Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2025

Schwerpunkt - Vor Ort

Wie Gott sich heute zeigt

Der Jugendpastoral ist ein weiter Berufungsbegriff zu eigen. Sie fragt zunächst nach einer Berufung zum Menschsein und stellt Chancen bereit die eigene Persönlichkeit. Foto: Daniel Köberle

Jugendpastoral in der Pfarrei

„Jugendpastoral bezeichnet den Dienst der Kirche durch junge Menschen, mit ihnen und für sie. Sie hat ihnen in allen Belangen ihres Lebens zu dienen. Die Kirche braucht die Vision, den Glauben, die Kraft, den Einspruch und den Einsatz der jungen Menschen.“

 

Diese Sätze aus den Leitlinien zur Jugendpastoral der deutschen Bischöfe (2021) bilden den Kern des jugendpastoralen Auftrags der katholischen Kirche und stellen gleichzeitig den Bedarf der Kirche dar, der durch junge Menschen erfüllt werden kann. Diese Sätze finden sich in den aktuellen Leitlinien zur Jugendpastoral der Deutschen Bischöfe aus dem Jahr 2021: Wirklichkeit wahrnehmen – Chancen finden – Berufung wählen.

Die Abteilung Kinder- und Jugendpastoral ist aktuell damit betraut, dieses Papier für die Gegebenheiten in der Erzdiözese zu übersetzen und anzuwenden. Dabei setzen wir uns auch damit auseinander, was es bedeuten kann, in der Pfarrei und im Pfarrverband Jugendpastoral so zu gestalten, dass sie dem obigen Dreischritt folgt.

Wirklichkeit wahrnehmen – Das Leben wahrnehmen, wie es ist

In der Arbeit mit, durch und für junge Menschen leistet die Jugendpastoral Bereicherndes, Inspirierendes, Wertvolles und Zukunftsträchtiges für die Kirche – vor allem vor Ort. Foto: Daniel Köberle

Die Wirklichkeit der jungen Menschen wahrzunehmen bedeutet zuerst, sich von dieser Welt ansprechen und berühren zu lassen – nicht vor ihr wegzulaufen. Diese Wirklichkeit wahrzunehmen, bedeutet mitunter auch Realitäten, Haltungen und Einstellungen wertschätzend auszuhalten. Gleichzeitig besteht der Auftrag darin, einen Überblick zu bekommen über die Lebensrealität der jungen Menschen vor Ort: Welche jungen Menschen (Alter, Herkunft usw.) zeigen sich mir? Welche Chancen und Herausforderungen der jeweiligen Lebenswirklichkeit kann ich identifizieren? Welche möglichen Kooperationen ergeben sich für mich? Wo sehe ich Bedarfe, die (noch) nicht gedeckt werden? Auf welche dieser Bedarfe hätte die Jugendpastoral eine Antwort?

Ansätze, die die aktuelle Jugendpastoral in der Pfarrei diesbezüglich verfolgt beziehungsweise anwendet, sind Sozialraumorientierung und Milieu- beziehungsweise Differenzsensibilität. Die Orientierung am Sozialraum zielt im Feld der Jugendpastoral darauf ab, die Lebensbedingungen und sozialen Strukturen eines bestimmten geografischen Raums – zum Beispiel der Pfarrei/des Pfarrverbands – zu analysieren und darauf aufbauend Maßnahmen zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse der dort lebenden jungen Menschen abgestimmt sind. Dabei steht die aktive Beteiligung der Menschen im Mittelpunkt. Milieusensibel bedeutet, dass bei der Gestaltung von Angeboten, Kommunikation oder Maßnahmen die besonderen Werte, Normen, Bedürfnisse, Lebensstile und sozialen Hintergründe verschiedener gesellschaftlicher Milieus berücksichtigt werden. Es ist ein Ansatz, der auf Verständnis, Respekt und Anpassung an die vielfältigen Lebenswelten von Menschen abzielt. In Verbindung mit einer Differenzsensibilität (also dem Bewusstsein, dass wir alle unterschiedlich sind und unterschiedliche Bedürfnisse haben) kann dies bedeuten, sich zu fragen, wie man Barrieren (zum Beispiel Sprache, Behinderung, finanzielle Ressourcen) möglichst klein hält und ein vielfältiges Angebot für vielfältige junge Menschen schafft.

