie sie eigentlich abhalten oder besuchen müssten. Sie schicken ihre Verwaltungsleiter. Oft klappt das Zusammenspiel mit dem Ordinariat nicht, existieren Streit und Feindschaft zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen, sind die meisten Kirchenverwaltungsmitglieder im Zivilberuf bereits im Ruhestand. Genügend Leute zu finden, um alle Sitze in der Kirchenverwaltung zu besetzen, ist in vielen Pfarrgemeinden mehr als schwierig.
Dabei wird alles noch viel schwieriger. Die Berchtesgadener sollen zwei Jahre lang am strategischen Pilotprojekt des Erzbistums München und Freising teilnehmen („Strategisches Immobilienportfolio“). Im Bistum Würzburg läuft der Prozess „Kategorisierung Immobilien“, im Bistum Eichstätt eine „Immobilienbewertung“. Es geht – einfach gesagt – darum, dass in einem Pfarrverband aus sechs Pfarreien niemand mehr sechs Pfarrhöfe braucht, sechs Pfarrheime, dass bei der stetig abnehmenden Zahl von Kirchenmitgliedern nicht mehr genügend Kirchensteuer reinkommt, um alle kirchlichen Gebäude erhalten und sinnvoll nutzen zu können. Und es stellt sich die Frage, was mit leerstehenden Kirchen, maroder Bausubstanz, teurer Heizung geschieht.
Von den 65 000 Katholikinnen und Katholiken im Dekanat Berchtesgaden gehen durchschnittlich 6 500 am Sonntag in den Gottesdienst. Die 13 Priester können am Sonntag 26 Gottesdienste halten, in 26 Kirchen, aber 81 Kirchen sind zu erhalten. Macht das Sinn? Das sind die Fragen, mit denen sich ehrenamtliche Kirchenverwaltungsmitglieder in den nächsten Jahren auseinanderzusetzen haben. Welche Pfarrhöfe werden als Bürogebäude verkauft, welche können in vermietbare Wohnungen umgewandelt werden, welche in Obdachlosen- oder Flüchtlingsunterkünfte? Können Pfarrheime zusammen mit evangelischen Gemeinden genutzt, an Vereine vermietet oder verkauft werden? Wobei ein Verkauf meist nicht um des Verkaufserlöses willen wichtig ist, sondern um laufende und Erhaltungskosten zu vermeiden für ein Gebäude, das niemand mehr braucht oder das nur zweimal im Monat genutzt wird. Und am Schluss wird auch die Frage kommen, die in vielen west- und norddeutschen Diözesen schon früher beantwortet werden musste: Was tun mit überzähligen, nicht mehr gebrauchten, aber im Unterhalt teuren Kirchen? Profanieren? Selbst nutzen? Für kulturelle, sportliche oder Wohnzwecke verkaufen?
Ehrenamtliche Helden der Kirchenverwaltung
Wer sich solche Fragen stellen muss, der ist nicht zu beneiden. Deshalb sind alle, die sich heute als Kirchenverwaltungsmitglieder zur Verfügung stellen, eigentlich Helden. Erhalten sie dafür aber die Wertschätzung, die sie verdienen? Wertschätzung wird von unterschiedlichen Menschen ganz unterschiedlich empfunden. Die einen wollen, wenn sie sich schon im Ehrenamt engagieren, die bestmögliche Hilfe und Unterstützung, gute IT-Systeme, eine Schulung oder Einweisung in die Aufgaben. Die anderen wollen, dass sie als Ehrenamtliche mit den Hauptamtlichen auf Augenhöhe diskutieren und selbst entscheiden können, nicht nur abzunicken haben, was anderswo entschieden ist. Wieder andere wollen sich nicht in Routinearbeiten verschleißen, sie wollen vor allem diskutieren und entscheiden und so die Zukunft gestalten.
Wollen aber die Ehrenamtlichen immer alles entscheiden? Wenn eine Gemeinde neues Baurecht ausweist für Grundstücke, die einer Kirchen- oder Pfründestiftung gehören, soll dann ein anonymer Mitarbeiter im Ordinariat die Erbpachtinteressenten auswählen oder die örtliche Kirchenverwaltung, wenn Angehörige zum Interessentenkreis gehören? Wer soll die Höhe der Pacht für ein landwirtschaftliches Grundstück festlegen, wenn der (kleine) Biobauer nur weniger zahlen kann als der Geflügelhofbesitzer? Drückt es Wertschätzung aus, wenn das alles lokal entschieden werden darf oder hilft es dem Gremium, wenn es bestimmte Entscheidungen nicht treffen muss, sondern sich hinter der Zentrale verstecken kann?
Nur wenige können Haushalt selbst stemmen
Vieles wird sowieso schon zentral entschieden, die Höhe der Erbpacht beispielsweise, abhängig vom Marktwert eines Grundstücks, vieles steht unter Genehmigungsvorbehalt der Stiftungsaufsicht des Ordinariats. Schwierig aber wird das Entscheiden, wenn man gar nicht über eigenes Geld entscheiden kann, sondern auf die Zuschüsse der (Erz-)Diözese angewiesen ist. Viele, vor allem Großstadtgemeinden, haben bei ihren Kirchenstiftungen einen Eigenfinanzierungsanteil von 20 bis 30 Prozent. Den Rest muss das Ordinariat zuschießen. Nur wenige, meist Landgemeinden, können 80 bis 100 Prozent des Haushalts ihrer Kirchenstiftungen aus eigener Kraft durch Pacht-, Miet- und Zinseinnahmen generieren.
Da sich in den nächsten 30 Jahren die Zahl der Kirchenmitglieder halbieren wird, und damit auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer, die heute bis zu 80 Prozent der Einnahmen eines Bistums ausmachen, wird die Co-Finanzierung der Aufgaben einer Kirchenstiftung immer schwieriger, weil sie selbst und das Bistum nicht mehr alles finanzieren können. Eine Riesenaufgabe, für die viele Ehrenamtliche sich nicht gerüstet sehen. Hier könnte Wertschätzung auch darin bestehen, dass sie von der Diözese Hilfe erhalten in der Einschätzung von Chancen und Risiken von Gebäuden, der Kosten ihres Unterhalts. So wie die Kirche heute schon Banken, Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkanzleien sowie Fondsgesellschaften für Geldanlagen unterhält, könnte sie auch Immobilienagenturen einrichten, die mit Fachleuten die Kirchenstiftungen beraten und unterstützen. Auch das wäre Wertschätzung. Die Entscheidung bleibt bei den Ehrenamtlichen, zum Notar muss der Pfarrer. Genehmigen muss die Entscheidung das Ordinariat und, wenn das Volumen mehr als fünf Millionen Euro beträgt, braucht es auch noch das Placet aus Rom.