Ausgabe: Januar-Februar 2025
SchwerpunktWertvoll und unverzichtbar

Anerkennung für ehrenamtliches Engagement
Das ehrenamtliche Engagement in der Kirche ist von unschätzbarem Wert. Laut Freiwilligensurvey engagierten sich 2019 rund 4,9 Millionen Menschen in diesem Bereich, eine deutliche Steigerung in absoluten Zahlen gegenüber den 3,2 Millionen im Jahr 2009. Anerkennung ist jedoch weder bei der Aufnahme noch beim Beenden von Engagement ein Hauptgrund. Warum sollte Wertschätzung bzw. Anerkennung dennoch eine wichtige Rolle im Engagement Management spielen und wie könnte Wertschätzung differenziert nach den Engagement-Phasen seinen Ausdruck finden? Und, wie könnte Anerkennung kreativ, virtuell und partizipativ gestaltet werden? Die folgenden Überlegungen können eine Anregung für alle Beteiligten vor Ort sein.
Kirche wird traditionell getragen von einer Vielfalt ehrenamtlichen Engagements. Neben Wahlämtern finden sich kurzfristige beziehungsweise projektbezogene, mittel- und langfristige Formen des Engagements. Ausgerichtet kann das Engagement sein auf die Stärkung und den Erhalt der kirchlichen Gemeinschaft beziehungsweise ein über die Gemeinschaft hinausgehendes Hineinwirken in Gesellschaft.
Auch wenn Anerkennung bei der Motivlage zur Aufnahme oder zum Beenden von Engagement eher eine nachgeordnete Rolle spielt, ist sie wesentlich für die Zufriedenheit und Bindung der Engagierten, so zeigen es die Befragungsergebnisse des Freiwilligensurveys. Deshalb sollte Wertschätzung unbedingt im Engagement-Management einen eigenen Platz erhalten. Denn erhaltene Anerkennung beeinflusst die Wahrnehmung des eigenen Engagements positiv und ist auch im Rückblick bedeutsam.
Dies gilt besonders für kurzfristig – beispielsweise in einer Krisensituation (etwa nach einer Unwetterkatastrophe) oder projektbezogen – Engagierte, die sich in einer anderen Lebensphase ein dauerhaftes Engagement vorstellen könnten. Gerade für kurzfristig Engagierte ist die unmittelbare und direkte Anerkennung wichtig. Doch fehlt häufig die Zeit und der Fokus liegt auf der Bewältigung der Krise oder dem Abschluss des Projekts. Im Anschluss an das Engagement sollte daher die konkrete Wirkung des Einsatzes sichtbar gemacht und nach Möglichkeiten gesucht werden, Angebote zur Vernetzung zu schaffen und Informationen über künftiges (projektbezogenes) Engagement zu platzieren. Dies wirkt als Wertschätzung und erhöht die Bindung.
Praktische Umsetzung der Anerkennungskultur
Für Engagierte in der Einstiegsphase könnte eine erste Anerkennung durch ein Willkommenspaket mit personalisierten Informationen ausgedrückt werden. Ein Mentoring-Programm verbessert das Ankommen und erhöht die Bindung, während die Vorstellung im Gemeindebrief oder in anderen Medien die Engagierten sichtbar werden lässt.
Bei langfristig Engagierten bieten sich andere Möglichkeitsräume zur Anerkennung, beispielsweise durch mindestens einmal jährlich stattfindende persönliche Gespräche oder öffentliche Würdigungen zu besonderen Anlässen. Die Schaffung von Weiterbildungsmöglichkeiten zur persönlichen Entwicklung und das Einbinden in Entscheidungsprozesse beziehungsweise die Möglichkeit zur Mitgestaltung würdigt die Erfahrung und das Engagement in besonderer Weise.
Engagierte, die ihr Ehrenamt beenden wollen, sollten in die Gestaltung des Abschieds einbezogen werden. Eine offizielle Verabschiedung mit Würdigung des Engagements kann auch die Einladung beinhalten, künftig wieder in ein Engagement zurückzukehren.