Chancen finden – Das Leben deuten, wie es von Gott her sein kann

Eine Kernaufgabe der Jugendpastoral ist die Persönlichkeitsentwicklung, denn Persönlichkeit hat man nicht, man wird sie. Diese Entwicklung soll angestoßen und begleitet werden. Durch die Konfrontation mit Herausforderungen und die Ermutigung die eigene Komfortzone zu verlassen regen wir junge Menschen an, nicht nur auf Gegebenes zu reagieren, sondern Zukunft selbst zu erzeugen. Entscheidend dabei ist, dass kontinuierliche Prozesse ermöglicht werden und Begleitung in einem entsprechenden Umfeld gewährleistet ist. Für die Jugendpastoral in der Pfarrei und im Pfarrverband bedeutet dies zunächst die Frage an sich selbst zu stellen, was man will und was man lohnend findet und dann diese Deutungsangebote den jungen Menschen zur Verfügung zu stellen.

Arbeitsweisen, die diese Kernaufgabe ermöglichen, sind die Priorisierung eines personalen Angebots und die Gewährleistung von geschützten Räumen. Ein personales Angebot in der Jugendpastoral bezeichnet eine Form der Begleitung oder Unterstützung, die sich direkt auf die Beziehung konzentriert. Es geht dabei nicht primär um vorstrukturierte Programme oder allgemeine Angebote, sondern um eine persönliche Begegnung, bei der die individuellen Bedürfnisse, Fragen und Lebenssituationen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Mittelpunkt stehen. In der Jugendpastoral findet diese persönliche Beziehung nicht nur zwischen haupt- beziehungsweise ehrenamtlichem Begleiterinnen und Begleiter und dem jungen Menschen statt, sondern auch zwischen den Jugendlichen selbst.

Jugendpastoral muss einen Schutzraum für junge Menschen bieten: Angebote der Jugendpastoral müssen frei sein von jeglicher Form der Gewalt: sexualisierter (Präventionskonzepte der Pfarrei/des Pfarrverbands und entsprechende Schulungen von Haupt und Ehrenamtlichen sind unseres Erachtens Pflicht), physischer, psychischer u. a. Gleichzeitig sollen sie ein Ort sein, an dem Fehler gemacht werden dürfen, Herausforderungen bewältigt werden können und man an seinen Aufgaben wächst. Sie bieten Freiräume um zu experimentieren und ermöglichen es bereichernde Erfahrungen zu machen.

Berufung wählen – Das Leben wählen, wie es der inneren Berufung entspricht.

„Was will ich eigentlich wirklich?“ Wenn sich jungen Menschen diese Frage stellen, ist nach dem gefragt, was wir Berufung nennen. Aus gläubiger Perspektive ist dies die Überzeugung, dass jeder Mensch von Gott einen einzigartigen Plan oder eine Aufgabe im Leben erhalten hat. Diese Berufung steht im Zusammenhang mit der persönlichen Beziehung zu Gott, den individuellen Gaben und Fähigkeiten sowie dem Wunsch, das eigene Leben im Dienst Gottes und der Mitmenschen zu gestalten. Der Jugendpastoral ist ein weiter Berufungsbegriff zu eigen. Sie fragt zunächst nach einer Berufung zum Menschsein und stellt Chancen bereit, die eigene Persönlichkeit, den eigenen Stil und Weg immer erkennbarer werden zu lassen. Gleichzeitig ist sie sprachfähig, wenn sich ein junger Mensch in spezielle Berufung gerufen fühlt.

Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, wird sich die Jugendpastoral in der Pfarrei ganz bewusst auch mit der Beziehung zwischen Gott und den Menschen auseinandersetzen und sie klug und mutig zur Sprache bringen. Das heißt, dass bei jungendpastoralen Angeboten in der Pfarrei Spiritualität und Gebet nicht fehlen dürfen, dass man die bestehende Gemeinschaft auch für den Austausch solcher Fragen nutzt und dass man junge Menschen ermutigt Schritte, die zur Entfaltung der eigenen Berufung führen, zu gehen.

Zum Schluss

Die Erwartungen an die Jungendpastoral sind hoch und mitunter nur mit größeren Anstrengungen zu erfüllen – in der Pfarrei und im Pfarrverband vor Ort, wie in der Gesamtkirche. In der Arbeit mit, durch und für junge Menschen leistet die Jugendpastoral Bereicherndes, Inspirierendes, Wertvolles und Zukunftsträchtiges für die Kirche – vor allem vor Ort. Damit dies gelingen kann, braucht es Personen, Räume und finanzielle Ressourcen.

Nur so gelingt ein wertschätzender Blick auf die Lebenswelt junger Menschen, eine Bereitwilligkeit Deutungsangebote zur Verfügung zu stellen und die Neugier zusammen mit jungen Menschen auf die Suche nach einem Leben zu gehen, das der inneren Berufung entspricht. Nur so kann „die Kirche mit jungen Menschen selbst [lernen], wie Gott sich heute zeigt“ (Die deutschen Bischöfe 2021).


Verfasst von:

Christoph Nette

Fachreferent im Erzbischöflichen Jugendamt, Stabsstelle Grundsatzfragen der Erzdiözese München und Freising