Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2025

Schwerpunkt

„Wie ein kleiner Vogel, der versucht zu fliegen und es schafft“

Von links: Andrea Garufo (Schulleiterin, mit Xaver), Cetin (17, Einzelhandelskauffrau), Magdalena (19, Einzelhandelskauffrau), Gabriel (18, Kfz-Mechatroniker), Ahmad (30, Kfz-Mechatroniker), Michael (24, Fachkraft für Lagerlogistik), Eric (23, Zweiradmechatroniker), Barbara Gascher (Konrektorin und Beratungslehrerin). Foto: Michael Kroll

Aktuelle Studien zum Leben junger Menschen in Deutschland zeichnen ein differenziertes, doch insgesamt positives Bild der Lage sowie der persönlichen Empfindungen Jugendlicher und junger Erwachsener mit Blick auf ihre Lebenssituationen und -perspektiven.

oder Distanz zu Demokratie und Gesellschaft kann nicht gesprochen werden. Die Mehrheit der Jugendlichen sieht ihre hervorragenden Aussichten auf dem Arbeitsmarkt […]. Sie haben Zukunftsvertrauen und blicken positiv auf die Möglichkeiten, die ihnen von Staat und Gesellschaft geboten werden. Der Umgang der meisten jungen Menschen mit den vielfältigen Herausforderungen ist weiterhin bemerkenswert pragmatisch: Zentral für sie bleiben der soziale Nahbereich und die Orientierung an Leistungsnormen. Sie passen sich auf ihrer Suche nach einem gesicherten und eigenständigen Platz in der Gesellschaft den Gegebenheiten an und wollen ihre Chancen ergreifen.“

Auch der Zusammenfassung des Ende 2024 vorgestellten Surveys „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten (AID:A)“ des Deutschen Jugendinstituts (DJI) ist die Erkenntnis vorangestellt, dass junge Menschen in Deutschland trotz der Folgen der Corona-Pandemie, der Klimakrise und der wirtschaftlichen Unsicherheiten überwiegend mit ihrem Leben zufrieden seien: „Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 12 und 32 Jahren sind mehrheitlich zufrieden mit ihrem Leben – dennoch fühlen sich sechs Prozent oft isoliert. Die Studie verdeutlicht, wie wichtig Mitschülerinnen und Mitschüler, Freunde, gesellschaftliche Teilhabe und politisches Engagement für das Wohlbefinden junger Menschen sind. Wohlstand ist entscheidend, aber wahres Wohlbefinden geht darüber hinaus. In der Studie werden auch große Herausforderungen sichtbar: Besonders vulnerable Gruppen, etwa von Armut oder Diskriminierung betroffene junge Menschen, haben es bei ihrem Start in ein selbstbestimmtes Leben immer noch schwer. Für ihre Stärkung und die Sicherung guter Entwicklungsbedingungen für alle brauchen wir weiterhin breite Anstrengungen. Eine Schlüsselrolle für das Wohlergehen spielen Familie, Freunde und Bildungsorte. Sie geben Halt und tragen zur Resilienz bei.“

Man muss aus der Komfortzone raus, wie ein kleiner Vogel, der versucht zu fliegen und es schafft.

Im Gespräch mit sechs Auszubildenden aus unterschiedlichen Berufsausbildungen und Lehrjahren, die vielfältige Lebens- und Migrationshintergründe mitbringen und derzeit die Adolf-Kolping-Berufsschule in München besuchen, konnten einige Erkenntnisse dieser Studien kurz vor Weihnachten 2024 einem Praxis-Check unterzogen werden. Dabei wurde deutlich, dass auch diese Schülerinnen und Schüler nicht ohne Sorgen, doch grundsätzlich optimistisch auf ihre persönliche und berufliche Zukunft blicken.

Ausbildung ist ein bisschen anstrengend und so, aber ich werde es schon schaffen.

Dass es sich lohnt, eine Ausbildung zu absolvieren und in schwierigen Situationen durchzuhalten oder sich auch mal durchzubeißen – davon waren alle in der Runde überzeugt. Wichtig ist, dass der Beruf zu einem passt und die Ausbildung Erfolgserlebnisse bietet. Dann können die jungen Menschen auch schon einmal über schwierige Vorgesetzte, über im Arbeitsalltag immer wieder präsente Erfahrungen von Ausnutzung oder rassistischer Diskriminierung oder über die Angst vor Kündigung hinwegsehen und motiviert bleiben.

