Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2025

Schwerpunkt - Vor Ort

Wie geht es von hier aus weiter?

Welche Möglichkeiten gäbe es, zum Frieden zu kommen? Darüber würde sich einige junge Menschen gerne intensiver mit Erwachsenen aus der Friedensbewegung austauschen. Foto: Pat Christ

Junge Menschen sind in den aktuellen Krisenzeiten vielen Belastungen ausgesetzt

Man muss ziemlich cool sein, um gut drauf zu bleiben in einer Zeit, in der man, wo immer man auch hinblickt, auf „Krise“ trifft. Viele junge Leute wirken auf den ersten Blick auch ziemlich cool. Doch innen schaut das oft anders aus.

Nico ist in letzter Zeit gar nicht mehr cool. „Ich habe große Angst vor einem Atomkrieg“, gibt der Neunzehnjährige aus der Würzburger Don-Bosco-Schule zu. Blickt Nico in die Zukunft, ist es irgendwie … leer: „Ich weiß nicht, wie es politisch weitergehen soll.“

Nico ist froh, dass er in einer Demokratie lebt. Der Auftrieb der Rechten, sagt er, mache ihm Angst. Könnte der am Ende die Demokratie gefährden? Nico ist froh, dass er die Chance hat, in der Würzburger Caritas-Schule eine Ausbildung durchlaufen zu können. Aber alles, was ihn bisher froh gemacht hat, zählt im Moment nicht mehr so richtig. „Selbst auf meinen Bildungsweg kann ich mich nicht mehr wirklich konzentrieren“, gibt er zu. Immer mehr Länder, hört Nico in den Nachrichten, werden in einen Krieg hineingezogen. Die Situation wird immer bedrohlicher. Das macht nicht nur ihm große Angst: „Alle meine Kumpels haben Angst vor einem Atomkrieg.“ Manche noch größere als er.

Bisher ist es noch kaum einmal vorgekommen, dass Nico irgendeinem Erwachsenen seine Angst eingestanden hätte. Nur mit seinen Kumpels kann er darüber reden, welche Horrorvorstellung das für ihn wäre, atomar verseucht zu werden. Nico würde sich wünschen, dass es Angebote gibt, wo junge Leute über das, was sich da aktuell so gespenstisch zusammenbraut, reden könnten. Um besser zu verstehen. Nico hatte noch nie Kontakt zu einem Menschen aus der Friedensbewegung. Würde es so etwas wie einen „Friedensworkshop“ oder einen „AK Frieden“ geben, wo man mehr Hintergründe erfährt, sagt er, wäre er sofort dabei.

Das Schlimme an Ängsten ist, dass man durch sie gar keinen klaren Gedanken fassen kann. Durch konkrete Aktionen, weiß Nico, wäre es möglich, dem Gefühl, ausgeliefert zu sein, zu entfliehen. Das wäre ein schöner Nebeneffekt, denkt er sich: Würde es einen „AK Frieden“ geben, mit alten Hasen aus der Friedensbewegung, könnten daraus vielleicht Aktionen entspringen. Zwar denkt Nico insgeheim, dass er, selbst zusammen mit seinen Kumpels, eigentlich nichts bewirken kann. Dass ganz Deutschland letztlich nicht viel bewirken kann. Weil es weltpolitische Player gibt, die an den Schalthebel der Macht sitzen. Aber irgendetwas zu tun, das hält zumindest die Ängste in Schach.

Wirtschaftliche Sorgen

Jugendseelsorger Roland Lutz vom Jugendhaus St. Kilian in Miltenberg. Foto: Pat Christ

Dass Nico denkt, wie er denkt, hätten die meisten Erwachsenen in seiner Umgebung nie von ihm gedacht. Das ist ein generelles Problem, meint Jugendseelsorger Roland Lutz vom Jugendhaus St. Kilian in Miltenberg: Weil Jugendliche im digitalen Zeitalter andere Kommunikationswege nutzen als Erwachsene, ist es für Letzteres gar nicht einfach, nah dranzubleiben. Gleichzeitig sei es angesichts der krisenbedingt turbulenten Zeiten wichtiger denn je, mit offenem Ohr hinzuhören, was junge Menschen bewegt. Er selbst bekam in letzter Zeit mehrfach mit, wie stark junge Leute wirtschaftlich belastet sind.

