Ausgabe: Januar-Februar 2025
SchwerpunktWertschätzung im Ehrenamt

Wandel und neue Wege zur Anerkennung freiwilligen Engagements
In Deutschland engagieren sich Millionen von Menschen ehrenamtlich. Sie unterstützen ältere Menschen, kümmern sich um den Umweltschutz oder engagieren sich in der Nachbarschaftshilfe. Ohne ihr Engagement wäre das gesellschaftliche Leben um einiges ärmer. Das Ehrenamt nimmt einen festen Platz in unserer Gesellschaft ein, doch es wandelt sich zunehmend und somit auch die Anforderungen an dessen Wertschätzung. Der folgende Beitrag beleuchtet die aktuelle Situation und stellt Ideen und praktische Methoden vor, um die Wertschätzung im Ehrenamt zu verbessern.
Ehrenamtliches Engagement ist in Deutschland tief verwurzelt. Laut dem Freiwilligensurvey der Bundesregierung aus dem Jahr 2019 engagieren sich rund 29 Millionen Menschen ehrenamtlich. Die Art und Weise, wie Menschen sich engagieren, verändert sich. War das Ehrenamt früher oft ein langfristiges Engagement in Vereinen und Organisationen, so sind heute immer mehr Menschen an projektbezogenen, flexiblen und zeitlich befristeten Einsätzen interessiert.
Die Motivation für ein Engagement hängt maßgeblich von dessen Wertschätzung ab: Ehrenamtliche geben ihre Zeit und Energie für andere, ohne dafür eine finanzielle Gegenleistung zu erhalten. In vielen Organisationen wird das Ehrenamt als unverzichtbarer Teil des sozialen Zusammenhalts erkannt, doch die Wertschätzung des Engagements wird nicht immer so erlebt. Während einige Ehrenamtliche sich gut betreut und gewürdigt fühlen, erleben andere eine mangelnde Anerkennung oder fühlen sich sogar ausgebrannt und alleingelassen.

Die Frage, wie Wertschätzung im Ehrenamt am besten gestaltet werden kann, beschäftigt auch die Forschung. Studien zeigen, dass Anerkennung ein zentraler Motivationsfaktor für Ehrenamtliche ist. Fehlt diese, kann das zu Enttäuschungen führen und freiwillig Engagierte dazu bewegen, ihr Engagement zu beenden (Simonson et. al. (2021), S. 115). Viele Organisationen setzen zunehmend auf professionelle Standards und erwarten eine hohe Flexibilität und Verfügbarkeit ihrer freiwilligen Helferinnen und Helfer. Dies kann zu einem Gefühl der Überforderung und einem Verlust der Freude am Ehrenamt führen, wenn die notwendige Wertschätzung fehlt.
Dabei geht es nicht nur um verbale Anerkennung, sondern auch um Gesten und konkrete Maßnahmen, die den Ehrenamtlichen zeigen, dass ihre Arbeit gesehen und geschätzt wird. Wertschätzung stärkt das Zugehörigkeitsgefühl und die Identifikation mit der Organisation. Freiwillige bleiben länger aktiv und sind motivierter, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird. Das macht Organisationen mit einer guten Anerkennungskultur langfristig erfolgreicher.
Neue Ideen und Ansätze zur Förderung der Wertschätzung
Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen im Ehrenamt sind neue Ideen und Methoden gefragt, um die Wertschätzung ehrenamtlicher Arbeit zu stärken. Hier einige mögliche Ansätze:
- Individuelle Anerkennung statt pauschale Danksagungen: Ein "Danke" ist wichtig, doch eine allgemeine Danksagung am Ende eines Projekts reicht oft nicht aus. Individuelle und gezielte Anerkennung, die auf die spezifischen Leistungen und Stärken der Einzelnen eingeht, wird als wesentlich wertvoller empfunden. Regelmäßige Feedback-Gespräche, personalisierte Danksagungen oder kleine Aufmerksamkeiten, wie ein Geburtstagsgruß, können hier viel bewirken.
- Weiterbildung und persönliche Entwicklung: Viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich, um neue Fähigkeiten zu erlernen oder bestehende Kenntnisse auszubauen. Organisationen können dies unterstützen, indem sie Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten anbieten. Workshops, Schulungen oder Seminare, die die persönlichen und beruflichen Kompetenzen der Freiwilligen fördern, werden als wertschätzend wahrgenommen und stärken die Bindung an die Organisation. Das ist insbesondere jungen Menschen wichtig.
- Netzwerkbildung und Gemeinschaftsgefühl: Ehrenamt ist eine soziale Aktivität, die auch das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit befriedigt. Organisationen können die Wertschätzung fördern, indem sie Räume für Austausch und Vernetzung schaffen. Gemeinsame Veranstaltungen, Treffen oder auch digitale Plattformen, die den Austausch fördern, helfen, das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu stärken.
- Materielle Anreize mit Bedacht einsetzen: Eine Möglichkeit, Wertschätzung auszudrücken, sind materielle Anreize, wie Gutscheine oder kleine Geschenke. Doch solche Anreize sollten mit Bedacht eingesetzt werden, da sie nicht das Gefühl der Freiwilligkeit und Selbstbestimmung untergraben dürfen. Wichtig ist es, den Ehrenamtlichen nicht das Gefühl zu geben, dass ihre Arbeit „erkauft“ wird, sondern dass ihre Leistungen auf eine sinnvolle und respektvolle Weise anerkannt werden.
Praxisnahe Tipps
In der Praxis gibt es bereits viele Initiativen und Organisationen, die zeigen, wie Wertschätzung im Ehrenamt erfolgreich gestaltet werden kann. Einige dieser Ansätze haben Vorbildcharakter:
- Ansprechpersonen für Ehrenamtliche schaffen: Das meiste Engagement findet lokal vor Ort statt und ist ein wichtiger Bestandteil lebenswerter Gemeinden und Kommunen. Ehrenamtlichen auf Augenhöhe zu begegnen, ihre Bedarfe, Sorgen und Vorschläge ernst zu nehmen, ist die wichtigste Form der Anerkennung und Wertschätzung.
- Dankeschön-Veranstaltungen und Feiern: Einmal im Jahr ein Fest zu organisieren, bei dem Ehrenamtliche zusammenkommen und gefeiert werden, ist eine einfache, aber wirkungsvolle Möglichkeit der Wertschätzung. Solche Events stärken das Gemeinschaftsgefühl und bieten Gelegenheit, öffentlich „Danke“ zu sagen.
- Öffentlichkeitswirksame Wertschätzung: In digitalen und analogen Medien gibt es viele Möglichkeiten, um Dankbarkeit und Wertschätzung auszudrücken. Social Media-Plattformen, Plakate oder Zeitungsartikel können genutzt werden, um die Geschichten der Ehrenamtlichen zu erzählen und ihre Arbeit sichtbar zu machen. Das führt nicht nur zur Anerkennung bestehenden Engagements, sondern auch zur Gewinnung neuer Ehrenamtlicher.
- Ehrenamtspreise und Auszeichnungen: Viele Kommunen und Organisationen verleihen Ehrenamtspreise, um besondere Leistungen auszuzeichnen. Diese Preise lenken nicht nur die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Engagement, sondern geben den Ehrenamtlichen auch das Gefühl, dass ihre Arbeit von der Gesellschaft wahrgenommen und gewürdigt wird.
Wertschätzung im Ehrenamt als Schlüssel für nachhaltiges Engagement
Ehrenamtliches Engagement ist das Rückgrat unserer Gesellschaft. Ohne die zahlreichen Freiwilligen, die ihre Zeit und Energie für andere einsetzen, wären viele Projekte und Initiativen nicht möglich. Die Wertschätzung dieser Arbeit ist daher nicht nur ein Akt der Dankbarkeit, sondern auch ein Schlüssel zur Förderung und zum Erhalt des Ehrenamts. Organisationen müssen neue Wege finden, um die veränderten Bedürfnisse der Freiwilligen zu verstehen und auf diese einzugehen. Dabei geht es weniger um große Gesten, sondern um eine kontinuierliche, aufrichtige Anerkennung, die zeigt, dass die Arbeit der Ehrenamtlichen gesehen, respektiert und geschätzt wird.
Nur durch eine gezielte und respektvolle Wertschätzung kann das Ehrenamt auch in Zukunft bestehen und sich weiterentwickeln. Denn am Ende steht die Erkenntnis: Wer andere unterstützt, verdient selbst Unterstützung und Dankbarkeit.
Zum Nachlesen:
Quelle: Simonson, J., Kelle, N., Kausmann, C., & Clemens Tesch-Römer (Hrsg.) (2021): Freiwilliges Engagement in Deutschland – Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019. Berlin: Deutsches Zentrum für Altersfragen.
Anerkennungsformat TeamEhrenamt-Wochenende
Qualifizierungsprogramm FuturE
Förderpreis EngagementGewinner der DSEE
Verfasst von:
Anna-Katharina Friedrich
Referentin Engagementförderung, Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt