Ausgabe: Mai-Juni 2025
Aus dem Landeskomitee"Keine Zuschauer, sondern MItgehende!"
Interview mit dem neuen Vorsitzenden

Christian Gärtner ist der neue Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern. Der 59-jährige Marktforscher aus Oberasbach im Erzbistum Bamberg bringt nicht nur langjährige Erfahrung als Vorsitzender des Diözesanrats Eichstätt mit, sondern auch ein klares Ziel: das Landeskomitee als starke Plattform für engagierte Katholikinnen und Katholiken weiterzuentwickeln. Im Interview mit Gemeinde creativ spricht er über Synodalität, gesellschaftliche Verantwortung – und darüber, warum Laien künftig nicht nur mitreden, sondern auch mitentscheiden sollten.
Gemeinde creativ: Herr Gärtner, herzlichen Glückwunsch zur Wahl. Was ging Ihnen durch den Kopf, als das Wahlergebnis feststand?
Christian Gärtner: Zunächst war da natürlich Freude – auch wenn es nach der positiven Resonanz im Vorfeld nicht ganz überraschend war. Dass das Ergebnis dann mit nur zwei Gegenstimmen so deutlich ausfiel, hat mich sehr gefreut. Aber natürlich mischt sich da auch ein gewisser Respekt vor der Aufgabe hinein: Ich weiß um die Verantwortung, die dieses Amt mit sich bringt. Vor allem aber habe ich mich gefreut – und die Freude ist für mich eine entscheidende Motivation für jedes Ehrenamt. Das war schon immer so bei mir: Ich engagiere mich, weil ich Freude daran habe, mich an diesem Ort und für diese Kirche einzubringen.
Ihre Vorgänger waren parteipolitisch engagiert – Sie sind parteilos. Welche Chancen sehen Sie darin für Ihr Amt?
Ich empfinde das als Vorteil. Die Unabhängigkeit von parteipolitischen Bindungen ermöglicht einen neutraleren, vielleicht auch versöhnlicheren Blick auf gesellschaftliche Debatten. Gerade in aufgeheizten politischen Zeiten tut es gut, nicht sofort in einem Lager verortet zu werden. Ich glaube, ich bin vermutlich nicht der erste Vorsitzende des Landeskomitees ohne Parteibuch – das öffnet vielleicht gerade heute neue Spielräume.
Wo sehen Sie die dringendsten Aufgaben für das Landeskomitee – und was möchten Sie konkret anpacken?
Zwei Stoßrichtungen sind mir wichtig: Zum einen müssen wir als Laien stärker in der Gesellschaft sichtbar werden – als Stimme für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Zum anderen geht es um die Zukunftsfähigkeit unserer Kirche. Synodalität ist da das Stichwort: Wir brauchen eine Kirche, in der Gläubige mitreden – und mitentscheiden. Es ist doch so: Kirche wird meist über Bischöfe wahrgenommen. Dabei haben auch wir Laien eine Botschaft – und wir haben etwas zu sagen.
Sie stehen mitten im Berufsleben. Wie bringen Sie das mit dem Ehrenamt als Vorsitzender zusammen?
Das ist natürlich eine Herausforderung, aber ich halte es für elementar, dass Ehrenamt mit Beruf und Familie vereinbar bleibt. Ich habe das mit meiner Familie besprochen und nutze, wie viele heute, auch die Möglichkeiten des Homeoffice. Aber: Ehrenamt darf kein exklusives Privileg für Menschen mit viel Freizeit sein. Wir müssen Strukturen schaffen, die Engagement ermöglichen – das gilt auf allen Ebenen. Ich finde, das ist sogar eine zentrale Aufgabe aller hauptamtlich in der Kirche Tätigen: das Engagement der Ehrenamtlichen zu ermöglichen. Gemeindeleben funktioniert da gut, wo Pfarrer oder pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ehrenamtliche wirklich ernst nehmen.
Was ist Ihre Vision einer synodalen Kirche auf bayerischer Ebene?
Eine Kirche, in der strategische Entscheidungen – also etwa zur Zukunft von Strukturen oder Finanzen – gemeinsam getroffen werden. Nicht nur Anhörung, sondern Mitentscheidung. Und dafür brauchen wir keine neuen Gremien. Die Strukturen existieren bereits: Pfarrgemeinderäte, Diözesanräte, das Landeskomitee. Wir müssen sie ernst nehmen und mit Kompetenzen ausstatten. Es geht nicht um endlose Diskussionen. Am Ende braucht es auch Mehrheitsentscheidungen. Aber vorher braucht es Dialog. Das ist für mich Synodalität: im Gespräch bleiben, aufeinander hören und versuchen, einen möglichst breiten Konsens zu erzielen.
