Alle reden von Bildung. Aber meinen sie dasselbe? Mir war immer jene Definition die Liebste, die neben anderen Gewährsleuten auch Werner Heisenberg zugeschrieben wird: „Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat, was man gelernt hat.“ Was hat dieses „Übriggebliebene“ mit christlichem Glauben zu tun?
Der französische Religionssoziologe Olivier Roy sagt: „Die Säkularisierung hat das Religiöse nicht ausgelöscht. Säkularisierung und Globalisierung haben die Religionen gezwungen, sich von der Kultur abzulösen, sich als autonom zu begreifen.“ In letzter Konsequenz verwandelt sich „die Ablehnung der profanen Kultur in Misstrauen auch gegenüber dem religiösen Wissen, weil man meint, dass es erstens nicht nötig ist zu wissen, um gerettet zu werden, und zweitens, dass das Wissen vom wahren Glauben ablenken kann“. Um es mit den Worten des französischen Erzbischofs Albert Rouet zu sagen: „Die Kirche droht, eine Subkultur zu werden.“ Oder mit Papst Paul VI.: „Der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche.“
Was Menschen an Sorgen oder Hoffnungen erleben, wie sie direkt oder indirekt den Sinn des Lebens sehen, wie sich ihre Religion, ihre Weltanschauung ausdrückt – all das gehört zum weiten Bereich der Kultur, von der sogenannten Hochkultur der Literatur, des Theaters, der Bildenden Kunst bis zur selbstverständlichen Gestaltung des alltäglichen Lebens. Wer sich bildet, bleibt neugierig gegenüber dieser überbordenden Fülle menschlicher Ausdrucksweisen, selbstverständlich jeweils nur in Ausschnitten entsprechend seiner Neigungen, Möglichkeiten oder Vorprägungen. Bildung meint ein grundsätzliches Interesse an der Welt und den Menschen, seien sie unsere Zeitgenossen oder Repräsentanten früherer Epochen. Um diese Grundhaltung geht es, nicht darum, viel zu kennen oder das Wort „Kultur“ im Mund zu führen. Denn, wie gesagt, „Bildung ist das, was übrig bleibt….“
Bekanntlich hat Meister Eckart das Wort „Bildung“ in unseren deutschen Sprachschatz eingefügt. Es sei unsere Aufgabe, uns in das Bild, das Jesus Christus ist, einzu-„bilden“, nach seinem Bild zu werden. Und wenn wir uns erinnern, dass schon die Kirchenväter von den „Spuren“ Jesu Christi, des Wortes Gottes, sprachen, die es überall, auch außerhalb der Kirche, zu entdecken gäbe, und dass der Sinn von „katholisch“ darin bestehe, diese Spuren in die Kirche einzubringen, kann nochmals deutlich werden, dass Bildung kein Randthema ist, sondern in die Mitte christlicher Existenz führt.
Gregor von Nazianz (gestorben um 390) hält fest: „Darin stimmen alle Verständigen überein, dass Bildung das erste unserer Güter ist: nicht nur jene uns eigene, die sich nur an das Heil und die Schönheit der Wahrheiten hält, sondern auch die heidnische, welche die meisten Christen als schädlich und gefährlich und als von Gott wegführend verachten.“