Ausgabe: Mai-Juni 2025
Gesichter des LandeskomiteesBegeistert sein
Kirchliches Engagement hat viele Gesichter

Hermann Sollfrank (60 Jahre) ist seit 2021 als Caritasdirektor beim Caritasverband München und Freising und in dieser Funktion ebenfalls seit 2021 beim Landeskomitee der Katholiken in Bayern als berufenes Mitglied tätig.
Hermann Sollfrank liegt besonders ein solidarisches Miteinander am Herzen.
Was hat Sie schon in Ihrer Jugend inspiriert, sich für soziale oder kirchliche Themen zu engagieren?
Mein Engagement für soziale und kirchliche Themen begann klassisch als Ministrant, doch entscheidend geprägt haben mich prägende Begegnungen – insbesondere mit einer Armen Schulschwester im Firmunterricht. Sie verband Glaubensinhalte mit unseren Lebensfragen und zeigte, wie der Heilige Geist uns erfüllen kann. Meine damalige Firmmappe habe ich bis heute.
In der Jugendverbandsarbeit, ob in der KJG oder im BDKJ, lernte ich, Glauben mit Verantwortung zu verknüpfen – sei es durch Gruppenstunden, kirchliche Festgestaltungen oder politisches Engagement. In Dachau, einem Ort mit historischer und gesellschaftlicher Verantwortung, wurde mir bewusst, wie eng kirchliches und soziales Handeln zusammenhängen.
Besonders prägend war mein Zivildienst bei der Caritas: im Fahrdienst, in der Lernhilfe für Kinder aus schwierigen Verhältnissen und im ersten Kontakt mit der Alten- und Behindertenhilfe. Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, dass kirchliches Engagement weit über den Gottesdienst hinausgeht – es bedeutet, mitten in der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen.
Gab es bestimmte Erlebnisse oder Begegnungen in Ihrem Leben, die Sie nachhaltig geprägt und motiviert haben?
Ja, es gab viele prägende Begegnungen mit Menschen, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren – als Anreger, Berater, Begleiter oder auch als kritische Stimmen. Ein besonderer Moment war die Ermutigung meines Berufsschullehrers, das Abitur nachzuholen – eine Entscheidung, die meinen Weg maßgeblich beeinflusst hat.
Ebenso haben mich Erfahrungen mit Not und Krankheit, sowohl bei anderen als auch persönlich, tief geprägt. Wer materielle Unsicherheit kennt oder die Angst vor Arbeitsplatzverlust – etwa durch Kurzarbeit –, versteht, wie existenziell soziale Sicherheit ist.
Gleichzeitig empfinde ich es als großes Privileg, mit motivierten Menschen zusammenzuarbeiten. Ihr Einsatz und ihre Überzeugung sind für mich nicht nur inspirierend, sondern auch ein Antrieb, mich selbst immer wieder mit vollem Engagement einzubringen.
Welche Werte oder Überzeugungen haben Sie durch die verschiedenen Stationen Ihres Lebens getragen und Ihr Handeln bestimmt?
Ich bin ‚hungrig aus dem Studium gegangen‘ – nicht nur nach Wissen, sondern nach Verständnis, nach Wegen, um Herausforderungen zu meistern und sinnvolle Veränderungen zu bewirken. Diese Neugier, dieses Drängen, die Welt nicht nur zu begreifen, sondern auch aktiv mitzugestalten, hat mich stets angetrieben und begleitet mich bis heute.
Gleichzeitig ist mein Vertrauen auf Gott eine Konstante, die weit über das bloße Fürwahrhalten hinausgeht. Seit meiner Kindheit gibt mir der Glaube eine tiefe innere Verankerung – nicht als einfache Antwort auf komplexe Fragen, sondern als Quelle von Zuversicht und Orientierung. Er ermutigt mich, auch in Zeiten der Unsicherheit mit Offenheit und Entschlossenheit meinen Weg zu gehen.
Welche Botschaft oder welche Werte möchten Sie Ihren Enkeln aus Ihrer Lebensgeschichte und Ihrem Engagement mitgeben?
Meinen Enkeln würde ich vor allem vier Grundwerte mit auf den Weg geben: Gerechtigkeit, Glaube, Hoffnung und Liebe. Sie sind für mich mehr als abstrakte Prinzipien – sie sind Orientierungspunkte für ein Leben in Gemeinschaft und Verantwortung: Gerechtigkeit bedeutet, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere einzustehen. Der Glaube kann eine Quelle der Kraft sein, die Hoffnung ein Anker in schwierigen Zeiten, und die Liebe – verstanden als echte Zuwendung zum anderen – das Fundament für ein erfülltes Leben.
Genauso wichtig ist mir, dass sie Vertrauen in ihre eigene Stärke entwickeln. Jeder Mensch hat Begabungen, die es zu entdecken und zu entfalten gilt. Ich wünsche ihnen, dass sie die Welt mit kritischem, aber konstruktivem Blick betrachten, sich mutig Ziele setzen und Herausforderungen nicht aus dem Weg gehen. Und dass sie dabei spüren, dass sie nicht allein sind – denn wer sich auf Gott vertrauen kann, findet auch in unsicheren Zeiten Halt und Zuversicht.
Was wünschen Sie sich für die kommenden Generationen in Bezug auf gesellschaftliches und kirchliches Engagement?
Vielleicht sollten wir die Frage umdrehen: Was erwartet die kommende Generation eigentlich von uns? Welche Verantwortung tragen wir, um ihr eine lebenswerte Zukunft zu hinterlassen?
Ich glaube, unsere Aufgabe ist es, eine Gesellschaft mitzugestalten, die human, gerecht und demokratisch bleibt – und sie nicht als Selbstverständlichkeit zu betrachten, sondern als wertvolles Gut, das immer wieder verteidigt und erneuert werden muss. Wir müssen Räume schaffen, in denen junge Menschen Verantwortung übernehmen können, statt ihnen nur fertige Antworten zu liefern.
Auch die Kirche steht vor Veränderungen. Doch anstatt sie nur zu beklagen, sollten wir die neuen Orte kirchlichen Lebens suchen und entdecken. Kirche war nie nur ein Gebäude oder eine Institution – sie lebt dort, wo Menschen sich aus Glauben und Überzeugung für andere einsetzen. Ich wünsche mir, dass die kommenden Generationen diesen Gestaltungswillen bewahren: für eine Gesellschaft, die auf Solidarität und Mitmenschlichkeit baut, und für eine Kirche, die nicht in Strukturen verharrt, sondern den Menschen nahe bleibt.