Im Bistum Eichstätt stehen Sie für einen konstruktiv-kritischen Dialog mit der Bistumsleitung. Was kann der „Eichstätter Weg“ für ganz Bayern bedeuten?
Wir sind nicht die organisierte Opposition in der Kirche. Wir sind Gläubige, die sich bewusst engagieren – idealerweise mit den Bischöfen, nicht gegen sie. Ich wünsche mir auf allen Ebenen einen ehrlichen, respektvollen Dialog. Der gelingt, wenn alle Beteiligten bereit sind, aufeinander zu hören, und sich auch in ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft der Kirche gegenseitig ernst nehmen. Wer mitgestalten will, muss sich nicht über alles empören, sondern Verantwortung übernehmen. Ich verstehe das organisierte Laienapostolat nicht als Opposition, sondern als aktive Mitgestaltung der Kirche – zusammen mit den Bischöfen, Priestern und allen hauptamtlich in der Kirche Tätigen.
Was muss sich in der Kommunikation zwischen Kirchenleitung und Laien ändern?
Die Basis ist vorhanden, viele Gespräche finden statt. Aber ich wünsche mir mehr strukturierte Beteiligung – nicht nur Information, sondern Teilhabe an Entscheidungen. Das stärkt das Vertrauen und die Identifikation mit den getroffenen Maßnahmen – auch wenn sie schmerzhaft sind. Transparenz ist die erste Voraussetzung. Nur wer versteht, was passiert, kann mitgehen – oder auch kritisch mitdiskutieren.
Mehr Mitverantwortung bedeutet auch mehr Mitverpflichtung. Wie wollen Sie Gläubige dafür gewinnen, sich aktiv einzubringen – auch wenn es unbequem wird?
Wir erleben gerade einen tiefgreifenden Wandel: weg von einer Volkskirche mit selbstverständlicher Zugehörigkeit, hin zu einer Kirche, die auf bewusste Entscheidungen ihrer Mitglieder angewiesen ist. Wer mitgestalten will, muss auch Verantwortung übernehmen. Das heißt: nicht nur kommentieren, sondern sich engagieren – trotz aller Widrigkeiten. Wer nichts tut, macht den grundlegenden Fehler, dass er gestaltet wird – und nicht mitgestaltet. Es reicht nicht, nur daneben zu stehen und sich später zu ärgern.
Der Rückgang der Kirchensteuereinnahmen zwingt viele Bistümer zum Sparen. Welche Rolle kann das Landeskomitee dabei spielen?
Zunächst braucht es volle Transparenz. Nur wenn offen gelegt wird, was zur Debatte steht, können Laien fundiert mitentscheiden. Ich plädiere sehr dafür, Betroffene vor Ort in die Prozesse einzubeziehen – sei es bei Immobilienfragen oder strukturellen Umbrüchen. Das ist anstrengend, aber notwendig. Gerade wenn Hauptamtliche weniger werden, ist es umso wichtiger, das Ehrenamt zu stärken. Ich sage mal hoffnungsfroh: Es ist jetzt die Stunde des Ehrenamts in der katholischen Kirche.
Wenn Sie auf Ihre Amtszeit in ein paar Jahren zurückblicken – was möchten Sie dann sagen können?
Zunächst: Ich bin kein Einzelkämpfer. Wir sind ein starkes Team im Präsidium – und Teil eines Netzwerks engagierter Katholikinnen und Katholiken in ganz Bayern. Ich hoffe, dass wir in vier Jahren sagen können: Das Landeskomitee ist ein sichtbarer Akteur in Kirche und Gesellschaft. Und dass wir als Kirche ein gutes Stück weiter auf dem Weg zu echter Synodalität gekommen sind – gemeinsam, verlässlich, im Geist des Evangeliums. Ich wünsche mir, dass man dann spürt: Diese Kirche ist in Bewegung – und wir sind dabei nicht Zuschauer, sondern Mitgehende.
Christian Gärtner, Jahrgang 1966, ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er lebt in Oberasbach im Erzbistum Bamberg und arbeitet als Marktforscher. Seit vielen Jahren engagiert er sich kirchlich, unter anderem als Vorsitzender des Diözesanrats Eichstätt. Als neuer Vorsitzender des Landeskomitees der Katholiken in Bayern möchte er engagierten Gläubigen eine hörbare Stimme geben – in Kirche, Politik und Gesellschaft. Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung und demokratische Teilhabe stehen für ihn im Mittelpunkt.