Ausgabe: Mai-Juni 2025
Kommentar…meinen Glauben hatte ich nie verloren!

Mein Name ist Richard Kick. Mein Alter ist 68 Jahre. Ich wurde als Ministrant von meinem achten bis zu meinem zwölften Lebensjahr vom damaligen Kaplan meiner Heimatgemeinde schwer sexuell missbraucht.
Die Folgen daraus waren für mein Leben prägend:
Ich brach in der 10. Klasse das Gymnasium ab, habe kein Studium, keine Berufsausbildung oder Ähnliches. Ab dem 18. Lebensjahr begann eine 15 Jahre andauernde, exzessive Alkohol- und Tablettenabhängigkeit. Mein zum damaligen Zeitpunkt in meiner Wahrnehmung aussichtsloses Leben beenden zu müssen, hatte sich in meinem Kopf manifestiert. Ein in jüngster Vergangenheit erstelltes psychiatrisches Gutachten hat bestätigt, dass ich seit dem 14. Lebensjahr zu 80 Prozent erwerbsgemindert bin. Ursache dafür: schwerer sexueller Missbrauch in der Kindheit mit anhaltender posttraumatischen Belastungsstörung.
Die Liebe, Präsenz und Stabilität meiner Frau – ich bin seit meinem 23. Lebensjahr verheiratet – war und ist ein unglaubliches Geschenk. Wir haben uns kirchlich trauen lassen, da zu diesem Zeitpunkt bereits der Missbrauch, die Schande und Scham über das Erlebte tief in meinem Körper als Trauma versteckt und nicht mehr für mich erinnerbar beziehungsweise greifbar waren.
Mein Leben war ein „Hinfallen und wieder Aufstehen“. Immer wieder habe ich Hilfe gefunden, durch Therapien konnte ich Resilienz erlangen, mein Drang zu leben wurde immer größer. Plötzlich war wieder Raum, um zu Glauben, zu Hoffen und Zuversicht zu gelangen.
Unser wunderbarer Sohn – heute 31 Jahre alt – kam in mein/unser Leben. Wie schön ist es, seine lebensfrohe Entwicklung, seine Fröhlichkeit, sein Selbstbewusstsein und seinen beruflichen Erfolg zu erleben, ohne Missbrauch in seiner Kindheit.
Ein erneuter, heftiger Tiefschlag erfolgte jedoch nach meiner Meldung über das Verbrechen an mir als Kind an das Erzbischöfliche Ordinariat im Jahr 2010. Kardinal Reinhard Marx lud mich zum persönlichen Gespräch ein und beteuerte: …man würde alles tun, um mir zu helfen. Es erfolgte nichts – gar nichts!
Im Januar 2021 las ich durch Zufall, dass man Betroffene für einen Beirat suchen würde. Im April 2021 begann ich meine ehrenamtliche Tätigkeit als Sprecher des Betroffenenbeirats in der Erzdiözese München und Freising. Nach der Veröffentlichung des Gutachtens 2022 bin ich mit Klarnamen und Gesicht – mit Einverständnis meiner Familie – an die Öffentlichkeit getreten.
Seither ist viel passiert. Allen voran für Betroffene, aber auch für Kirche, für Gläubige und die Gesellschaft. Forderungen von uns an die Kirchenführung wurden umgesetzt und wir sind voll gegenseitigem Respekt zusammengewachsen. Wir haben durch unsere Radfahrt nach Rom zu Papst Franziskus und die mediale Berichterstattung dazu Millionen von Menschen weltweit erreicht und für das Thema des sexuellen Missbrauchs an Kindern sensibilisiert.
Am 9. April 2025 übergaben wir an den Bayerischen Landtag unsere Petition: „Missbrauch an Kindern und Jugendlichen entschlossen entgegentreten“.
Gott sei Dank – wir schreiten voran!
Weitere Informationen zum unabhängigen Betroffenbeitrat der Erzdiözese München und Freising finden Sie hier.
Verfasst von:
Richard Kick
Sprecher des unabhängigen Betroffenenbeirats in der Erzdiözese München und Freising