Joachim Unterländer, seit vielen Jahren schon im Landeskomitee der Katholiken in Bayern engagiert, ist nun zum neuen Vorsitzenden gewählt worden. Im Interview mit Gemeinde creativ spricht er über seine Ideen und Ziele, darüber, was für ihn „politischer Katholizismus“ ist und warum die Volkskirche in Bayern überleben wird.
Joachim Unterländer
ist gebürtiger Münchner. Der 60-Jährige ist im Hasenbergl aufgewachsen. Er ist seit 1994 Mitglied des Bayerischen Landtags. Dort ist er Vorsitzender des Arbeitskreises für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration der CSU-Fraktion sowie Vorsitzender des gleichnamigen Landtagsausschusses. Vor seiner politischen Laufbahn erhielt Joachim Unterländer an der Beamtenfachhochschule für Staatsfinanzen eine Ausbildung zum Verwaltungswirt und arbeitete danach in der Bezirksfinanzdirektion München und später im Bayerischen Landwirtschaftsministerium. Er ist Beauftragter seiner Partei für Fragen der katholischen Kirche und Landesvorsitzender der Christlich-Sozialen Arbeitnehmerschaft/Arbeitnehmer-Union (CSA). Neben der Politik engagiert sich Joachim Unterländer vor allem in verschiedenen kirchlichen Gremien: Er ist Mitglied im Vorstand des Diözesanrates der Katholiken der Erzdiözese München und Freising und Delegierter für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), sowie stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums der Katholischen Stiftungsfachhochschule.
Gemeinde creativ: Herr Unterländer, Sie sind seit März neuer Vorsitzender des Landeskomitees der Katholiken in Bayern. Was war Ihr erster Gedanke nach der Wahl?
Joachim Unterländer: Als allererstes war das natürlich die Freude über die gewonnene Wahl und darüber, nun eine neue Aufgabe übernehmen zu dürfen, die es mir ermöglichen wird, mich noch intensiver in der katholischen Laienarbeit einzubringen. Nach 16 Jahren im Präsidium des Landeskomitees der Katholiken in Bayern gibt mir das Amt des Vorsitzenden hier noch einmal neue Gestaltungsspielräume.
Im Landeskomitee bleibt der Vorstand vier Jahre im Amt. Worauf freuen Sie sich in den kommenden vier Jahren am meisten?
Ich freue mich zum einen auf den guten Dialog mit den Diözesanräten der sieben bayerischen (Erz-)Diözesen und den katholischen Verbänden. Ich will das Gespräch aber auch suchen, mit Fachleuten aus Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft sowie den Verbänden der Zivilgesellschaft und natürlich mit der Politik. Sie alle sind Ansprechpartner für das Landeskomitee in wichtigen, aktuellen Fragen.

Der CSU-Landtagsabgeordnete Joachim Unterländer folgt auf den ehemaligen SPD-Politiker Albert Schmid (rechts): Ende März hat Joachim Unterländer den Vorsitz im Landeskomitee der Katholiken in Bayern übernommen.
Sie sind nun Oberhaupt des höchsten kirchlichen Laiengremiums in Bayern. Welche Rolle sehen Sie für das Landeskomitee der Katholiken in Bayern in der Gesellschaft? Ist das Landeskomitee vielleicht auch noch nicht bekannt genug?
Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern ist der Zusammenschluss der Diözesanräte, der auf Landesebene tätigen katholischen Verbände und Organisationen sowie einiger Einzelpersönlichkeiten. Es hat die Aufgabe die Entwicklungen im gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Leben zu beobachten und Anliegen der Katholiken von landespolitischer Bedeutung in der Öffentlichkeit zu vertreten. Aus diesen Bestimmungen heraus ergeben sich auch Themen und Ziele: Es ist wichtig, dass wir uns in kirchenpolitischen Fragen austauschen und positionieren. Wir müssen aber auch die Stimme der katholischen Laien in Bayern für gesellschafts- und sozialpolitische Fragestellungen sein. Als Landeskomitee müssen wir in beiden Teilen – Kirche und Politik – aktiv sein, müssen unsere Vorschläge einbringen und den Dialog mit den Kirchenleitungen suchen. Umgekehrt müssen wir aber auch das Sprachrohr für die Laien in der katholischen Kirche gegenüber den Bischöfen sein. Objektiv betrachtet sind das Landeskomitee und seine Arbeit sicherlich in der Öffentlichkeit, selbst an der Basis in unseren Pfarrgemeinden, nicht so bekannt, wie es wünschenswert wäre. Es ist auch unsere Aufgabe, durch entsprechende Aktivitäten und Tätigkeiten dafür zu sorgen, dass es bekannter wird.
Haben Sie schon konkrete Ziele, oder gibt es Themen, die Ihnen besonders am Herzen liegen und die Sie in den kommenden vier Jahren voranbringen wollen?
Der Dialog zu beiden Seiten – mit kirchlichen Vertretern, wie mit Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft – liegt mir sehr am Herzen. Für mich bedeutet das eine Wiederbelebung des politischen Katholizismus. In der Nachkriegszeit hat dieser politische Katholizismus unsere Geschichte und den Aufbau neuer Strukturen hier in Bayern und auch in Deutschland ganz entscheidend mitgeprägt. Das ist in den vergangenen Jahren aus verschiedenen Gründen nicht mehr so gewesen. Ich möchte „eingeschlafene“ Veranstaltungsformen wiederbeleben und auch mit neuen Konzepten versuchen, diesen Aspekt wieder mehr mit Leben und Inhalt zu füllen. Ich denke dabei an ein Gesprächsforum mit den schon genannten Fachleuten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Und ein zweites Thema ist mir noch sehr wichtig: Frauen und Familien in der Kirche. Wie können wir es erreichen, dass Frauen und Familien im gemeindlichen und im kirchlichen Leben generell stärker berücksichtigt werden können? Daran will ich weiterarbeiten.
Jeden Tag in der Zeitung zu stehen, ohne den eigenen Namen zu lesen, kann das auch für das Landeskomitee ein Anspruch sein?
Sicher. Es ist auch notwendig, dass nicht die eigene Profilierung im Vordergrund steht, sondern die Sache. Viel wichtiger als regelmäßig medienwirksam zu erscheinen, ist es doch, Dinge ins Gespräch und schließlich voran zu bringen. Wer es am Ende angestoßen hat, ist doch nebensächlich. Was zählt, ist das Ergebnis.
Mit Blick auf den Priestermangel und stetig größer werdende pastorale Räume: Welche Rolle werden die Laien in Zukunft spielen oder einfordern müssen?
Die Laien müssen in der Zukunft mehr Verantwortung übernehmen, aus zweierlei Gründen: Ich möchte den Priestermangel nicht in den Vordergrund rücken, aber er ist nicht wegzudiskutieren. Und in der Konsequenz müssen Laien in den Pfarrgemeinden stärker beteiligt werden. Aber es ist vor allem auch die Tatsache, dass Laien ein wesentlicher Bestandteil des kirchlichen Lebens sind und deshalb auch in die Entscheidungsprozesse entsprechend mit einbezogen werden müssen. Das ist eine Form von Anerkennung und Wertschätzung.
Ihr Heimatbistum, das Erzbistum München und Freising, möchte nun neue Modelle erproben, wie man Laien an der Leitung von Pfarrgemeinden stärker beteiligen kann. Wie sehen Sie das?
Ich sehe das wirklich sehr positiv. Und ich bin gespannt, wie sich das Projekt weiterentwickeln wird, welche Ergebnisse die Modellversuche liefern und ich hoffe, dass man in dieser Sache schnell vorankommt und den nun eingeschlagenen Weg gut und zügig weitergehen kann.
Kurz nach der Wahl haben Sie sich als „Fan der Volkskirche“ geoutet und das, obwohl doch andere längst deren Ende beschwören. Wird es die Volkskirche in Bayern weiter geben und auch brauchen?
Wir hier in Bayern sind geprägt vom kirchlichen Leben, vom Jahreskreis und alldem, was dazu gehört, auch wenn es vielfach Traditionen sind. Das kirchliche Leben bestimmt schon noch innerhalb unserer Gesellschaft den Alltag durchaus mit. Und die Menschen wollen das auch – davon bin ich überzeugt. Ich glaube auch, dass eine Sehnsucht danach besteht, Orientierung zu finden in einer Zeit, in der es Unsicherheiten und Umbrüche gibt. Hier ist unser Glaube und das, was gläubige Christen vorleben, eine große Chance, die auch Orientierung für andere geben kann.
In dieser Ausgabe von Gemeinde creativ geht es im Schwerpunkt um „Religiöse Bildung“. Warum braucht unsere Gesellschaft Ihrer Ansicht nach religiös gebildete Menschen?
Wir brauchen religiös gebildete Menschen ganz dringend. Sie sind die Voraussetzung für ein gelingendes Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft. Ohne Menschen, die auf Basis der Werte, die aus Religion und Glaube heraus entstehen und formuliert werden, handeln, ist ein solches Zusammenleben nicht möglich.
Das Interview führte Alexandra Hofstätter
Fotos: A. Hofstätter