Ich möchte schnell Geld verdienen und schnell eine große Wohnung finden.

Denn über das Ziel all ihrer Mühen waren sich fast alle Auszubildenden einig: Eine abgeschlossene Ausbildung bietet Sicherheit, sie ermöglicht eine eigenständige Existenz und ein gutes Einkommen. Möglichst viel Geld zu verdienen ist wichtig, um später eine Familie gründen und finanziell absichern und sich den passenden Wohnraum leisten zu können. Oder um die Familie im Herkunftsland unterstützen und eventuell sogar dort irgendwann eine selbständige Existenz aufbauen zu können.

Eine eigene Familie ist auf jeden Fall ein Ziel.

Ich mache eher so mein eigenes Ding.

Wenn Familie als Raum erlebt wird, der Geborgenheit und Unterstützung auch in schwierigen (Ausbildungs-)Situationen bietet, ist sie für die meisten eine enorm wertvolle Ressource, ohne die das Leben nicht vorstellbar scheint. Die Gründung einer eigenen Familie ist damit selbstverständliches Lebensziel. Negative Familienerlebnisse jedoch führen auch zum individuellen Rückzug und zu einer Perspektive, in der familiäres Zusammenleben zunächst nicht erstrebenswert scheint.

Wenn man sich die Mieten anschaut, das kannst du gar nicht mehr bezahlen.

Eine Wohnung zu finden, die attraktiv und finanzierbar ist, stellt für alle befragten Auszubildenden die größte Sorge dar. Die Schaffung bezahlbaren Wohnraums für junge Menschen und Familien wird daher auch als größtes Anliegen an die Politik formuliert.

Wegen der politischen Situation bin ich ein bisschen sehr negativ gestimmt über die Zukunft.

Ich nehme es hin, wie es kommt.

Bei weiteren politischen und weltweiten gesellschaftlichen Themen wurde im Gespräch eine deutliche Spreizung erkennbar: Während einzelne junge Menschen sich regelmäßig – und auch in klassischen Nachrichtenmedien – über politische Entwicklungen informieren und sie die Sorge über kriegerische Auseinandersetzungen, über Putin, Trump, Xi und Co. oder den Klimawandel umtreibt, sind andere an derartigen Themen kaum interessiert; sie ziehen sich ganz auf ihr privates Umfeld und ihre eigenen Themen zurück.

In einer normalen Berufsschule geht man unter.

Ein Mehr an außerfamiliären Unterstützungsangeboten in schwierigen Ausbildungssituationen und insbesondere dann, wenn die Ausbildung kurz vor einem möglichen Abbruch steht, wird jedoch einhellig gewünscht – und auch deutlich mehr Sprachförderung in der Schule. Es ist jedoch allen klar, dass das ein Problem ist, das politisch gelöst werden muss. Denn mit ihrer Schule sind die Schülerinnen und Schüler rundum zufrieden: Sie schätzen die vergleichsweise kleinen Klassen in der Adolf-Kolping-Berufsschule ebenso wie individuelle Begleitung, Unterstützung und Motivation durch ihre Lehrkräfte und Ausbilder sowie deren stets offenes Ohr für Probleme im persönlichen oder beruflichen Kontext.

Das kann jeder schaffen, wenn er an sich glaubt.

Nicht jeder hat oder braucht Vorbilder. Manche genügen sich selbst, manche denken dabei an ihre Familie. Und doch wurde ein Vorbild genannt: Cristiano Ronaldo. Der sei nicht nur der beste Fußballspieler der Welt, sondern als cooler Mensch ein Vorbild – und mit seiner Fitness sowie in dem, was er sagt, wie er sich verhält und wie er mit Kritik umgeht.

Dafür braucht es die Ausbildung, das Geld, den Beruf.

Ziele und Mut, Zuversicht und Durchhaltevermögen, Halt und Unterstützung – das und noch viel mehr besitzen und benötigen die sechs jungen Menschen, die für dieses Gespräch über ihre Sicht auf ihr Leben zur Verfügung standen. Sie haben in ihren Worten das bestätigt, was das DJI so formuliert hat: Wohlstand ist entscheidend, aber wahres Wohlbefinden geht darüber hinaus.


Verfasst von:

Michael Kroll

Landes-Caritasverband Bayern