Kreative und digitale Formen der Anerkennung
Im Rahmen der oben dargestellten Phasen des Engagements wurde schon deutlich, dass traditionelle Methoden der Wertschätzung durch Feedback-Gespräche, im Rahmen von internen oder öffentlichen Veranstaltungen sowie durch Gesten, wie Zertifikate oder kleine symbolische Geschenke, wichtig sind. Diese werden meist durch Verantwortliche organisiert und an geeigneter Stelle übergeben.
So wie sich Gesellschaft verändert, verändert sich aber auch Engagement und damit auch die Ausdrucksweisen von Wertschätzung, weshalb im Folgenden einige Beispiele für kreative, digitale und durch Partizipation gekennzeichnete Formate der Anerkennung eingebracht werden. Natürlich ist bei allen digitalen und öffentlichen Formen der Anerkennung der Datenschutz und sind insbesondere die Persönlichkeitsrechte zu wahren.
Die digitale Dankeswand stellt eine virtuelle Plattform im Intranet, der Website oder in sozialen Medien dar, auf der Fotos und kurze Geschichten von Ehrenamtlichen und ihren Projekten geteilt werden können.
Das digitale Dankeschön-Buch kann ebenfalls als Online-Plattform gestaltet werden, auf der andere Engagierte oder hauptberuflich Tätige persönliche Nachrichten und Anekdoten hinterlassen können. Dies kann auch als gedruckte Version oder visuelle Darstellung bei besonderen Anlässen überreicht werden.
Genauso könnte ein regelmäßiger Engagement-Podcast entwickelt werden, in dem Ehrenamtliche von ihren Erfahrungen, Motivationen und Erfolgen berichten. Dies gibt dem Engagement eine Stimme und inspiriert andere.
Ein Engagement-Baum ist wiederum ein analoges Konzept, bei dem jede ehrenamtliche Tätigkeit durch ein Blatt mit dem Namen der bzw. des Engagierten visualisiert wird. Der wachsende Baum zeigt eindrucksvoll die Fülle des Engagements.
Stark partizipativ ausgerichtet ist der Wertschätzungs-Flashmob. Dieser umfasst eine überraschende Aktion, bei der Ehrenamtliche öffentlich geehrt werden. Dies schafft ein Gemeinschaftserlebnis und erhöht die Sichtbarkeit des Engagements.
Besonders für langjährig Engagierte, die ihr Engagement beenden wollen, bieten sich Erfahrungs-Workshops an. In diesem Format gibt es expliziten Raum, um Fähigkeiten und Erfahrungen mit anderen zu teilen, das wechselseitige Lernen zu fördern und individuelle Talente zu würdigen.
Fazit
Eine differenzierte und authentische Wertschätzungskultur ist entscheidend für nachhaltiges ehrenamtliches Engagement in Kirche. Sie stärkt die Bindung der Engagierten, fördert ihr Selbstwirksamkeitserleben und trägt (un-)mittelbar zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Die Herausforderung besteht darin, Wertschätzung als kontinuierlichen Prozess zu verstehen und eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich jeder bzw. jede Engagierte gesehen und anerkannt fühlt. Letztlich ist Anerkennung mehr als nur ein Motivationsinstrument. Sie macht Kirche als Ort der Gemeinschaft erlebbar und ist Ausdruck einer Haltung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und die christlichen Werte der Nächstenliebe und des gegenseitigen Respekts lebt.
Simonson, Julia; Kelle, Nadiya; Kausmann, Corinna; Tesch-Römer, Clemens (Hg.) (2021): Freiwilliges Engagement in Deutschland. Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019. gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Deutsches Zentrum für Altersfragen (DZA). Online verfügbar hier
Zum Engagement nach dem Hagelsturm im Sommer 2023 in Benediktbeuern führte eine Studierendengruppe qualitative Interviews: Wolfinger, Martina; Spießhofer, Isabel; Burg, Melanie; Senftl, Johannes; Wittmann, Sabrina; Aigner, Veronika et al. (2024): Lehrforschungsprojekt: Engagement von Studierenden, Organisator:innen und Dorfbewohner:innen nach dem Hagelsturm im Sommer 2023 in Benediktbeuern. In: KSH Magazin (1), S. 46–47. Online verfügbar hier
Verfasst von:
Martina Wolfinger
Professorin für Metholden und Theorien der Sozialen Arbeit an der Katholischen Stiftungshochschule München (KSH) am Campus Benediktbeuern