Noch vor ein paar Jahren hat man ziemlich bedenkenlos auf den Einkaufszettel schreiben können, was man im Laden haben möchte. Diese Zeiten sind in vielen Familien vorbei. Es muss gespart werden. Das bekommt Roland Lutz durch seine Arbeit konkret mit: „Bei unseren Teamern hören wir immer häufiger, dass sie nicht zuletzt deshalb Kurse übernehmen, weil sie dafür eine Aufwandsentschädigung erhalten.“ Diesen Grund nannte unlängst auch eine ehemalige Bundesfreiwillige, die derzeit alles tut, um Geld zu verdienen, bevor sie demnächst ins Studium einsteigt: „Bei einem Discounter räumt sie im Moment Regale ein.“

Nicht nur Bürgerinnen und Bürger müssen knapsen, auch immer mehr Kommunen lassen durchblicken, dass bald eine Haushaltskrise drohen könnte. Dies wiederum könnte sich, tritt das tatsächlich ein, vor allem auf junge Menschen negativ auswirken. Angebote könnten verknappt werden. Dabei bräuchte es mehr Angebote. Roland Lutz würde sich wünschen, dass für junge Menschen mehr Freiräume geschaffen werden, wo sie sich mit ihren Themen ausgiebig beschäftigen können. In Miltenberg bemüht sich das Jugendhaus St. Kilian eben darum. Bei den angebotenen Kursen liegt der Fokus auf Gemeinschaftserfahrungen. Kooperationsspielen kommt eine hohe Bedeutung zu.

Dass Geld bei jungen Menschen inzwischen eine große Rolle spielt, dass sie deshalb während des Studiums oder in den Ferien jobben müssen, das erfährt auch Andreas Kees, Geistlicher Leiter der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) in der Diözese Würzburg. Er kennt junge Leute, die, weil sie sich um ihre Existenzsicherung bemühen müssen, unglaublich eingespannt sind: „Sie studieren, machen einen Nebenjob und sind dann auch noch ehrenamtlich aktiv.“ Innerhalb des Verbands wurde vor kurzem darüber diskutiert, ob man den Ehrenamtlichen nicht mehr Aufwandsentschädigung zahlen sollte. Doch das stößt an Grenzen: „Wir als Verband müssen uns ja selbst über Wasser halten.“

Jobs fallen weg

Auch der Jobabbau macht jungen Menschen zu schaffen, erfuhr Andreas Kees Ende vergangenen Jahres, als er im Diözesanausschuss mit 16 jungen Leuten im Alter zwischen 20 und 28 Jahren darüber sprach, was sie gerade am meisten beschäftigt. Einer der Teilnehmer arbeitet in einer Autowerkstatt. „Da kriege ich mit, wie schlecht es der Wirtschaft geht“, äußerte er in der Runde. Mehr oder weniger täglich ist von der Pleite eines großen Unternehmens zu lesen. Fast jeden Tag kündigt ein Betrieb an, dass er Stellen streichen will. Oft hunderte Stellen auf einmal. „Das bereitet diesem jungen Mann gerade große Sorgen“, erzählt Andreas Kees.

Könnte man nur die Reißleine ziehen! Könnte man nur all die gefährlichen Entwicklungen stoppen! Aber was kann man schon ausrichten… In den Gesprächen mit den 16 jungen Leuten erfuhr Andreas Kees, als wie bedrohlich zum Beispiel auch die Wahl von Donald Trump angesehen wird. Es beunruhigt, was in Syrien passiert. Und es macht Angst, dass so viele Menschen die AfD wählen. Wobei das mit dem Wählen ohnehin so eine Sache ist. „Wen soll ich bloß wählen?“, äußerte einer der Jugendlichen Ende vergangenen Jahres, als er an die Neuwahl im Februar 2025 dachte. „Die etablierten Parteien scheinen nicht mehr das zu bieten, was zu jungen Leuten passt“, so das Fazit von Andreas Kees.

Gerade in der Weihnachtszeit war der Stress bei jenen jungen Menschen, mit den er ausgiebig über das sprach, was sie gerade beschäftigt, immens. So vieles musste im Betrieb noch fertig werden. Überstunden häuften sich. Und dann all die Krisen. Kaum einer habe den Advent genießen können. „Ich bin am Limit“, meinten viele. Das gab Andreas Kees zu denken. Das muss, findet er, in der Jugendarbeit berücksichtigt werden: „Junge Menschen haben heute so viel Stress, da können wir von ihnen nicht mehr so viel fordern wie früher.“ Wichtig sei es, Möglichkeiten zu punktuellem Engagement zu eröffnen. Damit sich der Stress im Ehrenamt in Grenzen hält.


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin