Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Mai-Juni 2025

Schwerpunkt - Vor Ort

Manche erleben, wie die Wut gärt

Michaela Monno-Linde lässt sich durch kritische Kommentare in Bezug auf ihr kirchliches Engagement nicht beirren. Foto: Pat Christ

In der Kirche Engagierte sehen sich immer öfter kritischen Anfragen ausgesetzt

Es stimmt nicht, dass sich im weltweiten Netz jedwede Information auf einen Klick herbeizaubern lässt. Deshalb haben Beratungsstellen weiterhin hohen Zulauf. Michaela Monno-Linde arbeitet in einer solchen, stark nachgefragten Beratungsstelle: Sie unterstützt pflegende Angehörige im Landkreis Main-Spessart. Das tut sie bei der Caritas. Das Angebot, erzählt sie, wird nicht zuletzt von Menschen angenommen, die der Kirche gegenüber kritisch eingestellt sind. Und kirchliches Engagement infrage stellen.

Wie kann man nur, meinen die, für die Kirche seine Freizeit opfern. Oder in einer kirchlichen Organisation beruflich tätig sein: „Dass du immer noch bei diesem Laden bist!“ Michaela Monno-Linde hat das schon öfter gehört. Zum Glück, so die 57-Jährige, sei sie nie „direkt angeschossen“ worden. Die Kritik war in der Regel allgemein gehalten. In gewisser Weise sei sie nachvollziehbar, meint die Katholikin, die sich ehrenamtlich in ihrer Pfarrei als Lektorin engagiert. Sie selbst stört einiges an der Kirche: „Vor allem der Machtmissbrauch.“ Aber auch die sexuellen Übergriffe durch Kleriker seien „etwas Fürchterliches“. Die Kirche, meint sie, müsste sich deutlich wandeln.

Angesichts der Tatsache, dass so viel Wut gärt, würden Werbeexperten, fragte man sie, was zu tun sei, vermutlich vorschlagen, dass sich die Institution relaunchen müsste. An eben diesem „Relaunch“ arbeitet Michaela Monno-Linde an der Basis mit. Die Kirche an sich, so die Christin, könne sie nicht retten. Das müsste die Kirche schon selbst besorgen: „Doch es ist möglich, für positive Mikrobewegungen zu sorgen.“ Bestes Beispiel ist für sie das Trauercafé in Lohr, das sie mit ins Leben gerufen hat. Für dieses Engagement erhält sie ausschließlich positives Feedback: „Es wird von vielen Menschen als wohltuend empfunden.“

Stünde konkret in Aussicht, dass Frauen Priesterinnen werden können, würden sich Gläubige, die an der Kippe zwischen Bleiben und Austreten stehen, mit Tendenz zum Austreten, vielleicht noch einmal umentscheiden, vermutet sie. „Ich sehe dafür aber keine Anzeichen“, sagt sie bedauernd. Was sie jedoch nicht in ihrem Engagement hemmt. Ihr 88-jähriger Vater dient Michaela Monno-Linde als Vorbild. Der hatte auch lange für Veränderungen in der Kirche gekämpft. Irgendwann musste er einsehen: Es ändert sich im Grunde nichts. Dennoch blieb er bei der Stange. Die Institution, pflegt er zu sagen, ändere nichts an seinem Glauben und seinem persönlichen Einsatz.

„Was hast du davon?“

„Was hast du denn davon, dass du dich in der Kirche engagierst?“ Das hört auch Tony Brand hin und wieder. Der 78-Jährige bringt sich in St. Albertus Magnus in Ottobrunn ein. Dort leitet er den Treffpunkt „Aktiv & Kreativ” für Seniorinnen und Senioren. Auch im Sportverein ist der gelernte Physiotherapeut aktiv. Dort verheimlicht er sein kirchliches Engagement nicht: „Ich hab von vorneherein gesagt, was ich in der Kirche mache, und es gab eigentlich nie Probleme.“

Wird sein Engagement hinterfragt, meist eher verwundert statt aggressiv, antwortet Tony Brand in der Regel: „Würde sich niemand mehr engagieren, dann würde alles niedergehen.“ So sehr auch er den sexuellen Missbrauch durch Kleriker verurteilt, nerven ihn doch zunehmend die Debatten über dieses Thema. Konkret ärgert ihn, dass so getan wird, als würden diese Verbrechen nur in der Kirche verübt. Längst sei bekannt, dass es auch im Sport sexuellen Missbrauch gibt. Und nicht zuletzt in Familien.

Die Kirche ist für Tony Brand eine Institution, die dazulernen kann. Und sie ist für ihn persönlich eine gute Sache: „Wo immer ich mich auch engagiert habe, früher in der Jugendarbeit oder jetzt im Seniorenkreis, ich hab mich dabei immer wohl gefühlt.“ Tony Brand hat sich sein ganzes Leben lang kirchlich engagiert. Bereits 1973 war er Jugendvertreter im Pfarrgemeinderat gewesen.

Aus freien Stücken

Dominik Großmann, Referent für den Katholikentag 2026, zeigt Kritikern von kirchlichen Engagement auf, was die Kirche nach wie vor alles Gutes tut. Foto: Pat Christ

Dass er sich nach Abitur und Bundesfreiwilligendienst 2012 entschied, Sozialpädagogik und nicht etwa Theologie zu studieren, darüber ist Dominik Großmann heute froh. Das macht ihn beruflich von der Institution Kirche unabhängig, sagt der 32-Jährige, der seit Mai 2024 Referent für den in Würzburg 2026 veranstalteten Katholikentag ist. Aus völlig freien Stücken entschied sich Dominik Großmann bisher stets für die Kirche als Arbeitgeber. Vor seiner aktuellen Tätigkeit war er unter anderem hauptberuflich beim BDKJ tätig. Neben dem Job engagiert er sich ehrenamtlich für die Jugendumweltstation der Katholischen jungen Gemeinde in der Diözese Würzburg.

Dass die Kirche, auf ihren guten Ruf bedacht, lange nichts zur Aufarbeitung der Missbrauchsskandale tat, findet auch er unfassbar. Inzwischen jedoch geschieht eine Menge. Darauf weist Dominik Großmann hin, wird er angefragt, wie er sich denn noch bei der Kirche engagieren könne. „Im Bistum Würzburg gibt es inzwischen verpflichtende Präventionsschulungen und es wird konsequent geschaut, dass die auch besucht werden“, verdeutlicht er in Diskussionen über die Kirche. Im Übrigen findet er es nicht schlimm, dass von der Kirche enttäuschte Menschen kritisch fragen: „Auch ich stelle kritische Fragen, etwa, wenn jemand in einem Kohlekraftwerk arbeitet.“

Dass ein Kleriker, also jemand, der sich eigentlich der Nächstenliebe verschrieben hat, ein charakterlich fragwürdiger Mensch sein kann, bis dahin, dass er Kinder missbraucht, das zu erfahren, war für viele Christen hart. „Ich selbst wurde allerdings mit diesem Problem nie persönlich konfrontiert“, sagt Benedikt Bonelli, Kirchenmusiker in der Kemptener Pfarrei St. Lorenz. Weil er Kirche im Kleinen stets positiv erlebt hat, zweifelte er nie daran, dass sich ein kirchliches Engagement lohnt. Kritische Anfragen hat er bisher nur im Bekanntenkreis erlebt. Und auch das nur selten. Das liege wohl daran, meint er, dass Kirchenmusik weithin als etwas Positives erfahren wird.

Qualität statt Banales

Die insgesamt verhängnisvolle Entwicklung in der Kirche sieht Benedikt Bonelli sehr klar – und er stemmt sich dagegen. Das tut er in erster Linie, indem er auf Qualität in der Kirchenmusik setzt. Was goutiert wird. Selbst Menschen, die keiner Konfession angehören, nehmen an den von ihm geleiteten Chören teil. Die kirchenmusikalischen Veranstaltungen in St. Lorenz in Kemptensind gut besucht. „Mehr und mehr Leute haben die Banalität dieser Tage satt“, konstatiert Benedikt Bonelli.

Albert Brendle aus Miltenberg ist im Falle, dass er kritisch wegen seines kirchlichen Engagements angefragt wird, bestens gerüstet. Er musste sich, erzählt er, bereits in den Siebzigerjahren in seiner Schulklasse wegen seines Glaubens verteidigen. „Damals war die Hälfte der Klasse links der SPD angesiedelt“, erinnert er sich. Er habe bei seinen Klassenkameraden als „der letzte Fackelträger des bürgerlichen Katholizismus“ gegolten. Grundsätzlich seien kritische Fragen wichtig, sagt der ehemalige Religionslehrer, der sich für den Miltenberger „Martinsladen“, einer freien Tafel, engagiert. Allerdings brauche es Zeit und Raum für einen respektvollen Dialog. Das gehe nicht zwischen Tür und Angel.

Menschen, die sich im kirchlichen Kontext engagieren, werden immer wieder angefragt, warum sie das denn noch tun. In einzelnen Pfarreien wird darauf inzwischen mit Informations- und Gesprächsveranstaltungen reagiert. Foto: Pat Christ

Gerade in Bezug auf den von den christlichen Kirchen im Raum Miltenberg getragenen Martinsladen ist Albert Brendle sehr kritisch, gehört der in seinen Augen doch, je eher, desto besser, abgeschafft. Dass es aufgrund massiv gewachsener Armut solche Läden braucht, wirft in seinen Augen ein sehr schlechtes Licht auf die Gesellschaft. Doch solange Arme nicht anders aufgefangen werden, bleibe das Engagement wichtig. Wird Albert Brendle angefragt, warum er dies denn ausgerechnet im kirchlichen Kontext tut, verweist er auf Matthäus: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Warum glaube ich?

- „Ich glaube, weil ich in den Glauben hineingeboren bin. Vertieft wurde dieser Glaube in meiner Studienzeit, denn da habe ich unglaublich authentische, tiefgläubige Menschen erlebt“, Benedikt Bonelli, Kirchenmusiker in Kempten.

- „Ich glaube, weil das Leben allen Grenzen und Begrenzungen zum Trotz für mich zustimmungsfähig ist. Ich kann Ja zum Leben sagen, weil es eine höhere Macht gibt, die in Form von Liebe für uns da ist“, Albert Brendle, Religionslehrer im Ruhestand aus Miltenberg.

- „Ich glaube, weil ich damit großgeworden bin. Während meiner Zeit in der KJG bin ich dann mit Seelsorgern in Kontakt gekommen, die mir noch mal einen ganz anderen Zugang zum Glauben und zur Spiritualität eröffnet haben. Das hat meinen Glauben vertieft“, Dominik Großmann, Referent des Katholikentags 2026.

- „Ich könnte mir ein Leben ohne Glauben gar nicht vorstellen. Glaube ist für mich Urvertrauen. Durch meinen Glauben habe ich mich immer getragen gefühlt“, Michaela Monno-Linde, Beraterin für pflegende Angehörige bei der Caritas im Kreis Main-Spessart.

- „Es ist einfacher, mit Glauben zu leben, als ohne. Ohne Glaube wäre ich unglücklich angesichts der Tatsache, dass jeder Mensch sterben muss. Der katholische Glaube gib mir eine Antwort auf die Frage, wie es nach dem Tod weitergeht“, Tony Brand, Ehrenamtlicher in St. Albertus Magnus in Ottobrunn.


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin